Monte Disgrazia via NW-Grat (Normalroute)

Die Wetteraussichten waren zwiegespalten; im gesamten Alpenraum waren am ersten Juliwochenende instabiles Wetter und Schauer angekündigt. Dennoch versprach der Bergwetterbericht zumindest ein trockenes Zeitfenster bis Sonntag 14 Uhr am Monte Disgrazia.

 

Nach der Abfahrt 7 Uhr morgens in Überlingen, einem ausgiebigen Café in Chiavenna stiegen wir in den Nachmittagsstunden von der Preda Rossa am Ende der mautpflichtigen Straße durchs Val di Sasso Bisolo in Richtung Rifugio Ponti (CAI) auf. Zunächst flach auf der Ebene nebem den Bachmäandern, führt der Weg bald in engen Kehren aus dem Tal nach oben in Richtung Rifugio, welches wir nach gut 2 1/2 Stunden erreichten. Vom Rifugio lässt sich der restliche Aufstiegsweg des nächsten Tages gut einsehen: Moräne, Gletscher, Firnfeld bis zum Sattel, dann Grat zum Gipfel. Der Abend klingt mit einem wunderbaren Abendbrot bei Mundharmonikaklängen aus.

 

Vier Uhr am nächsten Morgen stehen wir im Schein unserer Stirnlampen in der sternklaren Nacht; der Wirt hat allen Disgrazia-Aspiranten eine kurze Nacht beschert. Alsbald queren wir das kurze Stück bis zur Moräne, und steigen auf deren Rücken bis dieser im Ghiacciaio di Preda Rossa verschwindet. Während wir noch anseilen, sind die ersten Lichtkegel schon fast am Grat zu sehen; die ersten Bergsteiger haben schon kurz nach 3 die Hütte verlassen. Mit einigen anderen Seilschaften steigen wir auf dem Gletscher unterhalb der Felswand weiter auf. Während die ersten Sonnenstrahlen die Cima di Corna Rossa beleuchten ziehen wir unbeirrt unsere Kehren über den Firn in der vorgezeichneten Spur, dank des schneereichen Winters stecken wir mitunter noch knietief im Schnee. Am Sattel, der Sella di Pioda empfängt uns der kalte Wind der Nordseite, welcher auch ein paar Wolken mitbringt. Beim Aufstieg zum eigentlichen Grat müssen wir uns am ersten Firnaufstieg einreihen, nach und nach passieren wir die anderen Seilschaften auf dem Grat. Kurze Felspassagen (II, max. III-er Kletterei am Cavallo Bronce / Bronzenem Pferd) wechseln sich dabei mit Firn- und Schneepassagen (max. 50°), es hat noch recht viel Schnee, auch Neuschnee dort oben. Gegen 8.15 Uhr stehen wir allein am kleinen Gipfelstein und genießen die Aussicht, derweil ziehen die Wolken weiter zu.

Im Abstieg müssen wir uns mit den nachfolgenden aufstiegenden Seilschaften arrangieren, und auch der Schnee wird immer sulziger. Ein Abfahren auf dem Sulzschnee ist so nicht wirklich möglich, wir wünschen uns Ski herbei - zu Fuß ist der Abstieg bis zum apereren Gletscher recht mühevoll. Der angenehme Weg über die Moräne ist dann wieder eine Wohltat für die Beine.

Gegen 12 kommen wir wieder an der Hütte an; füllen noch einmal unsere Energiereserven und steigen den Weg durch die Granitfelsen bis zur Preda Rossa weiter ab. Gegen 13.30 erreichen wir das trocken das Auto; das Wetter hat wunderbar gehalten.

Laut Schild in der gut geführten Hütte liegt die Einstufung der Route bei PD+. Die Kletterei am Bronzenen Pferd liegt bei maximal III, ansonsten ist der Weg umschwierig bei etwa II. Die Verhältnisse mit dem Schnee waren am Grad recht angenehm.