Piz Linard (selbstmörderisch)
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Eine Bemerkung vorab: Diese Tour ist so NICHT zur Nachahmung empfohlen. Das liegt nicht an den Zielen, sondern an der Ausrüstung!
Piz Linard mit unpassendster Ausrüstung - oder: Wie einer auszog, das Fürchten zu lernen...
Was passiert, wenn ein frisch in die Schweiz gezogener Süddeutscher von drei Ur-Schweizern gefragt wird, ob er auf eine Männer-Weekend-Bergtour mitmöchte? Genau: Er zieht mit abgelatschten Trekkingschuhen, ohne Stöcke, Steigeisen oder Pickel im eisigen April (fast) auf einen Gipfel, der bis vor einer Weile als Paradebeispiel für eine T6-Tour galt...
Tag 1
Der Reihe nach: Zunächst gings zu sechst mit dem ÖV von Zürich nach Lavin. Meine Schweizer Mitwanderer waren zwar etwas verwundert, dass ich keine Stöcke dabei hatte, haben aber nix gesagt... In den Planungsmails hatte ich dieselben als optional verstanden. Auch hatte ich keine Ahnung, dass es jenseits meiner (sommerbergerprobten) Trekkingstiefel noch eine ganze Palette von echten Bergstiefeln gibt, was ein Schneefeld eigentlich ist, wozu die T-Skala dient und so weiter. Zu meiner Ehrenrettung muss erwähnt werden, dass ich mehrmals rückgefragt hatte, meine Schweizer konnten sich wohl einfach nicht vorstellen, dass jemand so wenig Ahnung vom Bergwandern haben könnte...
Von Lavin aus sind wir bei herrlichem Wetter rauf zur Linardhütte gewandert, wo uns der Hüttenwart mit seinem Hund und einer (deutschen) Kollegin lecker und reichlich bewirtete. Die Hütte kann ich nur empfehlen, wirklich sehr schnucklig und gemütlich. Die Bündner Nusstorte war ein Gedicht, allein dafür würd ich nochmal dort hochwandern! Nachts war's allerdings im Schlafsaal etwas kühl...
Tag 2
Am nächsten Morgen ging's früh (aber nicht zu früh) los in Richtung Piz Linard. Der Hüttenwart hatte zwar gemeint, er würde dafür Steigeisen nehmen, aber meine Schweizer meinten "Das muss auch ohne gehen" und ich hatte keine Ahnung... bei den ersten, noch flachen und weichen Schneefeldern deutlich unterhalb des Einstiegscouloirs wurde mir dann mehr und mehr klar, was mich erwartet.
Wir folgten insgesamt dem Normalweg, soweit erkennbar. Am Einstieg wurden die Rucksäcke deponiert, ein kurzer Rundblick - "Will jemand unten bleiben?" - niemand - dann gings los. Anfangs in Couloirs, mühsam mal rechts vom Schneefeld (keine Griffe und Tritte, da der Fels sehr flach ansteigt), mal links (der Fels hängt über und ermöglicht auch keine guten Griffe, von Tritten ganz zu schweigen, alles bröselt), mal auf dem Schneefeld (überfrorener, recht harter Schnee, in den ich mit meinen weichen Sohlen keine Löcher bekam und ständig auszurutschen drohte). Bei den Querungen musste ich mir mit einem Messer mit Kombizange als Behelfspickel ein wenig psychologische Sicherheit verschaffen. Mehr als das war es nicht, wie mir nach einem Ausrutscher klar wurde... so langsam war mir richtig mulmig zumute.
Weiter oben konnten wir auf einem freien Geröllfeld hochsteigen, dann auf einem aperen, nach rechts überhängenden Grat (grusel), schliesslich nach etwas Kletterei immer zwischen Grat und Schneefeld. Einer der Schweizer musste dabei trotz Himalaja-Erfahrung von zwei anderen und mir Schritt für Schritt eine Kraxelstelle hochgelotst werden. Auch sonst kamen ständig Steine von oben runter, die einer der weniger trittsicheren Herren losgetreten hatte... wenn drei faustgrosse Klunker unkontrolliert auf mich zurollen, wird mir etwas flau, das geb ich zu.
Nach einer waghalsigen Kaminklettereinlage mit eingeklemmtem Felsblock und einer ausgesetzten Traverse um einen Felsturm herum waren wir dann in der Scharte 150hm unter dem Gipfel angelangt. Hier reichte es mir und zweien meiner Mitwanderer, während zwei der Erfahreneren unbedingt noch auf den Gipfel wollten. Der Dritte blieb uns zur seelischen Unterstützung erhalten.
Wir machten uns schonmal auf den Abstieg, der zwar einfacher war als der Aufstieg (wir entdeckten eine alternative Route, die uns den eingeklemmten Felsblock mühelos erspart hätte), aber auch wieder über etliche Schneefelder führte. Während die mir beim Aufstieg nur wacklige Knie beschert hatten, wurden sie jetzt zu einer echten Gefahr. Ohne Pickel und gute Schuhe eine Rutschpartie auf einemSchneeEisfeld abzubremsen ist eine Erfahrung, die ich niemandem wünsche. Dass unsere Gipfelstürmer uns kurz davor begeistert auf ihren Rucksäcken überholt hatten, machte die Erfahrung nicht angenehmer ;) Meine letzte 5m-Rutschpartie, schon fast am unteren Ende des ersten Couloirs, wurde denn auch nicht von mir, sondern einem Haufen scharfkantiger Steine abgebremst, die zum Glück mit meinen Schuhsohlen keinen kurzen Prozess machten...
Dann gabs erstmal Mittagessen. Auch wenn die Rutsch-Erfahrungen nicht schön waren, die Aussicht war trotz zuziehendem Himmel traumhaft und ging weit ins Oberengadin hinein.
Danach gings mehr oder weniger genauso weiter wie bisher, nur dass alle Schweizer bis auf einen sich ein herzhafteres Tempo aussuchten und bald ausser Sicht waren. Ich dagegen stolperte mit einem nicht ganz so fitten Kollegen hinterdrein. Der musste mich auf einem Schneefeld von gletscherhaften Ausmassen hinter der Fuorcla da Glims noch am Schlafittchen packen und hochziehen, damit ich nach einem meiner vielen Ausrutscher nicht irgendwo ganz unten landete... ohne Stöcke ist sowas echt ungesund.
Runter gings ins Tal und hoch zum Vereinapass, nicht ohne vorher im Bach nasse Füsse zu kriegen. Das letzte Schneefeld vor dem Pass war wieder ziemlich steil, zum Glück hatte diesmal einer der Kollegen aufmerksamerweise seine Stöcke für mich stehenlassen... schön wars mit den Trekkingschuhen aber immer noch nicht. Dass es kalt und neblig war, machte die Sache nicht besser.
Oben auf dem Pass angekommen, war dann aber das Schlimmste geschafft. Weiter gings durch herrliche Landschaften, an eisblauen Gletscherseen und kleinen Bächen entlang zum Flesspass, den wir links liegen liessen, und hier an einem unterspülten Schneefeld vorbei hinab ins Süser Tal. Auch der einsetzende und nicht mehr endende Nieselregen konnte hier die Stimmung nicht trüben, die Landschaft war einfach zu schön. Allerdings wollten wir alle auch langsam und Trockene und als wir am unteren Talende nach rechts um die Ecke bogen und das Vereina-Berghaus sahen, hatten die Beine auf einmal wieder etwas Energie ;)
Das Berghaus ist eher ein Hotel, sogar mit warmen (Gratis-)Duschen! Man kann sich sogar per Bus hochfahren lassen (wie absurd)... Wir genossen den warmen Luxus und die Bündner Nusstorte in vollen Zügen.
Tag 3
Am dritten Tag wanderten wir nach halbdemokratischer Abstimmung (drei dafür, drei dagegen) nicht über die Jöriseen zur Winterlücke, sondern immer dem Vereinabach entlang hinunter nach Klosters, wo wir knapp den Zug nach Zürich noch erwischten :) Eigentlich hätte das der sanfte Abschluss sein sollen, für die Knie allerdings war es glatter Mord...
Fazit:
Wer unerfahren auf eine Bergtour mitgeht, muss mit seinem plötzlichen Ableben auf Schneefeldern rechnen? Naja, nicht ganz, aber lebensgefährlich war es allemal an verschiedenen Stellen... Der Piz Linard ist kürzlich auf T5 zurückgestuft worden, unsere Bedingungen waren aber mehr als nur suboptimal, so dass ich mir erlaubt habe, die Tour mit T6 zu bewerten. Die übrigen Strecken vom und zum Linard waren T4-T5, der Zustieg am ersten Tag und der Abstieg am dritten Tag waren T3.
Piz Linard mit unpassendster Ausrüstung - oder: Wie einer auszog, das Fürchten zu lernen...
Was passiert, wenn ein frisch in die Schweiz gezogener Süddeutscher von drei Ur-Schweizern gefragt wird, ob er auf eine Männer-Weekend-Bergtour mitmöchte? Genau: Er zieht mit abgelatschten Trekkingschuhen, ohne Stöcke, Steigeisen oder Pickel im eisigen April (fast) auf einen Gipfel, der bis vor einer Weile als Paradebeispiel für eine T6-Tour galt...
Tag 1
Der Reihe nach: Zunächst gings zu sechst mit dem ÖV von Zürich nach Lavin. Meine Schweizer Mitwanderer waren zwar etwas verwundert, dass ich keine Stöcke dabei hatte, haben aber nix gesagt... In den Planungsmails hatte ich dieselben als optional verstanden. Auch hatte ich keine Ahnung, dass es jenseits meiner (sommerbergerprobten) Trekkingstiefel noch eine ganze Palette von echten Bergstiefeln gibt, was ein Schneefeld eigentlich ist, wozu die T-Skala dient und so weiter. Zu meiner Ehrenrettung muss erwähnt werden, dass ich mehrmals rückgefragt hatte, meine Schweizer konnten sich wohl einfach nicht vorstellen, dass jemand so wenig Ahnung vom Bergwandern haben könnte...
Von Lavin aus sind wir bei herrlichem Wetter rauf zur Linardhütte gewandert, wo uns der Hüttenwart mit seinem Hund und einer (deutschen) Kollegin lecker und reichlich bewirtete. Die Hütte kann ich nur empfehlen, wirklich sehr schnucklig und gemütlich. Die Bündner Nusstorte war ein Gedicht, allein dafür würd ich nochmal dort hochwandern! Nachts war's allerdings im Schlafsaal etwas kühl...
Tag 2
Am nächsten Morgen ging's früh (aber nicht zu früh) los in Richtung Piz Linard. Der Hüttenwart hatte zwar gemeint, er würde dafür Steigeisen nehmen, aber meine Schweizer meinten "Das muss auch ohne gehen" und ich hatte keine Ahnung... bei den ersten, noch flachen und weichen Schneefeldern deutlich unterhalb des Einstiegscouloirs wurde mir dann mehr und mehr klar, was mich erwartet.
Wir folgten insgesamt dem Normalweg, soweit erkennbar. Am Einstieg wurden die Rucksäcke deponiert, ein kurzer Rundblick - "Will jemand unten bleiben?" - niemand - dann gings los. Anfangs in Couloirs, mühsam mal rechts vom Schneefeld (keine Griffe und Tritte, da der Fels sehr flach ansteigt), mal links (der Fels hängt über und ermöglicht auch keine guten Griffe, von Tritten ganz zu schweigen, alles bröselt), mal auf dem Schneefeld (überfrorener, recht harter Schnee, in den ich mit meinen weichen Sohlen keine Löcher bekam und ständig auszurutschen drohte). Bei den Querungen musste ich mir mit einem Messer mit Kombizange als Behelfspickel ein wenig psychologische Sicherheit verschaffen. Mehr als das war es nicht, wie mir nach einem Ausrutscher klar wurde... so langsam war mir richtig mulmig zumute.
Weiter oben konnten wir auf einem freien Geröllfeld hochsteigen, dann auf einem aperen, nach rechts überhängenden Grat (grusel), schliesslich nach etwas Kletterei immer zwischen Grat und Schneefeld. Einer der Schweizer musste dabei trotz Himalaja-Erfahrung von zwei anderen und mir Schritt für Schritt eine Kraxelstelle hochgelotst werden. Auch sonst kamen ständig Steine von oben runter, die einer der weniger trittsicheren Herren losgetreten hatte... wenn drei faustgrosse Klunker unkontrolliert auf mich zurollen, wird mir etwas flau, das geb ich zu.
Nach einer waghalsigen Kaminklettereinlage mit eingeklemmtem Felsblock und einer ausgesetzten Traverse um einen Felsturm herum waren wir dann in der Scharte 150hm unter dem Gipfel angelangt. Hier reichte es mir und zweien meiner Mitwanderer, während zwei der Erfahreneren unbedingt noch auf den Gipfel wollten. Der Dritte blieb uns zur seelischen Unterstützung erhalten.
Wir machten uns schonmal auf den Abstieg, der zwar einfacher war als der Aufstieg (wir entdeckten eine alternative Route, die uns den eingeklemmten Felsblock mühelos erspart hätte), aber auch wieder über etliche Schneefelder führte. Während die mir beim Aufstieg nur wacklige Knie beschert hatten, wurden sie jetzt zu einer echten Gefahr. Ohne Pickel und gute Schuhe eine Rutschpartie auf einem
Dann gabs erstmal Mittagessen. Auch wenn die Rutsch-Erfahrungen nicht schön waren, die Aussicht war trotz zuziehendem Himmel traumhaft und ging weit ins Oberengadin hinein.
Danach gings mehr oder weniger genauso weiter wie bisher, nur dass alle Schweizer bis auf einen sich ein herzhafteres Tempo aussuchten und bald ausser Sicht waren. Ich dagegen stolperte mit einem nicht ganz so fitten Kollegen hinterdrein. Der musste mich auf einem Schneefeld von gletscherhaften Ausmassen hinter der Fuorcla da Glims noch am Schlafittchen packen und hochziehen, damit ich nach einem meiner vielen Ausrutscher nicht irgendwo ganz unten landete... ohne Stöcke ist sowas echt ungesund.
Runter gings ins Tal und hoch zum Vereinapass, nicht ohne vorher im Bach nasse Füsse zu kriegen. Das letzte Schneefeld vor dem Pass war wieder ziemlich steil, zum Glück hatte diesmal einer der Kollegen aufmerksamerweise seine Stöcke für mich stehenlassen... schön wars mit den Trekkingschuhen aber immer noch nicht. Dass es kalt und neblig war, machte die Sache nicht besser.
Oben auf dem Pass angekommen, war dann aber das Schlimmste geschafft. Weiter gings durch herrliche Landschaften, an eisblauen Gletscherseen und kleinen Bächen entlang zum Flesspass, den wir links liegen liessen, und hier an einem unterspülten Schneefeld vorbei hinab ins Süser Tal. Auch der einsetzende und nicht mehr endende Nieselregen konnte hier die Stimmung nicht trüben, die Landschaft war einfach zu schön. Allerdings wollten wir alle auch langsam und Trockene und als wir am unteren Talende nach rechts um die Ecke bogen und das Vereina-Berghaus sahen, hatten die Beine auf einmal wieder etwas Energie ;)
Das Berghaus ist eher ein Hotel, sogar mit warmen (Gratis-)Duschen! Man kann sich sogar per Bus hochfahren lassen (wie absurd)... Wir genossen den warmen Luxus und die Bündner Nusstorte in vollen Zügen.
Tag 3
Am dritten Tag wanderten wir nach halbdemokratischer Abstimmung (drei dafür, drei dagegen) nicht über die Jöriseen zur Winterlücke, sondern immer dem Vereinabach entlang hinunter nach Klosters, wo wir knapp den Zug nach Zürich noch erwischten :) Eigentlich hätte das der sanfte Abschluss sein sollen, für die Knie allerdings war es glatter Mord...
Fazit:
Wer unerfahren auf eine Bergtour mitgeht, muss mit seinem plötzlichen Ableben auf Schneefeldern rechnen? Naja, nicht ganz, aber lebensgefährlich war es allemal an verschiedenen Stellen... Der Piz Linard ist kürzlich auf T5 zurückgestuft worden, unsere Bedingungen waren aber mehr als nur suboptimal, so dass ich mir erlaubt habe, die Tour mit T6 zu bewerten. Die übrigen Strecken vom und zum Linard waren T4-T5, der Zustieg am ersten Tag und der Abstieg am dritten Tag waren T3.
Tourengänger:
1Gehirner

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