Stürmischer Geheimtipp-Gipfel und Skitouren-GAU im Maighelstal


Publiziert von Mistermai , 23. Dezember 2013 um 19:58.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Surselva
Tour Datum:22 Dezember 2013
Ski Schwierigkeit: WS+
Wegpunkte:
Geo-Tags: Gruppo Piz Blas   CH-GR 
Zeitbedarf: 9:00
Aufstieg: 700 m
Abstieg: 1300 m
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Zug
Unterkunftmöglichkeiten:Maighelshütte
Kartennummer:Maighelshütte - Pt. 2858 - Oberalppassstrasse - Tschamutt (17km horizontal)

Prolog
Dieser Bericht handelt vom 2. Tag unseres JO-Skitouren-Weekends, durchgeführt mit 18 Personen. Den Bericht vom ersten Tag (Pazolastock) gibts *hier.
Am Vorabend entschieden wir uns, auf den Tipp des Hüttenwarts hin, den namenlosen Gipfel zwischen Piz Alpetta und Tgiern Ravetsch zu besteigen.

Hauptteil
So machten wir uns morgens um 8 auf und liefen nach kurzer Abfahrt flach bis leicht ansteigend durchs Maighelstal. In etwa bei P.2282 stiegen wir dann linker Hand in den Hang und dann immer bergauf bis es unterhalb des Piz Alpetta wieder flächer wurde. Anschliessend hielten wir uns mehr südlich und peilten das Gipfelziel direkt an.

Etwa 50m unterhalb des Gipfels errichteten wir ein Skidepot und stiegen dem Grat entlang bis zum Gipfel. Dabei war es sehr stürmisch und einige begannen zu frieren (Kollege Windchill lässt grüssen...). Nach kurzem Gipfelrast stiegen wir ab, montierten die Skis und fuhren los, um in angenehmere Gegenden zu gelangen.

Kurz oberhalb von Pt. 2490 passierte es dann: Ein Kollege stürzte und verlor dabei seine Skier. Die nachfolgenden Fahrer hielten natürlich an und halfen bei der Suche. Ein Ski wurde dabei schnell gefunden, doch der Andere schien unter dem Schnee weiter gerutscht zu sein - so wie es wohl so mancher Skitouren-Gänger auch schon erlebt hat.

Doch im Gegensatz zu den "normalen" Vorfällen schien dieser Ski tatsächlich wie vom Erdboden verschluckt. 10 Personen beteiligten sich an der Suche: Mit Schaufeln, Sonden und Skistöcken wurde sondiert und geschaufelt.  Es war fast nicht zu glauben, doch nach über 1h Suche mussten wir einsehen, dass wir den Ski nicht finden würden. Zu viel Schnee (verweht) lag im Tälchen und zu ungenau wussten wir, wie der Sturz genau vonstatten ging.

Nun waren wir also 18 Personen mit 35 Skiern. Irgendwie mussten wir die rund 10km bis Tschamutt so schaffen, um einen Helikopterflug zu vermeiden.
Das erste Hindernis war ein Culoir unmittelbar unterhalb der "Verluststelle". Wir entschieden uns, die Skis so zu verteilen, dass schlussendlich der kleinste Junge (14-jährig, 50kg) keine Skis mehr hatte - wobei wir einen Ski noch an einem Rucksack befestigten. Der Tourenverantwortliche nahm den Jungen dann huckepack und schaffte es so die 200hm bis auf den Talboden hinunterzufahren, was angesichts der technischen Schwierigkeit der Abfahrt schon eine Meisterleistung war.

Da wir wussten, dass ab der Maighelshütte auf Wegen gefahren werden konnten, die für geübte Skifahrer mit einem Ski zu meistern sind, verblieben nun noch knapp 3km auf dem Talboden, die in flachem - leicht ansteigendem Terrain zurückgelegt werden mussten.
Diverse Versuche, dass der Junge auf die Skier von anderen stehen sollte, scheiterten spätestens dann, wenn es leicht bergauf ging - es war schlicht zu wackelig, egal ob er vorne oder hinten auf den Skiern stand.

Glücklicherweise war der Schnee teilweise sehr hart, so dass ohne allzu tiefes Einbrechen darauf gelaufen werden konnte - dies erwies sich als effektiver als das gehen mit einem einzelnen Ski.

Abwechslungsweise nahmen wir ihn dann auch noch huckepack, wenn der Schnee dann doch zu tief wurde. Doch dies war derart anstrengend, dass es kaum mehrere Minuten auszuhalten war - auch weil die Stöcke dann natürlich nicht benutzt werden konnten. Ausserdem musste dann immer jemand anderes 2 Rucksäcke tragen, was auch nicht gerade angenehm war.
Eine Passage von einigen hundert Metern (leicht ansteigend / weicher Tiefschnee) nahm ich den Jungen dann noch auf die Schultern - so konnte ich zumindest die Stöcke benutzen. Was einfach tönt war in Realität selbst für mich als gut gebauter junger Mann (2m / 96kg) unglaublich anstrengend. Noch heute spüre ich Schultern, Rücken und Hüfte. Immerhin war es wohl noch gutes Training, bevor ich dann am 1. Januar meinen ersten Marathon laufen werde ;-)

Irgendwie schafften wir es schlussendlich bis zu der Stelle unterhalb der Maighelshütte, wo zuerst ein Feldweg und dann immer bessere Strassen bis nach Tschamut führen. Ab hier fuhren 2 Personen abwechslungsweise mit einem Ski bis Tschamut - auch dies eine starke Leistung, immerhin waren es noch über 6km.

Kurz bevor es begann einzudunkeln erreichten wir den Bahnhof in Tschamut und waren glücklich, ohne eine aufwändigere Rettungsaktion heil angekommen zu sein.

Epilog
Auf einem Ski fahren - dies lernt jedes Kind in schweizer Skischulen. Doch was bereits auf einer blauen Piste nicht ganz einfach ist, wird im offenen Gebirge eine Herkules-Aufgabe. Schlussendlich war es für uns nur möglich, diese Tour erfolgreich abzuschliessen, weil wir einige ausserordentlich gute Skifahrer dabei hatten und mit vereinten Kräften zusammenarbeiteten.
Immerhin über den Verlust des Skis mussten wir uns nicht allzu lange ärgern. Es war ohnehin das mit Abstand älteste Modell, das an diesem Wochenende im Einsatz war...

Die Lehren
Allzu viele Vorwürfe können wir uns auch im Nachhinein nicht machen. Ein wesentlicher Punkt wäre da allerdings: Nach einem solchen Sturz immer die genaue Unfallstelle und die Einfahrtsrichtung mit Stöcken oder Sonden markieren. Wenn einfach mal drauflos gesucht wird - gerade bei einer grösseren Gruppe, weiss man spätestens nach 10min gar nicht mehr, wo es genau passiert ist. Allerdings geht man ja im ersten Moment davon aus, dass der Ski sofort wieder gefunden wird.

Die berühmte Bilder-Lücke
Einmal mehr habe ich erlebt, dass man in "Extremsituationen" überhaupt gar nicht mehr daran denkt, Fotos zu machen. Erst zuhause merkte ich, dass ich zwar über 100 Fotos von diesem Tag habe, das letzte allerdings um 13:05. Just der Zeitpunkt als wir begannen den Ski zu suchen.


Tourengänger: Mistermai, fricker


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