Mont Blanc, 4810m
|
||||||||||||||||||||||||||||||
![]() |
![]() |
Ich weiss gar nicht, wo ich mit meinem Bericht anfangen soll, noch bin ich ziemlich aufgewühlt von den Ereignissen der letzten Tage ... Wie wenn nichts geschehen wäre, sitze ich in der überfüllten S-Bahn (ja, ausnahmsweise kein Stehplatz …) und schaue in die griesgrämigen Gesichter auf der Fahrt zur Arbeit. Am liebsten würde ich laut hinausposaunen „hey Leute, ich war vorgestern auf dem Mont Blanc“!
Nun, da ich ja nicht wirklich auf Selbstbeweihräucherung stehe; liess ich es dann bleiben ;-). Also, ich mache mal einen Versuch und starte ganz von vorne.
Sonntag, 19.8., Prolog
Heute begann das Abenteuer also von vorne, 2. Anlauf für den Mont Blanc, da wir letztes Jahr auf zweifelhafte Verhältnisse gestossen und deshalb umgekehrt sind. Wir, das sind mein Geschäftskollege Markus & ich. Zusammen haben wir einen Bergführer organisiert, welcher mir von
Baldy und Conny empfohlen wurde (Danke nochmals an dieser Stelle; es war ein guter Tipp!).
Ich fuhr also an diesem Sonntag-Nachmittag mit dem Zug via Zürich und Visp nach Martigny. Und es begann gut: da heute das ganze „Gampel-Publikum“ transportiert werden musste, wurde sämtliches Wagenmaterial der SBB mobilisiert. Dies wiederum hiess, dass der vorderste 1.-Kl.-Wagen heute ausnahmsweise auch von 2.Kl.-Fahrern benutzt werden durfte – was ich gerne annahm! Nur wenige Fahrgäste bemerkten diesen geschenkten Luxus, sodass ich beinahe alleine im 1.-Kl.-Wagen von Zürich nach Visp fuhr ;-))
In Martigny traf ich unseren Bergführer, zusammen fuhren wir über den Col de la Forclaz nach Chamonix. Markus trafen wir dann direkt in Les Houches, da er bereits am Vortag angereist war. Der Parkplatz an der Seilbahnstation war bereits überfüllt; wir fanden dann in der Nähe trotzdem noch einen Platz.
Die Seilbahn brachte uns zur Bergstation Bellevue, mit der Zahnradbahn ging’s dann weiter. Allerdings nur bis zur Station Mont Lachat (2077m), da derzeit Unterhaltsarbeiten stattfinden und somit nicht bis zur Endstation Nid d’Aigle (2372m) gefahren werden konnte wie sonst üblich.
Hüttenzustieg (T4)
Aufgrund der erwähnten Unterhaltsarbeiten müssen die Alpinisten derzeit einen anderen Weg zur Tête Rousse-Hütte in Kauf nehmen. Dieser nennt sich „chemin des Rognes“ und ist sehr spannend angelegt. Zu Beginn als normaler T2-Wanderweg, bald jedoch schon über grobe Blöcke; viel Geröll und entspr. weglos.
Dann steht man vor einer grossen Wand und fragt sich, ob der Weg wirklich hier hinaufführen soll. Er tut es! Meistens wieder auf schmalem Pfad, einige rutschige und ausgesetzte Passagen (mit Ketten versichert); auch eine Leiter ist enthalten.
Bei diesem kurzweiligen Weg vergisst man sogar die Steilheit; bald ist der Pass erreicht, Col des Rognes (2685m). Hier genossen wir eine ausgiebige Rast mit herrlichem Blick auf das ganze Tal; dominant natürlich Chamonix. Dies ist auch der Ort, wo man in den „normalen“ Hüttenzustieg einbiegt.
Ab hier steigt der Pfad nochmals gehörig an. Wir überholen mal für mal Tourengänger, welche mit 25 – 35kg-Rucksäcken unterwegs sind und beinahe zusammenbrechen unter ihren Lasten. Für mich nicht ganz nachvollziehbar. Ok, wenn man mit dem letzten Geld hierherkommt und zwangsläufig campieren muss, benötigt man etwas mehr Utensilien. Wenn ich jedoch diese unheimlich riesigen Rucksäcke sehe, frage ich mich, ob die nicht ihren ganzen Hausrat dabeihaben …
Jedenfalls erreichten wir nach 17 Uhr die Tête Rousse-Hütte. Unterwegs sahen und v.a. hörten wir immer wieder diese unheimlichen Geräusche von Steinlawinen, welche das berühmt-berüchtigte Couloir hinunterdonnerten …
In der Hütte erhielten wir sofort die Matratzen zugewiesen (alle nummeriert!). Danach begannen wir mit dem Auffüllen unserer Flüssigkeits-Speicher …
Das Publikum in der Hütte war (nicht ganz überraschend) international. Was hingegen verwunderte war die Tatsache, dass kaum Schweizer oder Deutsche anzutreffen waren. Die Mehrheit stammte aus östlichen Staaten wie Polen oder Tschechien, v.a. hörte man jedoch auch sehr viele Spanier und Engländer.
Das gute Nachtessen schmeckte uns; das Glas Rotwein ebenfalls. Um 21 Uhr war Bett-Zeit, die Nacht sehr kurz …
Montag, 20.8. (Gipfeltag)
Es muss in den vergangenen Stunden ein kleines Gewitter gegeben haben, welches ich allerdings nicht mitbekam – ein Zeichen, dass ich wenigstens ein bisschen geschlafen hatte. 0.45 Uhr aufstehen, 01.00 Uhr Frühstück, 01.30 Uhr Abmarsch – alles noch etwas früher als sonst üblich … Ist das jetzt Frühstück oder Mitternachts-Snack? Egal, wir nahmen einfach etwas zu uns; unser Bergführer hatte mit dem Hüttenwart eine frühere Zeit ausgehandelt, um nicht dem Steinschlag anderer Leute ausgesetzt zu sein. Welch‘ Ironie des Schicksals, wie sich bald herausstellen sollte …
Da Germi den Einstieg am Vorabend nochmals inspiziert hatte, fand er jetzt in der Dunkelheit problemlos den Einstieg zum Couloir hinauf. Jemand anders (Italiener od. Spanier) irrte ebenfalls um diese Zeit umher, schloss sich dann uns an als er bemerkte, dass wir zielstrebig aufstiegen …
Dann also dieses hässliche Steinschlag-Couloir. Es war gerade mal ruhig, also preschten wir durch diese Rinne. Uff, gut gegangen – es kam nichts runter (wir hätten auch nichts gesehen, allenfalls gehört). „Helm ab! – es ist viel zu warm!“ So unser Bergführer. Also verstauten wir wiederum alles im Rucksack.
Wir wähnten uns in Sicherheit – falsch! Gerade wollten wir weiter, als sich ein grösserer Steinschlag ankündigte. Wie erwähnt, konnten wir zwar nichts sehen (02.00 Uhr); was wir jedoch hörten, liess nichts Gutes erahnen. Wir duckten uns hinter (vermeintlich) schützenden Felsen und harrten der Dinge, die da runterkamen.
Plötzlich pfiffen uns links und rechts die Steine um die Ohren! Dann peng! – einer hat mich am Kopf erwischt! Ein zweiter an der Hand, die schützend den Kopf hielt. Auch der Bergführer bekam einen Stein ab; Schmerzen in der Hüfte … S….! War’s das? Tour zu Ende? Wo sind Markus und der Fremde? Sind sie auch verletzt? Vor lauter Steine-Grollen verstand man sein eigenes Wort nicht mehr.
Dann wurde es endlich ruhig; unheimlich ruhig.
Schadensmeldungen: Markus meldete sich; nix passiert – auch beim Fremden nicht. Ich griff mir an den Kopf; alles voll Blut … Also doch … - meine Gedanken überschlugen sich: Absteigen in der Dunkelheit, Notarzt, ein kleiner Kieselstein hat die Tour zunichte gemacht, der Helm (im Rucksack) hätte diesen Stein abgewehrt …
Nachdem der Adrenalin-Schub vorüber war, versuchte ich klaren Kopf zu kriegen: keine alarmierende Zeichen wie Kopfweh, Schwindel oder Übelkeit. Die Wunde trocknete schnell. Dies veranlasste uns, trotz allem weiterzugehen. Meine einzige Sorge war jetzt noch, wie sich die Dinge entwickeln würden: bestand das Risiko, bei zunehmender Höhe und Puls, dass etwas platzen könnte?
Irgendwie mechanisch kletterten wir immer höher; die Wegfindung im Dunkeln war schwierig. Die oft weglose und Klettersteig-ähnliche Passage zwischen den Hütten würde ich als T5 einstufen. Nach exakt 2 Std. (inkl. Zwischenfall) erreichten wir schliesslich um 3.30 Uhr die Goûter-Hütte.
Alles im Tiefschlaf; die Gipfel-Aspiranten hatten sich längst aufgemacht und das Hüttenpersonal wieder schlafen gelegt. Germi verarztete mich; ich sah wohl ziemlich ulkig aus mit dem „Grossmutter-Kartoffel-Verband“ … ;-)
Nachdem wir aus der Hütte geworfen wurden (die sehr impulsive Dame des Hüttenpersonals im Schlafanzug gab uns zu verstehen, dass der Aufenthaltsraum der Hütte um diese Zeit nicht betreten werden darf), machten wir uns wieder auf.
Steigeisen an, jetzt ging’s endgültig auf den Gletscher. Nach wie vor im Schein der Stirnlampen stiegen wir gemächlich zum Dôme du Goûter auf. Es war gut, dass wir nicht sahen, wo man durchlaufen muss ;-) Die Strecke war teilweise eintönig, zwischendurch auch mal wieder steiler. Nach dem Dôme du Goûter fällt das Terrain etwas ab – abwärts ist mal eine Abwechslung! Germi mahnte uns zur Erholung während dieser Phase. Schwierig – aber wir versuchten es …
Nach der Erholungs-Phase also nochmals ein kurzer, steiler Anstieg, dann gelangten wir zum Vallot-Biwak (4262m). Obwohl es uns beiden gut ging, bestand der Bergführer hier auf einer „Zwangspause“. Und natürlich hatte er auch hier Recht; es war die wichtigste Pause – nochmals Energie tanken für den happigen Schluss-Aufstieg.
Trotz aller Anstrengungen und notwendigen Verschnauf-Pausen; der Rest war Genuss pur! Die ersten Sonnenstrahlen, der Mont Blanc im Morgenrot, die Aguille du Midi leuchtete – phantastische Lichtspiele! Diese Landschaft; einfach grandios!
Ok, bei den 2 Steil-Stufen gegen Schluss fluchte ich etwas innerlich … - aber das Ziel war jetzt absehbar. Obwohl, dieser Bosses-Grat zog sich dahin … Zum Glück war’s windstill; eher selten hier. So nebenbei überstiegen wir noch den höchsten Punkt Italiens (P.4760); allerdings ist dieser weder markiert noch sonst wie ersichtlich (eigentlich ein Witz, dass diese Stelle der höchste Punkt Italiens sein soll ...).
Unser Augenmerk galt jetzt jedoch dem schönen Gipfelgrat. Germi überliess mir auf den letzten Metern die Führung, dann (um 08.08 Uhr) standen wir oben: Mont Blanc, 4810m – wir haben’s geschafft !!! Ich konnte es kaum glauben, aber wir standen tatsächlich auf dem Dach der Alpen … wow …! Wer hätte das morgens um 2 Uhr noch gedacht …
Welch' erhabenes Gefühl ... und die Aussicht (trotz Dunst) gewaltig: Monte Rosa, Matterhorn, Bernina-Massiv, etc. Wir genossen das Gipfelgefühl für ca. 30 Min. Erstaunlich wenig Leute auf dem Gipfel, denn am Berg mühen sich doch einige ab. Aber viele müssen wohl auch aus unterschiedlichen Gründen wieder umkehren.
Nach unserer ausgiebigen Rast, welche mit Staunen, Fotos und Verpflegungs-Aufnahme gefüllt war, machten wir uns wieder an den Abstieg. Dieser war jetzt ein Genuss; wir genossen die einzigartige Landschaft. Während den ersten 30 Min. des Abstiegs übermannten mich immer wieder die Emotionen. Das Gefühl, den Gipfel geschafft zu haben, das Erlebnis mit anderen zu teilen - unbeschreiblich ...
Für uns war's jetzt im Abstieg natürlich auch leichter, während uns die keuchenden, weiteren Gipfelaspiranten entgegenkamen. Beim Kreuzen einer spanischen Seilschaft (Valencia!) musste unser Bergführer jedoch kurz anhalten; ihm sträubten sich die Nackenhaare als er sah, wie der spanische Seilführer das Seil um den Hals trug: ein kurzer Zug am Seil, und der Spanier japste nach Luft ... Also gab's für ihn noch eine kleine Seilverkürzungs-Demo, wofür sich der Spanier bedankte.
Nach ca. 1 Std. war das Vallotbiwak wieder erreicht und es wurde merklich wärmer. Wir entledigten uns also einer Schicht und stapften weiter. Die Spur war jetzt zwar ein bisschen aufgeweicht, es war jedoch nicht der befürchtete Sumpf. Und neben der Spur war der Schnee (bzw. Eis) noch immer schön hart, sodass die Zacken der Steigeisen so richtig greifen konnten.
Um ca. 10.40 Uhr gelangten wir wieder zur alten Goûter-Hütte (die Neue sieht toll aus!), wo die Steigeisen versorgt werden konnten und wir uns mit einer Cola stärkten. Dann hiess es Helm auf (!!), um den felsigen Abstieg zur Tête Rousse-Hütte zu meistern. In gutem Tempo und ohne jegliche Probleme erreichten wir das Couloir. Hier kamen sofort wieder schlechte Erinnerungen auf. Aber jetzt sahen wir zumindest auch, wenn sich im obersten Bereich etwas Staub bilden würde. Es ging jedoch alles gut; es blieb ruhig ...
(unverständlich für mich an dieser Stelle, dass einige mit Fotoapparaten im Gefahrenbereich standen, um Steinlawinen zu fotografieren ...).
In der Tête Rousse-Hütte stärkten wir uns nochmals. Die Hüttenwartin hatte Erbarmen, als sie meinen Kopf sah ... Sie reinigte und desinfizierte die Wunde; verband sie neu ("wer hat denn dieser Verband gemacht ...?"). Jedenfalls sehr nette Leute; danke nochmals an dieser Stelle!
Dann packten wir unsere Rucksäcke und nahmen den restlichen Abstieg unter die Füsse. Irgendwann sah man zwar die Bahnstation Mont Lachat von weitem. Diese schien jedoch einfach nicht näher zu kommen. Das letzte Drittel des Hüttenabstieges zog sich jedenfalls unglaublich in die Länge.
Um ca. 16.15 Uhr war's dann schliesslich geschafft; die Bahnstation Mont Lachat erreicht. An diese Stelle war's uns egal, dass der nächste Zug erst in 1 Std. (17.10 Uhr) fuhr ...
Zurück mit der Bahn in Chamonix fuhren Markus & ich wieder über den Col de la Forclaz nach Martigny. Da es mittlerweile schon spät war und die lange Autofahrt nach diesem Tag nicht vertretbar war, beschlossen wir in Martigny zu übernachten. Den warmen Abend liessen wir bei einem feinen Nachtessen ausklingen und stiessen nochmals auf unseren Gipfelerfolg an.
Ein genialer, unvergesslicher Tag ging zu Ende ...
Fazit
Dass ich innerhalb weniger Tage 3 Träume (Liskamm, Dufour & Mont Blanc) erfüllen durfte, ist mehr als Entschädigung für all‘ die Touren, welche dieses Jahr infolge Schlechtwetter abgesagt werden mussten; dafür bin ich dankbar und glücklich!
War der Stein, welcher mich traf, ein „Wink von oben“? Schicksal? Jedenfalls Glück, dass nicht mehr passiert ist! Obwohl ich mich in der Form des Lebens fühle, nehme ich den Wink an und beende vorzeitig meine Hochtouren-Saison für dieses Jahr; werde diesbezüglich lediglich noch die fix gebuchte Tour anfang September realisieren.
(eigentlich sollte ich jetzt Lotto spielen, denn das mich ein Stein traf, grenzt an ein Lotto-Sechser – zumindest wenn man dem Hüttenwart Glauben schenken darf …).
Ach ja, die Wunde liess ich natürlich von meinem Hausarzt noch untersuchen: zum Glück nichts Ernstes, wie von mir erhofft. Die Platzwunde sollte wieder schön zusammenwachsen ...
Schlussbemerkungen
Zeiten:
Nun, da ich ja nicht wirklich auf Selbstbeweihräucherung stehe; liess ich es dann bleiben ;-). Also, ich mache mal einen Versuch und starte ganz von vorne.
Sonntag, 19.8., Prolog
Heute begann das Abenteuer also von vorne, 2. Anlauf für den Mont Blanc, da wir letztes Jahr auf zweifelhafte Verhältnisse gestossen und deshalb umgekehrt sind. Wir, das sind mein Geschäftskollege Markus & ich. Zusammen haben wir einen Bergführer organisiert, welcher mir von

Ich fuhr also an diesem Sonntag-Nachmittag mit dem Zug via Zürich und Visp nach Martigny. Und es begann gut: da heute das ganze „Gampel-Publikum“ transportiert werden musste, wurde sämtliches Wagenmaterial der SBB mobilisiert. Dies wiederum hiess, dass der vorderste 1.-Kl.-Wagen heute ausnahmsweise auch von 2.Kl.-Fahrern benutzt werden durfte – was ich gerne annahm! Nur wenige Fahrgäste bemerkten diesen geschenkten Luxus, sodass ich beinahe alleine im 1.-Kl.-Wagen von Zürich nach Visp fuhr ;-))
In Martigny traf ich unseren Bergführer, zusammen fuhren wir über den Col de la Forclaz nach Chamonix. Markus trafen wir dann direkt in Les Houches, da er bereits am Vortag angereist war. Der Parkplatz an der Seilbahnstation war bereits überfüllt; wir fanden dann in der Nähe trotzdem noch einen Platz.
Die Seilbahn brachte uns zur Bergstation Bellevue, mit der Zahnradbahn ging’s dann weiter. Allerdings nur bis zur Station Mont Lachat (2077m), da derzeit Unterhaltsarbeiten stattfinden und somit nicht bis zur Endstation Nid d’Aigle (2372m) gefahren werden konnte wie sonst üblich.
Hüttenzustieg (T4)
Aufgrund der erwähnten Unterhaltsarbeiten müssen die Alpinisten derzeit einen anderen Weg zur Tête Rousse-Hütte in Kauf nehmen. Dieser nennt sich „chemin des Rognes“ und ist sehr spannend angelegt. Zu Beginn als normaler T2-Wanderweg, bald jedoch schon über grobe Blöcke; viel Geröll und entspr. weglos.
Dann steht man vor einer grossen Wand und fragt sich, ob der Weg wirklich hier hinaufführen soll. Er tut es! Meistens wieder auf schmalem Pfad, einige rutschige und ausgesetzte Passagen (mit Ketten versichert); auch eine Leiter ist enthalten.
Bei diesem kurzweiligen Weg vergisst man sogar die Steilheit; bald ist der Pass erreicht, Col des Rognes (2685m). Hier genossen wir eine ausgiebige Rast mit herrlichem Blick auf das ganze Tal; dominant natürlich Chamonix. Dies ist auch der Ort, wo man in den „normalen“ Hüttenzustieg einbiegt.
Ab hier steigt der Pfad nochmals gehörig an. Wir überholen mal für mal Tourengänger, welche mit 25 – 35kg-Rucksäcken unterwegs sind und beinahe zusammenbrechen unter ihren Lasten. Für mich nicht ganz nachvollziehbar. Ok, wenn man mit dem letzten Geld hierherkommt und zwangsläufig campieren muss, benötigt man etwas mehr Utensilien. Wenn ich jedoch diese unheimlich riesigen Rucksäcke sehe, frage ich mich, ob die nicht ihren ganzen Hausrat dabeihaben …
Jedenfalls erreichten wir nach 17 Uhr die Tête Rousse-Hütte. Unterwegs sahen und v.a. hörten wir immer wieder diese unheimlichen Geräusche von Steinlawinen, welche das berühmt-berüchtigte Couloir hinunterdonnerten …
In der Hütte erhielten wir sofort die Matratzen zugewiesen (alle nummeriert!). Danach begannen wir mit dem Auffüllen unserer Flüssigkeits-Speicher …
Das Publikum in der Hütte war (nicht ganz überraschend) international. Was hingegen verwunderte war die Tatsache, dass kaum Schweizer oder Deutsche anzutreffen waren. Die Mehrheit stammte aus östlichen Staaten wie Polen oder Tschechien, v.a. hörte man jedoch auch sehr viele Spanier und Engländer.
Das gute Nachtessen schmeckte uns; das Glas Rotwein ebenfalls. Um 21 Uhr war Bett-Zeit, die Nacht sehr kurz …
Montag, 20.8. (Gipfeltag)
Es muss in den vergangenen Stunden ein kleines Gewitter gegeben haben, welches ich allerdings nicht mitbekam – ein Zeichen, dass ich wenigstens ein bisschen geschlafen hatte. 0.45 Uhr aufstehen, 01.00 Uhr Frühstück, 01.30 Uhr Abmarsch – alles noch etwas früher als sonst üblich … Ist das jetzt Frühstück oder Mitternachts-Snack? Egal, wir nahmen einfach etwas zu uns; unser Bergführer hatte mit dem Hüttenwart eine frühere Zeit ausgehandelt, um nicht dem Steinschlag anderer Leute ausgesetzt zu sein. Welch‘ Ironie des Schicksals, wie sich bald herausstellen sollte …
Da Germi den Einstieg am Vorabend nochmals inspiziert hatte, fand er jetzt in der Dunkelheit problemlos den Einstieg zum Couloir hinauf. Jemand anders (Italiener od. Spanier) irrte ebenfalls um diese Zeit umher, schloss sich dann uns an als er bemerkte, dass wir zielstrebig aufstiegen …
Dann also dieses hässliche Steinschlag-Couloir. Es war gerade mal ruhig, also preschten wir durch diese Rinne. Uff, gut gegangen – es kam nichts runter (wir hätten auch nichts gesehen, allenfalls gehört). „Helm ab! – es ist viel zu warm!“ So unser Bergführer. Also verstauten wir wiederum alles im Rucksack.
Wir wähnten uns in Sicherheit – falsch! Gerade wollten wir weiter, als sich ein grösserer Steinschlag ankündigte. Wie erwähnt, konnten wir zwar nichts sehen (02.00 Uhr); was wir jedoch hörten, liess nichts Gutes erahnen. Wir duckten uns hinter (vermeintlich) schützenden Felsen und harrten der Dinge, die da runterkamen.
Plötzlich pfiffen uns links und rechts die Steine um die Ohren! Dann peng! – einer hat mich am Kopf erwischt! Ein zweiter an der Hand, die schützend den Kopf hielt. Auch der Bergführer bekam einen Stein ab; Schmerzen in der Hüfte … S….! War’s das? Tour zu Ende? Wo sind Markus und der Fremde? Sind sie auch verletzt? Vor lauter Steine-Grollen verstand man sein eigenes Wort nicht mehr.
Dann wurde es endlich ruhig; unheimlich ruhig.
Schadensmeldungen: Markus meldete sich; nix passiert – auch beim Fremden nicht. Ich griff mir an den Kopf; alles voll Blut … Also doch … - meine Gedanken überschlugen sich: Absteigen in der Dunkelheit, Notarzt, ein kleiner Kieselstein hat die Tour zunichte gemacht, der Helm (im Rucksack) hätte diesen Stein abgewehrt …
Nachdem der Adrenalin-Schub vorüber war, versuchte ich klaren Kopf zu kriegen: keine alarmierende Zeichen wie Kopfweh, Schwindel oder Übelkeit. Die Wunde trocknete schnell. Dies veranlasste uns, trotz allem weiterzugehen. Meine einzige Sorge war jetzt noch, wie sich die Dinge entwickeln würden: bestand das Risiko, bei zunehmender Höhe und Puls, dass etwas platzen könnte?
Irgendwie mechanisch kletterten wir immer höher; die Wegfindung im Dunkeln war schwierig. Die oft weglose und Klettersteig-ähnliche Passage zwischen den Hütten würde ich als T5 einstufen. Nach exakt 2 Std. (inkl. Zwischenfall) erreichten wir schliesslich um 3.30 Uhr die Goûter-Hütte.
Alles im Tiefschlaf; die Gipfel-Aspiranten hatten sich längst aufgemacht und das Hüttenpersonal wieder schlafen gelegt. Germi verarztete mich; ich sah wohl ziemlich ulkig aus mit dem „Grossmutter-Kartoffel-Verband“ … ;-)
Nachdem wir aus der Hütte geworfen wurden (die sehr impulsive Dame des Hüttenpersonals im Schlafanzug gab uns zu verstehen, dass der Aufenthaltsraum der Hütte um diese Zeit nicht betreten werden darf), machten wir uns wieder auf.
Steigeisen an, jetzt ging’s endgültig auf den Gletscher. Nach wie vor im Schein der Stirnlampen stiegen wir gemächlich zum Dôme du Goûter auf. Es war gut, dass wir nicht sahen, wo man durchlaufen muss ;-) Die Strecke war teilweise eintönig, zwischendurch auch mal wieder steiler. Nach dem Dôme du Goûter fällt das Terrain etwas ab – abwärts ist mal eine Abwechslung! Germi mahnte uns zur Erholung während dieser Phase. Schwierig – aber wir versuchten es …
Nach der Erholungs-Phase also nochmals ein kurzer, steiler Anstieg, dann gelangten wir zum Vallot-Biwak (4262m). Obwohl es uns beiden gut ging, bestand der Bergführer hier auf einer „Zwangspause“. Und natürlich hatte er auch hier Recht; es war die wichtigste Pause – nochmals Energie tanken für den happigen Schluss-Aufstieg.
Trotz aller Anstrengungen und notwendigen Verschnauf-Pausen; der Rest war Genuss pur! Die ersten Sonnenstrahlen, der Mont Blanc im Morgenrot, die Aguille du Midi leuchtete – phantastische Lichtspiele! Diese Landschaft; einfach grandios!
Ok, bei den 2 Steil-Stufen gegen Schluss fluchte ich etwas innerlich … - aber das Ziel war jetzt absehbar. Obwohl, dieser Bosses-Grat zog sich dahin … Zum Glück war’s windstill; eher selten hier. So nebenbei überstiegen wir noch den höchsten Punkt Italiens (P.4760); allerdings ist dieser weder markiert noch sonst wie ersichtlich (eigentlich ein Witz, dass diese Stelle der höchste Punkt Italiens sein soll ...).
Unser Augenmerk galt jetzt jedoch dem schönen Gipfelgrat. Germi überliess mir auf den letzten Metern die Führung, dann (um 08.08 Uhr) standen wir oben: Mont Blanc, 4810m – wir haben’s geschafft !!! Ich konnte es kaum glauben, aber wir standen tatsächlich auf dem Dach der Alpen … wow …! Wer hätte das morgens um 2 Uhr noch gedacht …
Welch' erhabenes Gefühl ... und die Aussicht (trotz Dunst) gewaltig: Monte Rosa, Matterhorn, Bernina-Massiv, etc. Wir genossen das Gipfelgefühl für ca. 30 Min. Erstaunlich wenig Leute auf dem Gipfel, denn am Berg mühen sich doch einige ab. Aber viele müssen wohl auch aus unterschiedlichen Gründen wieder umkehren.
Nach unserer ausgiebigen Rast, welche mit Staunen, Fotos und Verpflegungs-Aufnahme gefüllt war, machten wir uns wieder an den Abstieg. Dieser war jetzt ein Genuss; wir genossen die einzigartige Landschaft. Während den ersten 30 Min. des Abstiegs übermannten mich immer wieder die Emotionen. Das Gefühl, den Gipfel geschafft zu haben, das Erlebnis mit anderen zu teilen - unbeschreiblich ...
Für uns war's jetzt im Abstieg natürlich auch leichter, während uns die keuchenden, weiteren Gipfelaspiranten entgegenkamen. Beim Kreuzen einer spanischen Seilschaft (Valencia!) musste unser Bergführer jedoch kurz anhalten; ihm sträubten sich die Nackenhaare als er sah, wie der spanische Seilführer das Seil um den Hals trug: ein kurzer Zug am Seil, und der Spanier japste nach Luft ... Also gab's für ihn noch eine kleine Seilverkürzungs-Demo, wofür sich der Spanier bedankte.
Nach ca. 1 Std. war das Vallotbiwak wieder erreicht und es wurde merklich wärmer. Wir entledigten uns also einer Schicht und stapften weiter. Die Spur war jetzt zwar ein bisschen aufgeweicht, es war jedoch nicht der befürchtete Sumpf. Und neben der Spur war der Schnee (bzw. Eis) noch immer schön hart, sodass die Zacken der Steigeisen so richtig greifen konnten.
Um ca. 10.40 Uhr gelangten wir wieder zur alten Goûter-Hütte (die Neue sieht toll aus!), wo die Steigeisen versorgt werden konnten und wir uns mit einer Cola stärkten. Dann hiess es Helm auf (!!), um den felsigen Abstieg zur Tête Rousse-Hütte zu meistern. In gutem Tempo und ohne jegliche Probleme erreichten wir das Couloir. Hier kamen sofort wieder schlechte Erinnerungen auf. Aber jetzt sahen wir zumindest auch, wenn sich im obersten Bereich etwas Staub bilden würde. Es ging jedoch alles gut; es blieb ruhig ...
(unverständlich für mich an dieser Stelle, dass einige mit Fotoapparaten im Gefahrenbereich standen, um Steinlawinen zu fotografieren ...).
In der Tête Rousse-Hütte stärkten wir uns nochmals. Die Hüttenwartin hatte Erbarmen, als sie meinen Kopf sah ... Sie reinigte und desinfizierte die Wunde; verband sie neu ("wer hat denn dieser Verband gemacht ...?"). Jedenfalls sehr nette Leute; danke nochmals an dieser Stelle!
Dann packten wir unsere Rucksäcke und nahmen den restlichen Abstieg unter die Füsse. Irgendwann sah man zwar die Bahnstation Mont Lachat von weitem. Diese schien jedoch einfach nicht näher zu kommen. Das letzte Drittel des Hüttenabstieges zog sich jedenfalls unglaublich in die Länge.
Um ca. 16.15 Uhr war's dann schliesslich geschafft; die Bahnstation Mont Lachat erreicht. An diese Stelle war's uns egal, dass der nächste Zug erst in 1 Std. (17.10 Uhr) fuhr ...
Zurück mit der Bahn in Chamonix fuhren Markus & ich wieder über den Col de la Forclaz nach Martigny. Da es mittlerweile schon spät war und die lange Autofahrt nach diesem Tag nicht vertretbar war, beschlossen wir in Martigny zu übernachten. Den warmen Abend liessen wir bei einem feinen Nachtessen ausklingen und stiessen nochmals auf unseren Gipfelerfolg an.
Ein genialer, unvergesslicher Tag ging zu Ende ...
Fazit
Dass ich innerhalb weniger Tage 3 Träume (Liskamm, Dufour & Mont Blanc) erfüllen durfte, ist mehr als Entschädigung für all‘ die Touren, welche dieses Jahr infolge Schlechtwetter abgesagt werden mussten; dafür bin ich dankbar und glücklich!
War der Stein, welcher mich traf, ein „Wink von oben“? Schicksal? Jedenfalls Glück, dass nicht mehr passiert ist! Obwohl ich mich in der Form des Lebens fühle, nehme ich den Wink an und beende vorzeitig meine Hochtouren-Saison für dieses Jahr; werde diesbezüglich lediglich noch die fix gebuchte Tour anfang September realisieren.
(eigentlich sollte ich jetzt Lotto spielen, denn das mich ein Stein traf, grenzt an ein Lotto-Sechser – zumindest wenn man dem Hüttenwart Glauben schenken darf …).
Ach ja, die Wunde liess ich natürlich von meinem Hausarzt noch untersuchen: zum Glück nichts Ernstes, wie von mir erhofft. Die Platzwunde sollte wieder schön zusammenwachsen ...
Schlussbemerkungen
- Weshalb die Übernachtung auf der Tête Rousse-Hütte (3167m) und nicht auf der höher gelegenen Goûter-Hütte (3817m)? Ausser dem Fakt, dass man von der Goûter-Hütte am anderen Tag weniger Höhenmeter zu bewältigen hat, sprechen alle Faktoren für die Tête Rousse-Hütte: es ist viel ruhiger und gemütlicher, man schläft viel besser auf 3167m, etc. Trotz des unglaublichen Pechs, welches wir hatten, ist es viel sicherer, das Couloir in der Nacht zu queren statt am Nachmittag
- Etwas vom Schwierigsten an diesem Berg ist das (unbeständige) Wetter. Selbst wenn es im Tal einigermassen stabil ist, kann das Wetter am Gipfel täglich anders sein (am Tag zuvor soll es z.B. sehr kalt und windig gewesen sein). Zudem gilt es die 2 wichtigsten Vorbereitungen zu beachten: Akklimatisation + Kondition, viel Flüssigkeits-Einnahme. Ohne Berücksichtigung dieser Faktoren ist es erstens eher unwahrscheinlich, den Gipfel zu erreichen und zweitens macht es keinen Spass; es ist dann reine Quälerei …
- Man darf sich nicht ablenken lassen von schnellen Tourengängern. Einige mögen tatsächlich schneller sein, die allermeisten jedoch können ihre Pace nicht halten; brechen früher oder später ein – und müssen schlimmstenfalls sogar umkehren. Das A und O war für uns, langsam aber stetig aufzusteigen (wir haben mit unserem langsamen Tempo alle anderen überholt …)
- Es gibt viele Gletscherspalten am Mont Blanc. Trotzdem gibt es einige Solo-Tourengänger zu beobachten. Hüttenwarte sowie Bergführer sprechen bezgl. Solo-Tourengängern von „mangelndem Respekt vor den Bergen“ (diese Aussage möchte ich ohne meine persönliche Wertung so stehen lassen und ich hege auch keine Absicht, dadurch eine Diskussion zu entfachen)
Zeiten:
- Tête Rousse (01.30) – Goûter-Hütte (03.30): 2 Std.
- Goûter-Hütte (04.00) – Biwak (06.10): 2 Std. 10 Min.
- Biwak (06.25) – Gipfel (08.08): 1 ¾ Std.
- Total-Aufstieg ab Tête Rousse (reine Marschzeit): ca. 6 Std.
- Gipfel (08.35) – Bahnstation Mont Lachat (16.15): ca. 8 Std., inkl. allen Pausen
Tourengänger:
Linard03

Communities: Europäische Höhepunkte
Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden
Kommentare (27)