Mont Blanc, Goûter-Route


Publiziert von frmat , 10. September 2017 um 17:10. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Frankreich » Haute-Savoie » Massif du Mont Blanc
Tour Datum:28 August 2017
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Klettersteig Schwierigkeit: K1 (L)
Wegpunkte:
Geo-Tags: F   I 
Zeitbedarf: 3 Tage
Aufstieg: 2600 m
Abstieg: 2600 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Seilbahn von Les Houches nach Bellevue, Tramway du Montblanc bis Nid d'Aigle und retour (zusammen 41,50€)
Unterkunftmöglichkeiten:Refuge Nid d'Aigle, 2372m Refuge de Tête Rousse, 3167m Nouveau Refuge de l'Aiguille du Goûter, 3835m

Nach unserer Rückkehr vom *Elbrus und aus Asien ist selbst nach Auskurieren kleinerer und größerer Wehwehchen noch genug Akklimatisation und wieder reichlich Motivation vorhanden, den Bergsommer durch ein weiteres Highlight aufzupeppen. Um nun auch ganz sicher den höchsten Europäer zu besteigen wollten wir uns noch den Montblanc gönnen.

---------------------------------------------------------

Die Normalroute von Nordwesten via Aiguille du Goûter wird ja regelmäßig behikrt, sodass wir dazu nur wenige aktuelle Infos geben können.

Anreisemöglichkeiten zum Nid d'Aigle (Preise jeweils retour):
Wer sich den endlos langen Anstieg aus dem tief unten liegenden Tal sparen möchte hat zwei Möglichkeiten zum Nid d'Aigle zu kommen.
1) Von Chamonix nach Les Houches, kostenloser aber oft überfüllter Parkplatz an der Seilbahn nach Bellevue, nun mit der Seilbahn hinauf (17,50€) und weiter mit der Tramway du Montblanc (24€, Tickets bekommt man nur oben an der Haltestelle vom Zug) zum Adlernest.
2) Von St Gervais-Fayet (mit dem Zug von Chamonix zu erreichen) komplett mit der TMB (57,50€).

Unterkunftsmöglichkeiten:
Refuge Nid d'Aigle, 2372m, 20 Plätze, 49€ HP. Von der Bergstation nur wenige Minuten entfernt. Wer den Gipfel von hier aus direkt angehen will braucht Kondition für 2600Hm und 10-12h Aufstieg bzw. 14-18h Gesamtgehtzeit.
Refuge de Tête Rousse, 3167m, 85 Plätze, 60,45€ HP. Auf einem Plateau unterhalb der Aiguille du Goûter gelegene, renovierte Hütte. 6-9h zum Gipfel, 10-14h Gesamtgehzeit, 1800Hm.
Nouveau Refuge de l'Aiguille du Goûter, 3835m, 140 Plätze, 101€ HP (ernsthaft???). Üblicher Ausgangspunkt auf dem Gipfel der Aiguille du Goûter, die alte Hütte wird nicht mehr betrieben, keine aktuellen Information ob Rückbau oder Wiederinbetriebnahme geplant sind, 4-6h zum Gipfel 6-8h retour. Bedenkt man, dass eine erfolgreiche Reservierung einem 6er im Lotto gleichkommt sind das schlicht inakzepable Bedingungen.
Bivouac Vallot, 4362m, etwa auf der Hälfte zwischen Refuge Goûter und Mont Blanc liegende Blechkiste, die eine reine NOTunterkunft darstellt (bei unserer Besteigung jedoch gut besucht war).

Zelten ist offiziell nur an der Tête Rousse Hütte erlaubt, auf der Aiguille du Goûter bzw vor dem Aufschwung zum Dome du Goûter wird es aber offensichtlich geduldet.


Schwierigkeit und Gefahren:
Gemeinhin wird die Route mit WS II bewertet. Unserer Einschätzung nach sucht man die IIer-Stellen vergeblich. Wir bewerten die Route daher mit T4, WS (Hochtour), I und L (Klettersteig). Die Abschnitte im Einzelnen:
- Nid d'Aigle - Refuge de Tête Rousse: T2 (800Hm, 2-2,5h)
- Refuge de Tête Rousse - Refuge de l'Aiguille du Goûter: T4, einige Stellen I sowie Klettersteig L (700Hm, 2-2,5h)
- Refuge de l'Aiguille du Gouter - Bivouac Vallot: L (550Hm, 2-3h)
- Bivouac Vallot - Mont Blanc: WS (500Hm, 2-3h)

Die anspruchvollsten Stellen liegen auf dem Bossesgrat. Eine gefühlte Wahrheit unsererseits: Wir haben den Mont Blanc als DEUTLICH anspruchsvoller empfunden als den Elbrus, denn hier gibt es etliche Stellen zu verunglücken. Das Gefahrenpotential des Berges ist bekannt:
- Die Höhe setzt eine gute Akklimatisation voraus.
- Das Grand Couloir ist berühmt-berüchtigt für seinen Steinschlag.
- Auf der Rippe zur Goûterhütte kann man an etlichen Stellen runterfallen.
- Whiteout in der Flanke zum Dome du Goûter ist nicht lustig..
- Am Bossesgrat ist auf längeren Strecken sauberstes Steigeisengehen verlangt, sonst geht's hinab. Das wiederum bedeutet, dass es in starkem Wind rasch ungemütlich heikel wird.
- Spalten sind meist klein. Die Route ist seilfrei machbar, bzw. ist es unserer Meinung nach verantwortlicher seilfrei zu gehen, v.a. aufgrund potentieller Mitreißunfälle am Gipfelgrat.
Insgesamt braucht man auch etwas Kondition, gerne auch etwas mehr. Der Rückweg hat insgesamt nochmal gut 50Hm Gegensteigungen.

In Summe wird man den Mont Blanc nur dann genießen können, wenn man die entsprechende Erfahrung, Ausrüstung und Akklimatisation mitbringt, sowie ein gescheites Wetterfenster erwischt.

---------------------------------------------------------

Besteigungsbericht
Die Besteigung des Montblanc, von der wohl jeder Alpinist irgendwann mal träumt, ist bei hervorragenden Bedingungen trotz zahlreicher Mitstreiter ein echter Genuss. Für uns gestaltet sich das Ganze als Spontanaktion. Der Wetterbericht verheißt uns für Dienstag ein Wetterfenster, sodass wir am Sonntagabend das Nötigste in die Rucksäcke werfen. Hütten sind natürlich nicht mehr zu reservieren und auf zelten haben wir auch keine große Lust, v.a. nicht auf Zelt tragen. Eigentlich wollten wir auch die Gonella-Route gehen, aber die soll spät im Jahr zu ausgeapert sein. Da ich 2003 den Mont Blanc schon einmal auf der Goûter-Route bestiegen habe und mich noch an ein paar Dinge erinnere, entschieden wir uns spontan für diesen Weg. Und irgendwo werden wir schon unterkommen, zur Not eben ein Biwak machen, wofür wir uns notdürftig ausgerüstet hatten.

Montag, 28.08.17
In gut vier Stunden gehts durch die Schweiz nach Chamonix und gleich an den Futtertrog, um noch möglichst viele Kalorien aufzunehmen. Anschließend gondeln und tuckern wir von Les Houches über Bellvue zum Adlernest. In gut zwei Stunden wandern wir zur Tête Rousse Hütte, die natürlich voll belegt ist. Man setzt uns auf die Warteliste und bietet uns an, in der Gaststube zu übernachten, zum vollen Preis versteht sich. Glücklicherweise bekommen wir jedoch die beiden letzten freien Lager und können so in dem übervollen Schlafraum noch etwas dösen.

Dienstag, 29.08.17
01:00h erlöst mich das Klingeln vom Nicht-Schlafen. Während ich gefühlt kein Auge zugemacht habe erwacht Benni aus erholsamen fünf Stunden Schlaf, Frechheit. Für ein Hüttenfrühstück ist das, was wir hier bekommen, wirklich gut und reichlich. Vorbei sind die Zeiten, als es im Schein der Stirnlampe zwei Scheiben trockenen Zwieback aus der Plastiktüte gab. Während wir auf Wurst und Brot warten ziehen wir uns komplett an, sodass wir kurz vor 02:00h hinaus in die Nacht treten.
Über uns marschiert bereits eine Karawane anderer Bergsteiger die Rippe hinauf. Wir passieren zunächst zahlreiche Zelte und haben dank einiger Steinmännchen keine Probleme die Route über den Restgletscher bzw. die Blockhalde hinüber zum Felsaufschwung zu finden. Nach einer knappen halben Stunde verzweigt sich der Weg. Links geht es verlockend leicht die auf die linke (falsche) Rippe hinauf. Rechterhand versperrt ein kleines Wandl zunächst den Weiterweg, sodass hier viele einen kleinen Verhauer hinlegen (es ist natürlich bekannt, dass man das Couloir zur rechten Rippe hin queren muss, aber man sieht im Dunkeln von unten nicht exakt wo). Wir merken es jedoch gleich und machen uns an das Wandstückchen (3m, I+). Andere haben nicht soviel Glück und bleiben links, was später eine äußerst heikle Querung des Grand Couloirs bedeutet. Nach dem Wändchen sind es noch wenige Meter hinein ins Grand Couloir, heute Nacht beinahe so sicher wie Abrahams Schoß. Wir haben weder Mühe noch Angst beim Durchqueren dieser Schussbahn, das hab ich schon ganz anders erlebt.
Auf der anderen Seite erleichtern Fixseile die Erkletterung des Beginns der Rippe, welcher wir nun bis zum Refuge de l'Aiguille du Goûter treu bleiben. Meist hält man sich auf der Gratkante selbst, weicht nur ab und an wenig (!) nach links oder rechts aus. Oft, aber nicht durchgehend, handelt es sich um Absturzgelände (merkt man erst auf dem Rückweg), man darf also gerne auch öfters auf Sicherheit statt auf Schnelligkeit setzen. Die letzte 200Hm zur alten Hütte sind fast durchgehend mit Stahlseilen versichert, und zwar doppelt, sodass Überholen bzw. Gegenverkehr kein Problem darstellen (2,5h, T4, I+, L).
Vor dem ehemaligen Häusl legen wir die Steigeisen an. Ja das alte Örtchen war schon ein Highlight, denn die "braune Pracht" fiel hier seinerzeit so etliche Meter in die Freiheit. Und bei Aufwind gab's auch schonmal ein paar Blattl vom Vordermann retour, das nenn ich mal Hüttennostalgie! Nun geht's in matschigem Firn einige Meter hinauf auf die Aiguille du Goûter und hinüber zum an der Kante klebenden Metallei des Nouveau Refuge de l'Aiguille du Goûter, man kann aber auch oben bleiben und die Hütte auslassen. Über den Grat erreichen wir das weite Firnbecken, welches sich sanft zum Dôme du Goûter hin aufbäumt. Es folgen zwei Stunden herrlichster Langeweile, lediglich der nahende Sonnenaufgang und Bennis Traubenzucker verhindern, dass ich einschlafe. Step by step nähern wir uns dem Dôme, dessen Gipfel wir wenig links umgehen. Hier geht der Mont Blanc auf. Der herrlich geschwungene Bossesgrat liegt vor uns und wir gewinnen gleich neue Energie. Ein kurzer (auf dem Rückweg arg nerviger) Abstieg führt in den Col du Dôme und ein steiler Hang zum nahen Bivouac Vallot, was heute ausgebucht zu sein scheint. Überall rasten Bergsteiger, es riecht nach Stall, ist aber Mensch. Wir verlegen die Pause ein paar Meter weiter Richtung Gipfel (2h, L).
Noch trennen uns gute zwei Stunden vom Dach der Alpen, mit Pausen sind es derer drei. Erstes Hindernis auf dem Weg dorthin sind die beiden Gratbuckel Grande Bosse und Petite Bosse. Vorher schnürt sich die Firnschneide auf 100m doch ansehnlich schmal zusammen. Nach den Grathöckern passieren wir die letzten Felsen und gelangen, wiederum über den schmalen Gratfirst, zu einem kleinen Absatz, 4650m, direkt unterhalb des Bergschrundes. Das 10m hohe Nadelöhr ist heute durch ein Fixseil entschärft, dennoch braucht es zu Beginn einen mutigen Schritt über die garnicht mal so schmale Spalte. Ein weiterer Steilhang leitet zum Beginn des Gipfelgrates, hier dürfte auch irgendwo der höchste Punkt Italiens liegen, wahrgenommen bzw. daran gedacht haben wir jedoch nicht. Denn seit dem Vallot-Biwak müssen wir trotz bestehender Rest-Akklimatisation etwas kämpfen, was unsere recht gemütliche Besteigungszeit von sieben Stunden plus zwei Stunden Pause erklärt. Aber nun ist es nicht mehr weit, wir können den Berg genießen. Und das auch noch alleine, denn momentan sind keine anderen Seilschaften weit und breit zu sehen. Zehn Schritte, Pause und nochmal zehn. Ja der Gipfel will verdient sein. Aber irgendwann geht's dann nimmer höher. Wir stehen zu zweit auf dem Mont Blanc, keine anderen Bergsteiger. An einem absoluten Traumtag. 25 Tage nach dem Elbrus ist auch der höchste Berg Westeuropas bestiegen. 14 Jahre sind seit meinem letzten Besuch vergangen. Damals war dies mein vierter 4000er und noch eine Nummer zu groß. Heute dagegen ist der Berg trotz höhenbedingter Anstrengung ein echter Genuss (2,5h WS).
Nach einer halben Stunde machen wir uns auf den Rückweg. Die nach wie vor in großer Zahl aufsteigenden Alpinisten erfordern hin und wieder recht spannende Ausweichmanöver. Wir gehen ja nach wie vor seilfrei und bleiben dabei, dass es für Berggänger mit unserem (Nicht-)Können, die Variante mit dem geringsten Unfallpotential ist. Mag ein Bergführer seinen Klienten halten, wir können es gegenseitig nicht. So verläuft der Abstieg dann ohne nennenswerte Ergeignisse. Recht zäh geht es dank Gegensteigungen zurück auf die Goûterhütte und die steile Flanke hinab. Auch das Grand Couloir ist noch nicht aus seinem Schönheitsschlaf erwacht und beschießt uns netterweise nicht mit den sonst üblichen Begrüßungssalven. In der Tête Rousse Hütte tanken wir Wasser, laden die zurückgelassene Ausrüstung auf und machen uns auf den Abstieg zum Refuge Nid d'Aigle. Die letzte Bahn hinab nach Les Houches haben wir nämlich ohnehin schon verpasst, sodass wir uns statt dem chamoniarden Nachtleben der Hüttenruhe am Adlernest widmen. Nebenbei haben wir in 16 Stunden (inkl. Pausen) nicht ganz unsportliche 1800 Höhenmeter hoch und 2600 wieder runter gemacht (was aber nix ist im Vergleich zu den Ultratrail-Läufern des folgenden Wochenendes, die Arve-Tal und Berg reichlich bevölkern und uns nicht einmal müde auslachen würden). Sei's drum. Ich liege um 20h im Bett und schlafe zwölf Stunden durch.

Mi., 30.08.17
Wir eiern die fünf Minuten runter zum Bähnli, tuckern eine Station weiter und schweben von Bellevue hinab zum unversehrten Auto in Les Houches. Anschließend gönnen wir uns noch ein ausgiebiges Fressgelage in Chamonix und machen Fotos mit Balmat und Paccard, die in Bronze gegossen gen Gipfel blicken. So haben wir denn den Berg quasi im Handstreich genommen. Ab/an Freiburg in 60h. Und es war eine in jeder Hinsicht eindrückliche und gelungene Tour und der Abschluss eines ereignisreichen Bergsommers :)

Tourengänger: frmat, Benniben


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen

T3 WS II
27 Sep 14
Ziel: Mont Blanc (4810 m) · morphine
T5 WS II
1 Jul 15
Mont Blanc · Erli
T4+ WS II
27 Aug 22
Mont Blanc (4808) · cardamine
T4 WS I K1
ZS
12 Sep 19
"Voie de Trois Monts" auf den Mt. Blanc · Matthias Pilz
WS K1
22 Aug 18
Monte Bianco · andrea62

Kommentare (2)


Kommentar hinzufügen

alpensucht hat gesagt: Gefährliche Stellen
Gesendet am 10. September 2017 um 22:56
Danke für euren umfassenden Bericht. DIe Bilder sind grandios und informativ.

Im Abschnitt "gefährliche Stellen" wirkt der Stichpunkt "Spalten sind relativ klein" auf mich so, als gelte das für die ganze Route zwischen Gouterhütte und Gipfel. Oder meint ihr die geringe Spaltensturzgefahr nur auf den Bossesgrat bezogen?

Mont Blanc ist schon kein unattraktives Ziel :)

frmat hat gesagt: RE:Gefährliche Stellen
Gesendet am 11. September 2017 um 08:48
Guten Morgen,
ja so ist es auch gemeint. Gletscher haben immer Spalten, klar. Aber sofern man sich konsequent auf dieser Trasse bewegt hat man während des gesamten Auftiegs ab Goûterhütte wenig zu befürchten. Es ist Ansichtssache und das mag Diskussionen geben, entsprach bei unserer Besteigung aber nun mal den Fakten.
Beste Grüße


Kommentar hinzufügen»