Immer wieder werde ich von schwedischen Fjällwanderern gefragt, ob ich das erste Mal da oben sei, wie es mir gefalle. Meine Antwort erstaunt sie dann: Sju gånger i winter, tio gånger under sommaren och höst. 17 gånger also insgesamt. Schon mehrmals wollte man mich zum schwedischen Ehrenbürger ernennen....
Diapensia und ich lieben diese urtümliche Landschaft! Und in einem gewissen Alter stemmt man sich dagegen, es sei nun das letzte Mal gewesen. Ich habe es dem Stugvärd Per mal gesagt: so lange mich die Füsse tragen, komme ich in Teusajaure vorbei. Ich hoffe sehr, dass sie mich auch nächstes Jahr wieder tragen.....
In zwei Punkten war die diesjährige Tour ein Novum: wir wanderten bewusst von Süden nach Norden. Wir hatten die Sonne im Rücken. Dies ist ideal fürs Fotografieren, und ein probates Mittel gegen Sonnenbrand. Und dann steckten wir einen Tag lang im Pulk des Fjällräven Classic. Sicher auch ein Erlebnis, aber eindeutig nicht mein Ding. Ich will primär die Landschaft erleben und nicht persönliche Bestleistungen erbringen.
Die Reise
Wie immer näherten wir uns unserem Wanderziel behutsam an:
- mit dem Zug von Bern nach Kiel
- mit der Stena Scandinavica von Kiel nach Göteborg, natürlich skandinavisches Buffet inbegriffen
- mit dem Nachtzug von Göteborg nach Gällivare
- mit dem Bus von Gällivare nach Vakkotavare
1. Wandertag: von Vakkotavare nach Teusajaure, 16 km, 500 m Aufstieg, 400 m Abstieg
Im März schwangen wir mit den Skiern die steilen Hänge hinunter, jetzt müssen da die schweren Rucksäcke hinaufgebuckelt werden. Zum Glück sind wir anfänglich im Schatten bei kühlen 3°. Oben auf dem Kahlfjäll angelangt haben sich die letzten Nebelschwaden aufgelöst, nach der verregneten Reise beginnt ein strahlender Sommertag. Jenseits des Akkajaure kommen die Gipfel des Sarek zum Vorschein. So schön haben wir sie noch nie gesehen. Der Sarek ist die letzte Wildnis Europas, das Traumziel jedes Fjällwanderers. Unterkünfte und markierte Wege hat es keine. Mit dem Zelt und Lebensmittel für zwei Wochen muss man da einige Kilos mitschleppen.....
Nach dem langen Aufstieg auf ca. 950 m folgt der Abstieg hinunter zu einer Brücke, durch Birkenwald erreichen wir den Teusajaure. Wir haben nun die Wahl, mit einem der Ruderboote des STF über den See zu rudern oder den Stugvärd (Hüttenwart) von Teusajaure mit dem Motorboot anzufordern. Zu diesem Zweck muss an einer Fahnenstange ein weisser Plastikkessel hochgezogen werden. Ich komme gar nicht dazu, denn auf der andern Seite braust schon das Motorboot los.
Natürlich war das ein Zufall. Stugvärd Per begrüsst uns herzlich. Wir haben einiges gemeinsam: den Jahrgang und den Wunsch, dass wir uns noch oft im Fjäll wiedersehen. Drüben angekommen umarmt uns dann auch seine Frau Gunnel.
2. Wandertag: von Teusajaure nach Kaitumjaure, 9 km, 350 m Aufstieg, 250 m Abstieg
Auch der zweite Wandertag beginnt mit einem steilen Anstieg hinauf aufs Kahlfjäll. Im Unterschied zum Vortag wird es jedoch rasch brütend heiss. Die lange Hochebene von Muorki erfordert beim Gehen viel Aufmerksamkeit. Der Weg ist sehr steinig. Bald erblicken wir die Gipfel Urtticokka und Sanjarcohkka. Erinnerungen an gemeinsame Besteigungen kommen auf.
Der Abstieg führt dann dem Fluss Kaitumjåkka entlang. Die Ufer der kleinen Moränenseen zieren Schmalblättrige Wollgräser (Eriophorum angustifolium). Auch das Karlszepter ist zu sehen (Pedicularis sceptrum-carolinum). Obligates Fotosujet sind dann natürlich die Stromschnellen des Kaitumjåkka. Nach einem kalten und verregneten Sommer liegt noch viel Schnee. Der Fluss führt viel Schmelzwasser.
Nach der Brücke beginnt der kurze Anstieg zu den Hütten von Kaitumjaure STF. Hier können wir in der Butik frischen Proviant einkaufen und geniessen zum middag (Abendessen) die berühmten Kjöttbullar med potatismos. Bei einem kurzen Abendspaziergang geniessen wir den Blick auf den Kaitumjaure.
Eine Bemerkung zum Marschtempo: auf den steinigen Wegen mit ständigen Auf- und Abstiegen legt man in gemütlichem Tempo im Schnitt pro Stunde ca. 2,5 km zurück.
3. Wandertag: von Kaitumjaure nach Singi, 12 km, 150 m Aufstieg
Diese Strecke liebe ich ganz besonders, führt sie doch neben meinem Ferienhaus vorbei. In gleichmässigem Aufstieg geht es der Schlucht des Tjäktjajåkka entlang zur Hängebrücke. Von der Anhöhe nach der Brücke hat man eine eindrückliche Sicht auf die Flusslandschaft. Unten in der Ebene ist mein Traumhaus zu sehen, eine förfallen kåta (verfallene Samenkata). Wir langen bald dort an. Dann das obligate Foto:
laponia41 am Eingang seiner Behausung. Man sieht: wir sind beide älter geworden, förfallen bin ich aber noch nicht.
Dann kommt eine für die Moral nicht förderliche Stelle: man sieht in der Ferne die Hütten von Singi. Weil der Weg immer wieder in Senken abtaucht und Gegensteigungen folgen, wollen die Hütten einfach nicht näher kommen.
Irgendwann kommt man dann doch an - und wir stellen fest, dass wir heute hier nicht allein sind. In Singi befindet sich ein Check Point des Fjällräven Classic. Unzählige Wanderer mit roten Tüchern am Rucksack kommen aus Richtung Kebnekaise Fjällstation, rasten in Singi, schlagen ihre Zelte auf. Mehr als 2000 TeilnehmerInnen waren unterwegs, mehr oder weniger schnell. In den Hütten übernachten durften sie zwar nicht. Die Infrastruktur (Butik, WC, Sauna, Wasserstellen; Waschstellen) wurde aber recht strapaziert. Viel Mehrarbeit und wenig Ertrag für die Hüttenwarte!
4. Wandertag: von Singi nach Sälka, 12 km, 100 m Aufstieg
Wir lassen uns von der Hektik des Fjällräven Classic nicht anstecken, nehmen es gemütlich, geniessen wiederum einen schönen Sommertag, sind überrascht von der Reichhaltigkeit der Flora am Wegrand. Andere Jahre war im August fast alles verblüht. Wegen dem kalten Sommer ist ein Rückstand von zwei bis drei Wochen auszumachen. Die Kehrseite der Medaille: die Preiselbeeren zum Beispiel blühen erst jetzt. Die Beeren werden es nicht zur Reife bringen. Eine weitere Beobachtung: letztes Jahr war das Fjäll voller Lemminge. Dieses Jahr sehen wir die drolligen Nager überhaupt nicht. Auch die Rentiere lassen sich nicht blicken. An heissen Sommertagen zieht es sie hinauf auf die Schneefelder.
Unterwegs blicken wir immer wieder in die östlichen Seitentäler. Und tatsächlich: hinten im Guobirvaggi sind die Gletscher und Firnfelder des Kebnekaisemassivs zu erkennen. Ich bin nicht ganz sicher, ob auch der Sydtoppen zum Vorschein kam. Jedenfalls schwelgte ich in Erinnerungen an die Winterbesteigungen von 2006 und 2007. In den östlichen Seitentälern kommt dann auch der Sälkatoppen zum Vorschein.
Verirren können wir uns heute wirklich nicht. Wir folgen einfach den roten Tüchern. Die meisten Läufer nehmen es auch gemütlich, rasten ausgiebig. In Sälka weist uns der Stugvärd die ältere Hütte zu. Wir schlafen dort ganz allein. Offensichtlich meiden die gewöhnlichen Fjällwanderer den Kungsleden in den Tagen des Fjällräven Classic. Kein Wunder: die Fjällstationen Kebnekaise und Abisko Turist sind zu dieser Zeit ausgebucht.
Im Verlaufe des Abends entsteht rund um Sälka eine veritable Zeltstadt. Die Sauna und die Butik haben Hochkonjunktur. Wir kommen mit einigen Läufern ins Gespräch. Es sind ausnahmslos sehr nette Leute. Einige haben sich ganz offensichtlich überschätzt. Sie wussten nicht, dass es am Kungsleden soviele Steine und Steigungen hat....
Bericht in drei Teilen
- Kungsleden nordwärts - von Vakkotavare nach Sälka
- Kungsleden nordwärts - von Sälka nach Alesjaure
- Kungsleden nordwärts - von Alesjaure nach Abisko Turist
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