Val Bavona: 24 Erlebnisstunden im Valle di Foioi


Publiziert von Seeger , 27. August 2013 um 21:45. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Schweiz » Tessin » Bellinzonese
Tour Datum:27 August 2013
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-TI   Gruppo Pizzo Castello 
Zeitbedarf: 8:00
Aufstieg: 1033 m
Abstieg: 1033 m
Strecke:2.86km: Faed 755m – Terasc 1276m – Alpe di Foioi/Corte di Fondo 1718m – gleicher Weg zurück
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit FART von Locarno nach Bignasca. Postautoverbindung ins Val Bavona, Haltestelle Fontanelada
Zufahrt zum Ankunftspunkt:dito
Kartennummer:Basodino 1271

Kaum ist ein so wildes Tal so viel dokumentiert worden. Sicher in Verbindung mit Zan Zanini (1794-1869), welcher den Mut hatte, 1833-1835 diese gefährliche Alp mit einer Kuhstrasse von Faed aus zu verbinden. Sein Schicksal wird im „Nicht Anfang und nicht Ende“ von Plinio Martini beschrieben (siehe auch Bericht von zaza und den allerneuesten Bericht von lynx). Giuseppe Brenna hat 2010 mit dem in Italienisch erschienen Buch „Giuseppe Zan Zanini e la Valle di Foiòi (Valle Bavona)“ eine ausgezeichnete Dokumentation mit viel Hintergrundwissen (Luigi Martini) erschaffen, welches er in Kurzform im Kapitel 19ff. des ebenfalls sehr lesenswerten Buch „Alpi di Val Bavona“ eingefügt hat. (SalvioniEdizioni). Auch im vergriffenen Buch von Aldo und Nora Cattaneo „Storie e sentieri di Val Bavona“ (bereits 1998) ist die Alpe di Foioi lebhaft beschrieben (Corte di Mezzo fehlte noch, da man lange Terasc als Corte di Fondo betrachtete).
Drei Mal war ich auf dem Weg ins Foioi. Einmal im November bis Terasc, wobei ich den Rückweg beinahe nicht gefunden habe. Das zweite Mal mit Henrik bis zur Inschrifttafel. Das dritte Mal mit meiner Frau zur Inschrifttafel und ein paar Treppen hoch. Doch dieses Mal kam ich weiter, wenn auch das unbeständige Wetter eine Traverse über  Cupol – Corte di Là verunmöglichte.
jimmy und ich spazieren bei schönstem Sonnenschein in Faed 755m flussaufwärts. Sobald wir die Häuser von Serta in einer Waldlichtung sehen, erkennen wir den schwach ausgeprägten und nicht markierten Weg nach rechts Richtung Einschnitt des Valle di Foioi.
Von nun an ist man mit wenigen Ausnahmen im Schosse des Waldes. Beruhigend, solange es Wald ist: Denn wo keine Bäume stehen ist Fels. Felswände, Felsbrocken, Plattenschüsse.... das ist das Valle di Foioi! Doch da ist die löbliche Ausnahme: Dieses undurchdringliche Labyrinth wird durch einen atemberaubenden Weg durchzogen. Gleich auf Höhe des tiefen V-Grabens beginnt links eine Treppenanlage. Nach etwa 20m befindet sich rechts auf der blanken Felswand etwas geschützt die sauber eingemeisselte Inschrift von Zan Zanini, die seinen Stolz, seine Willenskraft und sein Durchsetzungsvermögen in wenigen Zeilen ausdrückt:“ Ich Giuseppe Zan Zanini aus Cavergno machte diesen Weg, um die Kühe auf die Alp zu treiben, Anno 1833+“. Der Felswand angepasst steigt die Treppenanlage in Kehren auf den oberen Boden. Dort führt ein ausgeprägter Weg in Kehren in die Höhe. Neuere punkfarbige Markierungen weisen durch das Gewirr zur ersten Schlüsselstelle oberhalb einer Stützmauer, genannt Barbacane. Halsbrecherisch, jedoch mit einem rostigen Drahtseil gesichert, steigen wir über hohe in den nackten Fels gemeisselten Tritten exponiert einer Wand hoch. Zur Abwechslung wieder einfachere Passagen. Die Markierungen führen dann plötzlich waagrecht nach rechts bis quasi an die Abbruchkante in den Flussgraben. Nun noch ein Stück stotzig empor und wir erreichen Terasc 1276m. Das Haus ist zweistöckig und an eine senkrechte Felswand angebaut, deren Regenwasser durch eine Rinne seitwärts abgeleitet wird. Einfach und genial. Das Innere der Hütte ist trocken. Gleich daneben ist ein Splüi unter einer riesigen Felsplatte gebaut worden. Ebenfalls trocken und mit Schlafstätten, sogar mit Abstellnische am Kopfende.
Nach einer Pause steigen wir den Treppen folgend empor und erreichen den ersten Graben, genannt Cosceda. Etwas ausgesetzt, aber dank der Stützmauer und dem „Balkenloch“ überwinden wir ihn problemlos. Der ausgeprägte Pfad führt nun weniger steil entlang der Flanke, unterbrochen von weiteren zwei Rinnen, deren Queren nicht ohne sind. Eine rund 60 Tritte zählende Treppe (Passo Lungo) überwindet eine senkrechte Wand. Auch zwei Plattenschüsse mit betörendem Tiefblick erfordern Vorsicht. Dann folgt ein langer Plattenschuss (San Marco) mit angrenzendem Graben und Wasserfall zur linken. Oberhalb dieses Grabens steht Alpe di Foioi/Corte di Fondo 1718m. Und wir sind jetzt auf etwa 1500m. Also mit wenig Wegspuren den Markierungen entlang den folgenden Hang hinauf. Scheu gucken wenige Treppchen aus dem Laub heraus und uralte Weisstannen stehen vereinzelt im dichten Laubwald. Dann geht es uns wie Giuseppe Brenna: „Ma l’emozione più grande ci attende in alto…e da qui si entra nel primo Corte dell’alpe“ (Aber die grössten Emozionen erwarten einem oben….und von da an tritt man in den erste Corte der Alp ein).
Der ehemalige Stall ist alles, was von den drei Corte noch steht. Dafür aber in sehr guter Verfassung. Relativ dichtes Dach und die Lärchenbalken sind allesamt noch gesund. Nach über 150 Jahren!
Kaum haben wir uns eingerichtet und Wasser beim nächsten Bachgraben (etwa 130m NW) geholt, beginnt es zu regnen. Himbeeren suchen, Nachtessen, dann Schlafen im wenigen Stroh. Die halbe Nacht regnet es und das Rauschen der Flüsse ist Besorgnis erregend. Ob wir in eine Falle geraten sind? Sekundenschlaf.
Am Morgen nehmen wir erleichtert zur Kenntnis, dass es schon wieder relativ trocken ist und die Flüsse wieder normal Wasser führen. Wegen dem drohenden Nachmittag-Regen entschliessen wir uns zum Abstieg  auf dem gleichen Weg.
Bald wird uns klar, dass nasse Steinplatten zusätzliche Probleme bringen. Vorsichtig setzen wir bei den heiklen Stellen Fuss vor Fuss.
Wie muss dies Zan Zanini alles gemeistert haben? Oder seine Frau, welche einmal den Vögeln nachgerufen haben soll, dass sie es gut hätten. Mit ihren Schwingen könnten sie jederzeit das Tal verlassen……. 

Tourengänger: Seeger, jimmy
Communities: Ticino Selvaggio


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Kommentare (8)


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MicheleK hat gesagt: gut gemacht
Gesendet am 27. August 2013 um 21:59
Ciao Andreas,

und ich habe vor ein Paar Monaten das Brenna Buch gekauft... durchgelesen - irgendwann bald muss ich auch da hoch...gerade die Ueberschreitungen reizen...

aber gerade dort zu biwakieren... full immersion :) super Sache.

ich wuensche weiterhin gute Touren,
LG.
Michele

Seeger hat gesagt: RE:gut gemacht
Gesendet am 28. August 2013 um 12:13
Ciao Michele
Danke für die Komplimente.
Von wegen Biwak: Alles ist eingeschlafen. Die Arme, die Hände....nur ich nicht :-))
Und trotzdem eine einmalige Nacht!
Gruss
Andreas

Henrik hat gesagt: Sin alli so nätt!
Gesendet am 28. August 2013 um 10:25
Danke, dass du mich in einen Bericht hineinverwebst /inesperbere...

> Fuss vor Fuss

So bekommt man durch deine Erzählungen über Erlendickichte und andere Unbill ein präzises Bild, wie sich das Tessin so wandelt.

Danke und Menu XY in der Versuchsphase?


CS

Enrico

Seeger hat gesagt: RE:Sin alli so nätt!
Gesendet am 28. August 2013 um 12:10
Ciao Henrik
Du warst ja auch tapfer....
Menü XY: Mittagessen Menü 1 mit Nektarinen und Toggenburgerli zum Dessert
Nachtessen: Tomatensuppe / Risotto und Cervelat am Spiess gebraten. Zum Dessert Ragusa-Stengeli und Kaffee mit echter Milch (UHT)
Morgenessen: Morga-Müesli und Pfirsich-Würfeli mit Milch.
Gruss noch vom Tessin
Andreas

lucama hat gesagt: Das Bavona-Fieber...
Gesendet am 29. August 2013 um 10:30
...hat Dich offensichtlich nicht verlassen! Ein glustiger Bericht mit interessanten Detail-Einblicken, geeignet um den Gärprozess für eigene Aktivitäten im Kopf zu beschleunigen... Die Route wäre wohl für Hundebegleitung heikel?

Seeger hat gesagt: RE:Das Bavona-Fieber...
Gesendet am 29. August 2013 um 15:48
Ciao Luco
Wie ich gehört habe, ist Dein Hund alpin-tauglich :-)
Danke für die Komplimente
Gruss vom Appenzellerland
Andreas

Alexanderr hat gesagt: Foioi
Gesendet am 30. August 2013 um 19:29
Lieber Seeger

Spannend und sehr informativ (v.a. auch die Fotos) dein Bericht. Ich mag dein Gespür für die Details, z.B. betreffend Fenstersprossen. Wann schaffe ich es wohl dahin. Mein grosser alter Hundi ist nicht mehr so berggängig. Irgendwann... Und weiterhin gute Tessinerlebnisse wünsche ich dir.

Seeger hat gesagt: RE:Foioi
Gesendet am 30. August 2013 um 23:47
Ciao beka
Und ich kam auf Dein Valsairö.
Spannende Sache und sehr gut beschrieben.
Gratuliere Dir zu Deinem 1. Bericht.
Danke für Deine Komplimente.
Gruss vom Appenzellerland
Andreas


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