Bis ans Limit ... und darüber hinaus (Eulengrat)
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Hätte mir vor ungefähr einem Jahr eine Wahrsagerin die Hand gelesen und gemurmelt: „Ich sehe da eine Eule... und einen Grat“, so hätte ich sie wahrscheinlich gross angeschaut und mir beim besten Willen nicht vorstellen können, was das mit meiner Zukunft zu haben sollte. Damals wusste ich nicht einmal, dass es im Solothurner Jura einen Grat gibt, der diesen Namen trägt. Und selbst wenn ich es gewusst hätte, so hätte ich mir ganz bestimmt nicht träumen lassen, dass ich einmal dort oben herumklettern würde.
Eine Woche vorher, auf der Heimfahrt von meinem Gonzen-Abenteuer, rief ich Matthias an. Dem nicht ganz ungetrübten Verlauf jener Tour wollte ich möglichst schnell ein Erfolgserlebnis folgen lassen. Ausserdem hielt ich es für ratsam, nicht stets mit Alleingängen das Schicksal herauszufordern. Ich hatte gehört, dass für Auffahrt eine Klettertour geplant war und fragte, ob ich mich anschliessen dürfte. „Ja, klar kannst Du mitkommen. Wir wissen aber nicht an welchem Tag. Ich schreibe dir noch.“ Per E-Mail erfuhr ich dann, dass es aufgrund der Wetterprognosen der Sonntag sein werde und der Solothurner Jura. Erst am Abend vor der Tour, als ich mich nochmals erkundigte, wusste ich, dass wir auf den Eulengrat gehen würden.
Den Eulengrat brauche ich hier nicht zu beschreiben. Es gibt genügend Hikr-Berichte und einschlägige Führerliteratur. Auch wenn ich nicht viel von Topos verstehe, wurde mir schnell klar, dass dieser Grat den Rahmen meiner bisherigen Klettererfahrungen sprengen würde. Weitere Gedanken oder Sorgen machte ich mir keine. In der Gruppe, angeleitet von einem Bergführer, fühlte ich mich von vornherein wohlbehütet und geborgen. Ganz anders als auf meinen Alleingängen.
Wie gewohnt treffen wir uns morgens um sieben am Zürcher Hauptbahnhof. Einige laden wir auf der Fahrt zu unserem Tagesziel auf. Matthias hat wieder eine bunt gewürfelte Truppe beisammen: Andrea, Fabienne, Mario, Peter und Sandro haben alle ausreichend Klettererfahrung. Die einen mehr, die andern weniger. Matthias nimmt Yven – der zum ersten Mal draussen auf den Felsen ist – und mich ans Seil. Der Jüngste und der Älteste der Gruppe in der gleichen Seilschaft. Zusammen sind wir genau 70 Jahre alt, ein guter Altersdurchschnitt... Ich bin nicht nur der Älteste, ich bin auch der Einzige, der mit den schweren Bergschuhen angetreten ist. Man mag es als eine Art Starrköpfigkeit deuten, dass ich mir immer noch keine Kletterfinken angeschafft habe. Anfänglich hielt ich es für unnötig, bloss wegen einem einzigen Tag im Klettergarten. Inzwischen ist mehr daraus geworden. Dennoch sehe ich mich auch jetzt noch eher als Alpinwanderer denn als Alpinist und Kletterer.
Bereits die erste Seillänge – 4b gemäss Kletterführer – macht klar, dass dieser Grat kein Spaziergang ist. In diesem Stil geht es weiter. Einfacher wird es nur selten, dafür meistens schwieriger. Ob 5a, 5b oder 5c ist nicht so entscheidend. Ich bin ohnehin am Limit oder besser gesagt: darüber hinaus. In der Fachsprache nennt man das wahrscheinlich A0, wenn ich mich mit einer Hand oder unter Umständen sogar mit beiden Händen an den Express-Schlingen halte und hochziehe. Immer wieder suchen die Augen vergeblich nach grösseren Unebenheiten im Fels, auf denen wenigstens der vorderste Teil der Schuhsohle Platz hätte. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als mich mit den kleinsten Tritten und Griffen zu begnügen. Manchmal fehlen selbst diese. Man müsste dann ganz auf Reibung klettern, was mit den Bergschuhen schlecht geht. Dann halt mit den Express-Schlingen, die eigentlich nur zum Sichern da wären. An einer Stelle hänge ich nur noch am Seil – genau gleich wie beim Abseilen, bloss geht es in die andere Richtung – bis es wieder einen Griff hat, an dem ich mich festhalten kann.
Der junge Yven vor mir ist behände und flink wie ein Wiesel. Einmal, auf einer grifflosen Platte, rutscht auch er in seinen Kletterfinken weg. Zum Glück an einer Stelle, wo ich einen guten Stand habe, so dass er meine Hände als Tritt benützen kann, bis Matthias ihn über die schwierige Stelle hinaufgezogen hat. Die beiden andern Seilschaften unserer Gruppe, die hinter uns klettern, scheinen problemlos voranzukommen, obwohl auch sie nicht unglücklich sind, als wir nach fast vier Stunden das obere Ende des Grates erreichen.
Der Abstieg ist mit roter Farbe an den Felsen gut markiert. Anfänglich gefühltes T5-Gelände mit anregenden Kraxeleien, später einfacher, aber immer noch steil. Wir gehen die ganze Zeit gut gesichert am verkürzten Seil. An den Haltepunkten der Ketten, die an den heikelsten Stellen helfen, lassen sich gut Express-Schlingen einhängen. Bäume und Felszacken dienen als natürliche Sicherungsmöglichkeiten. Kurzum, eine Sicherungsmethode, die manchmal auch bei schwierigen Alpinwanderungen sinnvoll wäre, um nicht einzig darauf bauen zu müssen, dass das Schicksal es immer gut mit einem meint.
Vor einigen Monaten entdeckte ich ein spanisches Sprichwort, das mich sogleich fasziniert hat: NO DESTRUYA TUS SUENOS, DESTRUYE TUS LIMITES. Auf gut Deutsch: Zerstöre nicht deine Träume, sprenge deine Grenzen! Beim Klettern habe ich wie kaum bei einer andern Gelegenheit das Gefühl, nach den Sternen zu greifen und über mich hinauszuwachsen.
Eine Woche vorher, auf der Heimfahrt von meinem Gonzen-Abenteuer, rief ich Matthias an. Dem nicht ganz ungetrübten Verlauf jener Tour wollte ich möglichst schnell ein Erfolgserlebnis folgen lassen. Ausserdem hielt ich es für ratsam, nicht stets mit Alleingängen das Schicksal herauszufordern. Ich hatte gehört, dass für Auffahrt eine Klettertour geplant war und fragte, ob ich mich anschliessen dürfte. „Ja, klar kannst Du mitkommen. Wir wissen aber nicht an welchem Tag. Ich schreibe dir noch.“ Per E-Mail erfuhr ich dann, dass es aufgrund der Wetterprognosen der Sonntag sein werde und der Solothurner Jura. Erst am Abend vor der Tour, als ich mich nochmals erkundigte, wusste ich, dass wir auf den Eulengrat gehen würden.
Den Eulengrat brauche ich hier nicht zu beschreiben. Es gibt genügend Hikr-Berichte und einschlägige Führerliteratur. Auch wenn ich nicht viel von Topos verstehe, wurde mir schnell klar, dass dieser Grat den Rahmen meiner bisherigen Klettererfahrungen sprengen würde. Weitere Gedanken oder Sorgen machte ich mir keine. In der Gruppe, angeleitet von einem Bergführer, fühlte ich mich von vornherein wohlbehütet und geborgen. Ganz anders als auf meinen Alleingängen.
Wie gewohnt treffen wir uns morgens um sieben am Zürcher Hauptbahnhof. Einige laden wir auf der Fahrt zu unserem Tagesziel auf. Matthias hat wieder eine bunt gewürfelte Truppe beisammen: Andrea, Fabienne, Mario, Peter und Sandro haben alle ausreichend Klettererfahrung. Die einen mehr, die andern weniger. Matthias nimmt Yven – der zum ersten Mal draussen auf den Felsen ist – und mich ans Seil. Der Jüngste und der Älteste der Gruppe in der gleichen Seilschaft. Zusammen sind wir genau 70 Jahre alt, ein guter Altersdurchschnitt... Ich bin nicht nur der Älteste, ich bin auch der Einzige, der mit den schweren Bergschuhen angetreten ist. Man mag es als eine Art Starrköpfigkeit deuten, dass ich mir immer noch keine Kletterfinken angeschafft habe. Anfänglich hielt ich es für unnötig, bloss wegen einem einzigen Tag im Klettergarten. Inzwischen ist mehr daraus geworden. Dennoch sehe ich mich auch jetzt noch eher als Alpinwanderer denn als Alpinist und Kletterer.
Bereits die erste Seillänge – 4b gemäss Kletterführer – macht klar, dass dieser Grat kein Spaziergang ist. In diesem Stil geht es weiter. Einfacher wird es nur selten, dafür meistens schwieriger. Ob 5a, 5b oder 5c ist nicht so entscheidend. Ich bin ohnehin am Limit oder besser gesagt: darüber hinaus. In der Fachsprache nennt man das wahrscheinlich A0, wenn ich mich mit einer Hand oder unter Umständen sogar mit beiden Händen an den Express-Schlingen halte und hochziehe. Immer wieder suchen die Augen vergeblich nach grösseren Unebenheiten im Fels, auf denen wenigstens der vorderste Teil der Schuhsohle Platz hätte. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als mich mit den kleinsten Tritten und Griffen zu begnügen. Manchmal fehlen selbst diese. Man müsste dann ganz auf Reibung klettern, was mit den Bergschuhen schlecht geht. Dann halt mit den Express-Schlingen, die eigentlich nur zum Sichern da wären. An einer Stelle hänge ich nur noch am Seil – genau gleich wie beim Abseilen, bloss geht es in die andere Richtung – bis es wieder einen Griff hat, an dem ich mich festhalten kann.
Der junge Yven vor mir ist behände und flink wie ein Wiesel. Einmal, auf einer grifflosen Platte, rutscht auch er in seinen Kletterfinken weg. Zum Glück an einer Stelle, wo ich einen guten Stand habe, so dass er meine Hände als Tritt benützen kann, bis Matthias ihn über die schwierige Stelle hinaufgezogen hat. Die beiden andern Seilschaften unserer Gruppe, die hinter uns klettern, scheinen problemlos voranzukommen, obwohl auch sie nicht unglücklich sind, als wir nach fast vier Stunden das obere Ende des Grates erreichen.
Der Abstieg ist mit roter Farbe an den Felsen gut markiert. Anfänglich gefühltes T5-Gelände mit anregenden Kraxeleien, später einfacher, aber immer noch steil. Wir gehen die ganze Zeit gut gesichert am verkürzten Seil. An den Haltepunkten der Ketten, die an den heikelsten Stellen helfen, lassen sich gut Express-Schlingen einhängen. Bäume und Felszacken dienen als natürliche Sicherungsmöglichkeiten. Kurzum, eine Sicherungsmethode, die manchmal auch bei schwierigen Alpinwanderungen sinnvoll wäre, um nicht einzig darauf bauen zu müssen, dass das Schicksal es immer gut mit einem meint.
Vor einigen Monaten entdeckte ich ein spanisches Sprichwort, das mich sogleich fasziniert hat: NO DESTRUYA TUS SUENOS, DESTRUYE TUS LIMITES. Auf gut Deutsch: Zerstöre nicht deine Träume, sprenge deine Grenzen! Beim Klettern habe ich wie kaum bei einer andern Gelegenheit das Gefühl, nach den Sternen zu greifen und über mich hinauszuwachsen.
Tourengänger:
Fico

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