Mont Blanc du Tacul, 4248m


Publiziert von Linard03 , 16. August 2011 um 07:58.

Region: Welt » Frankreich » Massif du Mont Blanc
Tour Datum: 9 August 2011
Hochtouren Schwierigkeit: WS+
Wegpunkte:
Geo-Tags: F 
Zeitbedarf: 5:00
Aufstieg: 1026 m
Abstieg: 1026 m
Strecke:Aig. du Midi - Col du Midi - Mont Blanc du Tacul - Aig. du Midi
Zufahrt zum Ausgangspunkt:von Chamonix per Seilbahn auf die Aiguille du Midi
Zufahrt zum Ankunftspunkt:dito

Nach unserer Gran Paradiso-Tour wechselten wir also rüber nach Frankreich, genauer nach Chamonix. Bereits auf der Chabod-Hütte am Gran Paradiso haben wir überlegt, wie wir die nächsten Tage gestalten sollten. Aufgrund der nach wie vor schlechten Wetterprognosen haben wir uns auch kurz überlegt, ins Wallis zu wechseln (z.B. Gnifetti-Hütte).
Da jedoch weder Markus noch ich bislang je in Chamonix waren, wollten wir es wagen und im schlechtesten Fall zumindest Chamonix besucht zu haben. Aber insgeheim hatten wir natürlich immer noch die Hoffnung, doch noch den Mont Blanc zu besteigen ...


Sonntag, 7.08.2011
So fuhren wir denn von Villeneuve durch den Mont Blanc-Tunnel nach Chamonix, wo uns schönstes und warmes Wetter empfing - wer sagts denn! Nach dem Bezug eines kleinen, schmucken Hotels machten wir eine kleine Erkundungs-Tour durch Chamonix. Trotz unzähligen Sport-Geschäften, Café's und Restaurants macht dieser Ort einen gemütlichen Eindruck - keine Spur von "Schicki-Micki" wie in anderen, bekannten Sportstätten ...

Besonders beeindruckend ist der Glacier des Bossons, ein Gletscher, der an der Nordflanke des Mont Blanc bis auf ca. 1400m hinunter fliesst. Seine Zunge ist die tiefstgelegene in den Alpen; einzigartig!
Soeben noch von der Sonne verwöhnt, zogen bald dunkle Wolken auf und es begann zu regnen ... Wir berieten das weitere Programm: ursprünglich war eine Ueberschreitung des Mont Blanc vorgesehen, ausgehend von der Gonella-Hütte. Dieses Unterfangen war aufgrund der riesigen Spalten oberhalb der Gonella-Hütte (teilweise wurden Leitern eingeflogen ...) nicht möglich; dies war uns bereits im Aosta-Tal bewusst.
Nächste Variante war, dass wir zur Cosmique-Hütte aufsteigen und dann von dort auf der interessanten, aber auch anspruchsvollen Route den Mont Blanc besteigen würden.

Die Prognosen waren jedoch mehr als schlecht, die starken Winde liessen am Sonntag die Bahnen geschlossen bleiben ...

Montag, 08.08.2011
Noch hatten wir die Hoffnung, dass wir zumindest heute noch auf die Cosmique-Hütte aufsteigen können. Aber Windgeschwindigkeiten über 100kmh (!) auf der Aig. du Midi (3842m) liessen keine Seilbahn-Fahrten zu - alles geschlossen. Wie viele andere Bergsteiger verharrten wir also in Chamonix, auf bessere Bedingungen wartend ...

Noch eine weitere Variante wurde diskutiert, nämlich schlicht und einfach die Normalroute. Zwar ist die Normalroute weniger anfällig auf Wetter-Einflüsse, aber hohe Windgeschwindigkeiten lassen auch keine Ueberscheitung des Bosses-Grates zu.
So verging für uns auch der Montag "ergebnislos" - noch hatten wir eine allerletzte Chance am Dienstag; eigentlich unser "Reserve-Tag" ...

Dienstag, 09.08.2011
Die Wetterpropheten sagten für heute Dienstag besseres Wetter und vor allem nachlassenden Wind voraus. Die erste Bahn sollte um 06.30 fahren; also wollten wir es wagen und die Tour an einem Tag durchziehen. Bereits um 6 Uhr waren wir an der Talstation; nach und nach trafen immer mehr Bergsteiger ein - zuletzt ca. 50 an der Zahl. Nach den ereignislosen Tagen konnte keiner mehr zuwarten und wollte die nächstbeste Möglichkeit packen ...

Aber oh weh! Die Frau an der Kasse meinte "next information on 7 o'clock" ... - sollte es auch heute noch zuviel Wind haben? Aber dann wurde (in Anbetracht der langsam ungeduldig werdenden Leute?) die Kasse doch noch geöffnet und kurz vor 7 Uhr schwebten wir dann endlich in die Höhe.

Auf der Aiguille du Midi ankommend blies uns ein eisig-kalter Wind entgegen. Es brach eine grosse Hektik aus, jede Seilschaft wollte als erste hinausstürmen. Aufgrund der Kälte wurde gleich alles angezogen, was der Rucksack hergab. Kaum waren die Steigeisen montiert, ging es (für mich zu schnell) gleich auf dem ziemlich ausgesetzten Grat im dichten Nebel in Richtung Col du Midi hinunter, auf das grosse Gletscher-Plateau.

Dieser Col du Midi wird übrigens auch "grosse Spielwiese" genannt, was sie allerdings nicht ist: in den letzten 20 Jahren seien hier jede Menge Leute in Gletscherspalten verschwunden, weil sie unangeseilt auf dem grossen Plateau "spazierten"!

Erst da nahmen es die diversen Seilschaften wieder etwas gemütlicher, beinahe jede in eine andere Richtung; also mit verschiedenen Tourenzielen. Nach der Ueberquerung des col du Midi liess der erste Steilaufschwung nicht lange auf sich warten.
Zunächst war die Schneeauflage noch überraschend und angenehm hart, sodass das Aufsteigen wenig Mühe bereitete. Nach dem ersten Queren von Eisabbrüchen wurde es jedoch weich und tief, sodass Gregor (unser Bergführer) Spur-Arbeit leisten musste (wir waren heute Morgen die erste Seilschaft).

Nach einer kurzen Pause übernahm eine nachfolgende Seilschaft für eine Weile die Spurarbeit und so erreichten wir in einer guten Zeit die Schulter des Mont Blanc du Tacul auf ca. 4000m.
Der Blick auf den Mont Maudit - das weitere Etappenziel auf dem Weg zum Mont Blanc - liess jedoch Ernüchterung aufkommen: jede Menge Triebschnee! Einzelne Anrisse sowie grosse Schneepolster liessen kein Zweifel aufkommen; auf diese Weise ist das Risiko viel zu gross, die Steilflanke hochzusteigen und dabei eine Lawine auszulösen.

Der Entscheid war deshalb schnell gefällt: Abbruch und neues Ziel definieren; der Mont Blanc du Tacul ist von unserem Standort aus ohne Risiko zu besteigen. Es war nicht mehr weit, allerdings wurde der Wind hier oben etwas stärker und liess die Kältegrade weiter sinken.

Etwas windgeschützter wurde es, als wir den Gipfelaufbau erreichten. Hier war noch eine kurze Kletterei gefragt, dann standen wir auch schon auf dem Gipfel des Mont Blanc du Tacul!
Dieser Gipfel mit seiner Aussicht war mehr als nur ein Trostpflaster für das Nichterreichen des Mont Blanc: alles, was über 4000m hoch war, ragte über die Wolkendecke! Vom gegenüberliegenden Mont Blanc zur nahen Grandes Jorasses bis zum weiter entfernten Matterhorn und Monte Rosa; einfach phantastisch!!

Aufgrund der grossen Kälte verharrten wir jedoch nicht lange auf dem Gipfel und machten uns wieder an den Abstieg. Eigenartigerweise verspürte ich beim Abstieg immer wieder aufkommende Uebelkeit und Müdigkeit - wie wenn ein Schalter umgelegt wurde und die Batterien per Knopfdruck auf Null abgesenkt wurden; eigenartig ... Ob ich ev. etwas Verdorbenes gegessen hatte? Oder ob die immer stärker werdenden Fersen-Schmerzen beim Abstieg einen Einfluss hatten?

So gesehen war es rückblickend sogar "gut", dass wir nicht auf der viel längeren Tour auf den Mont Blanc unterwegs waren! Ich quälte mich die Steilhänge hinunter und war froh, als wir den Col du Midi erreicht hatten.
Nach einer kurzen Pause folgte aber noch das "pièce de resistance": der Aufstieg zur Aiguille du Midi! Was nach wenig tönt (310 Hm) ist nach einer langen Mont Blanc-Tour eine richtige Tortour.
Aber selbst nach unserer viel kürzeren Variante wurde dieser Aufstieg für mich zur richtigen Herausforderung; die letzten Meter keuchte und schleppte ich mich richtiggehend hoch ... Dass 3 andere Bergsteiger hier am ausgesetzten Grat am langen (!!) Seil gingen und wir überholen mussten, bekam ich nur noch halbwegs mit.

Die "rettende" Rampe zur Aiguille du Midi erreichte ich dann schliesslich doch noch, wo wir von den zahlreichen Touristen richtiggehend ab-fotographiert wurden. Man fühlte sich beinahe wie im Zoo - fragt sich nur, wer drin war und wer draussen ... ;-)

Umgehend nahmen wir die Seilbahn ins Tal nach Chamonix, wo uns wärmende Sonne empfing. Nach einem grossen Glas Cola ging's mir dann auch gleich wieder besser. Wir verabschiedeten uns von Gregor und nahmen die Heimfahrt über den Col de la Forclaz unter die Räder.

Schön war's, auch ohne Mont Blanc! Markus, danke für die Begleitung; es waren einmal mehr gelungene Tourentage!

Fazit:
eine grandiose Landschaft, die man einfach mal gesehen haben muss!

Erkenntnisse:
das Schwierigste am Mont Blanc (gute Kondi und Akklimatisation vorausgesetzt) sind die Wettereinflüsse. Nicht umsonst sagen die Bergführer, dass nur ca. 4 von 10 Versuchen erfolgreich sind ... Dies bestätigt auch ein Blick auf andere Berichte, u.a. auch auf hikr

Ein Mix aus Stress am Anfang der Tour, ev. zuwenig Flüssigkeit und enorm starke Fersen-Schmerzen im Abstieg haben wohl dazu geführt, dass die Batterien urplötzlich leer waren ...

Zeiten:
- Aiguille du Midi (ca. 07.30) - Mont Blanc du Tacul (10.20): 3 Std.
- Mont Blanc du Tacul (10.30) - Aiguille du Midi (12.30): 2 Std.

Tourengänger: Linard03


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Kommentare (4)


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TeamMoomin hat gesagt: Naja...
Gesendet am 16. August 2011 um 22:11
würde mal sagen da hast du nette "Ersatzlösung" bestiegen, hehe ;-)

Gratuliere

Grüsse

Oli

Linard03 hat gesagt: RE:Naja...
Gesendet am 17. August 2011 um 20:44
danke - so ist es! Ich glaube, wir haben wirklich das Beste aus den Möglichkeiten herausgeholt ...
Gruss, Richard

gero hat gesagt: Gratulation .....
Gesendet am 4. September 2011 um 06:59
..... zu diesen tollen Bergerlebnissen - trotz leerer Batterie! Immerhin ja erst beim Rückweg, sieh es mal positiv.

Hey, das Mont-Blanc-Gebiet hat schon was - schade, daß es für mich eine derart lange Anreise ist und die meisten Ziele für den Alleingänger zu riskant sind. Comes time, comes MB ... irgendwann mal. Für heuer geht die Saison dem Ende entgegen, leider.

LG, Georg .. bis bald mal wieder mit Schneeschuhen?

Linard03 hat gesagt: RE:Gratulation .....
Gesendet am 6. September 2011 um 11:32
Danke! Ja, der MB ist tatsächlich nicht gerade um die Ecke ... - trotzdem lohnt sich die Reise!
Schneeschuhe? Ja, weshalb nicht - zunächst hoffe ich jedoch noch auf 2, 3 Herbst-Touren, bevor ich wieder an Schnee denke ...
LG, Richard


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