Cima dei Bureloni (3130 m) - Biwak Brunner (Teil 1 einer Umrundung der Pala-Hauptgruppe)


Publiziert von gero , 5. August 2012 um 12:34.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum: 2 August 2012
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 9:15
Aufstieg: 1770 m
Abstieg: 1370 m
Strecke:Rollepaß - Baita Segantini - Passo Mulaz - Passo Farangole - Cima dei Bureloni - Val Strut - Biv. Brunner (15,7 km)
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von Norden (Predazzo) kommend über den Kulminationspunkt des Rollepasses fahren; gebührenfrei parken unmittelbar östlich unter der Paßhöhe am Beginn des Weges zur Baita Segantini.
Kartennummer:Tabacco 022 (Pale di San Martino)

Die CIMA dei BURELONI steht schon lange auf meiner alpinen Wunschliste - jetzt ist sie Wirklichkeit geworden in Form einer 2-tägigen Umrundung der Pala-Hauptgruppe mit Übernachtung in der Biwakschachtel Giorgio Brunner im weltabgeschiedenen Val Strut. In zwei Beiträgen will ich von meiner (anstrengenden) Unternehmung berichten - sie steht unter dem Motto "Wasser - DAS Lebenselixier", denn selbiges ist unterwegs knapp, und man sollte sich reichlich damit eindecken!


Teil 1: vom Rollepaß zum Rif. Mulaz

Ausgangs- und Endpunkt ist der Rollepaß (1989 m); mit der ersten Dämmerung beginne ich meine Bergtour kurz vor 5 Uhr und wandere auf Weg Nr. 710 die bequeme Schotterstraße hinauf zur Baita Segantini (2170 m, am Passo Costazza gelegen, tagsüber bis hierher Kleinbusverkehr ab P Rollepaß), vorbei am Rif. Capanna Cervino, Richtung Rifugio Mulaz. Leider muß man diese ersten knapp 200 Hm jenseits wieder absteigen ins Val Venegia, bis man am Kotenpunkt 2010 der LK mit dem Wiederaufstieg zur Mulazhütte beginnt. Man steht hier am oberen Ende der kleinen Hochebene Campigol della Vezzana.

Aber was bedeutet dieser Höhenverlust im Angesicht der großartigen Dolomitenkulisse, die sich über mir erhebt: die Nordwestflanken des Cimon, der Vezzana und der Bureloni streben über mir in den makellosen Morgenhimmel; gewaltige Schluchten und Türme zerteilen senkrechte Wandfluchten. Die Hauptattraktion bildet die mächtige Rinne, die 1000 m hinaufzieht zum Passo Travignolo (zwischen Cimon della Pala und Cima della Vezzana) und mit den Gletscherresten des Ghiacciaio del Travignolo ausgefüllt ist. Eine Ansammlung von Superlativen bereits zu Beginn der Tour!

Wegen der nordwestlichen Ausrichtung ist der Aufstieg zur Mulazhütte genau das Richtige für einen heißen Sommertag, der Steig liegt lange im Schatten, und man wird hier mal ausnahmsweise nicht von der Sonne gegrillt, bevor es überhaupt losgeht.

In zunehmender Steilheit erreiche ich, immer der Markierung Nr. 710 und damit dem Sentiero Quinto Scalet folgend, nach gut 3 Std. (incl. der obligaten Fotokurzpausen) den Passo Mulaz (2619 m) - und trete aus der Schattenseite hinaus ins Licht der Morgensonne. Was für ein Tag - im Frühdunst stehen mir die Civetta und weitere namhafte Dolomitenberge gegenüber.

Ich steige noch wenige Minuten jenseits bis fast zum Rif. Mulaz ab (dabei passiere ich den Abzweig zum Monte Mulaz, der von hier aus in 1 Std. zu erreichen ist), um mich dann dem Wiederaufstieg zum gut einsehbaren Steiglein Richtung Passo delle Farangole zuzuwenden.


Teil 2: vom Rif. Mulaz zum Passo delle Farangole und auf die Cima dei Bureloni

Steil führt der mit Holzstämmen befestigte Steig Nr. 703 (Richtung Rif. Rosetta) in 15 Minuten zur Forcella Margherita (2655 m) hinauf - einer Kerbe im Nordwestgrat der wuchtig aufstrebenden Cima del Focobon (3054 m), deren Südwestseite anschließend aufsteigend gequert wird, das nächste Ziel in Form des Passo delle Farangole (2814 m; auch: Passo di Valgrande) ständig vor Augen. Diese zwischen einigen Türmen scharf eingeschnittene Scharte ist beidseits mit Drahtseilen, einigen Stahlklammern und Leitern versichert, die zwar unter Aspekten der technischen Schwierigkeit unter normalen Bedingungen nicht erforderlich sind - man nimmt sie aber dennoch gerne zu Hilfe, denn sie erleichtern das Fortkommen im brüchigen Schutt sowohl im Auf- wie im Abstieg ungemein. Vom Rif. Mulaz bis zum Passo delle Farangole muß man eine knappe Stunde rechnen.

Welch ein Platz! Ich komme schon wieder aus dem Schwärmen nicht heraus, eingekeilt zwischen himmelhohen Felstürmen kann ich nordwestseitig für längere Zeit ein letztes Mal zum Rollepaß hinunterschauen, während sich mir nun südöstlich ein großartige Weitblick über das Valgrande eröffnet.

Im Abstieg von der Scharte folge ich dem weiterhin bestens bezeichneten und versicherten Steig eine Rinne hinunter; dort, wo sie endet, hängt ein Schildchen an einer Felswand - "Bureloni" steht in nicht allzugroßen Lettern darauf, und es heißt hier für längere Zeit den bezeichneten Weg Nr. 703 zur Rif. Rosetta zu verlassen.

Unschwierig quere ich, einem leicht fallenden Steiglein folgend, unter den sich aufbäumenden Felswänden des Torre Quattro Dita und des Campanile di Valgrande dahin. Ich folge gelegentlichen Steinmännlein mit Richtung auf die Nordwand der Zirocole. Eine Art schwach ausgeprägter Sattel wird überschritten, danach sollte man einige Höhenmeter absteigen, um den unteren Rand des Ghiacciaio delle Zirocole zu erreichen.

SEHR WICHTIG: das munter sprudelnde Schmelzwasser dieses Gletscher-Restchens ist für lange Zeit die letzte Wasserstelle - trockene Witterung vorausgesetzt, gibt es bis zur weit entfernten Rif. Rosetta keine Möglichkeit mehr, etwaige Feldflaschen aufzufüllen. Man erreicht dieses Wasser aber nur, wenn man - wie ich - zur Bureloni aufsteigt; Wanderer zwischen Mulaz- und Rosettahütte werden möglicherweise überhaupt kein Wasser finden. Zudem bewegt man sich hier auf der Südseite der Pala-Hauptgruppe und ist der Sonne absolut schattenlos ausgeliefert.

Mit Erreichen des Ghiacciaio delle Zirocole wird die Besteigung der Cima dei Bureloni nun anspruchsvoller: Steinmännlein werden seltener, und es gilt, eine 100 m hohe Geländestufe zu überwinden, die zwar technisch unschwierig, aber ungemein anstrengend ist, da sie aus unangenehmem Geröll besteht. Mal sind es kleine Steinchen auf glatter Unterlage, mal große Blöcke, aber das ganze Material gerät schon beim bloßen Hingucken in Bewegung. Hier ist Geländeblick gefragt - jeder ist auf seine eigene Wegfindung angwiesen, und so kämpfe ich mich (zuletzt dieses blöden Sportes etwas überdrüssig) den steilen Geröllhang hinauf. Das sind die Momente, wo man an der eigenen Vernunft zweifelt - daheim könnte man jetzt auf der Terrasse liegen und es sich wohlergehen lassen.

Trotzdem habe ich nach einigen heftigen Kämpfen gegen die Geröllmassen (Nomen est Omen - hier rollt wirklich alles) und gegen den inneren Schweinehund (kehr um - so ein Quatsch!) bis zu einem großen, schon längere Zeit sichtbaren Steinmann hinaufgearbeitet - und werde für meine Mühen belohnt: ich stehe in einem weiteren markanten Einschnitt zwischen der Bureloni und der benachbarten Cima di Valgrande und kann eine tief eingeschnittene Schlucht hinunterschauen auf die grünen Wiesen im Gebiet der Baita Segantini. Vor Stunden war ich noch dort unten - was für eine grandiose Dolomitenwelt!

Der nun wieder mit mehr Steinmännlein markierte Steig wendet sich nach links (im Sinne des Aufstiegs), es folgen einige Passagen des I. Grades, die aber nicht heikel sind, das Problem besteht mehr in den allmählich müden Beinen. Ich erreiche am weiten Sattel des Passo dei Bureloni (2980 m) den Verbindungsgrat zwischen der Bureloni und der östlich vorgelagerten Zirocole (3058 m). Weitere Schluchten fallen von hier südseitig ins Val Strut ab - irgendwo dort unten befindet sich mein Tagesziel, das Bivacco Brunner.

Noch einge weitere kurze Kraxeleinlagen, und ich habe um 11 Uhr den südlichen Vorgipfel und nach weiteren 10 Minuten den Hauptgipfel der Cima dei Bureloni (3130 m) erreicht. Der Dritthöchste der Palagruppe - nur unmittelbar gegenüber die Cima_della_Vezzana (3192 m) und der Cimon della Pala (3184 m) sind noch deutlich höher. Im übrigen ist die Bureloni wie jene ein wunderbarer Aussichtspunkt - Bureloni, die Verstärkungsform von Burel für "zerklüftete Rinnen" und "tiefe Schluchten", macht ihrem Namen alle Ehre.

Eine halbe Stunde lasse ich es mir gutgehen, trage mich ins dünne Gipfelbuch ein (es ist gut versteckt unter Steinen in einer wenig auffälligen Plastikflasche) und genieße im übrigen die geniale, wenn auch durch hochsommerliche Quellwolken etwas eingeschränkte Aussicht. Dann muß ich wieder an den Abstieg denken - der Weg könnte heute noch weit werden, und noch bin ich nicht sicher, wo er mich letztlich hinführen wird.


Teil 3: von der Cima dei Bureloni zum Biwak Giorgio Brunner

Der Abstieg gestaltet sich erstaunlich unkompliziert und zügig: in 30 Minuten bin ich trotz der erwähnten Geröllpassagen wieder drunten am Ghiacciaio del Zirocole, fülle meine Wasserflasche auf und gönne auch mir selbst bei dieser Gelegenheit etliche kräftige Schlucke. Wie wichtig dies ist, werde ich erst später erkennen.

Nun geht es direkt ins Valgrande hinunter - dort unten erreiche ich den Hauptweg Nr. 703 zwischen Mulaz- und Rosettahütte. Wie geht es weiter - wieder zurück zum Rollepaß via Mulazhütte (die am wenigsten aufwändige Variante) oder weiter Richtung Rifugio Rosetta? Ich wähle die zweite Möglichkeit, weil ich immer schon einmal den angeblich einfachen, jedoch recht ausgesetzten Wanderweg zwischen den beiden Hütten begehen wollte.

Die Wegfindung ist leicht: immer der üppigen Markierung Nr. 703 folgen, der Sentiero delle Farangole ist gut ausgebaut und wird häufig begangen, ist hier und da jedoch durchaus ausgesetzt: steile Wiesen- und Schrofenhänge fallen hunderte Meter südseitig ins Val delle Comelle ab. Die entscheidenden Stellen sind jedoch durch gute Drahtseile versichert und bei entsprechender Trittsicherheit und Schwindelfreiheit problemlos zu begehen.

Ich folge diesem Steig bis zur Kote 2290 m der Landkarte - hier muß ich die nächste Entscheidung treffen: weiter bis zur gut 2 Gehstunden entfernten Rosettahütte oder Aufstieg in das einsame Seitental Val Strut bis zum Bivacco Brunner mit Übernachtung dort? Das wollte ich doch schon immer mal machen, und jetzt stehe ich hier ...

Also los ... die Entscheidung fällt mir leicht, inzwischen ist der blaue Himmel dunkleren Wolken gewichen, und obwohl es erst früher Nachmittag ist, scheint ein Wetterumschwung bevorzustehen. Da ist vielleicht der Weg zur nahegelegenen Biwakschachtel die klügere Alternative, wenngleich es auch fast 400 m Wiederaufstieg sind. Rund 2 Liter Trinkbares ist noch im Rucksack, irgendwo hoch droben rauscht verheißungsvoll ein Wasserlauf, und wenn ich unterwegs die Feldflasche nochmals auffüllen kann, sollte es keine Versorgungsprobleme geben.

Schwer drückt mein Rucksack, als ich dem Wegweiser zum Biv. Brunner auf Steig Nr. 716 Richtung Cima della Vezzana folge. Es beginnt zu tröpfeln, aber ich kann mich nicht sputen, die Beine sind inzwischen müde. So schleppe ich mich und mein Gepäck hinauf, immer dem verheißungsvollen Wasserrauschen entgegen. Der Steig verkommt nach einer zunächst erfreulich bequem zu begehenden Wiese zu Steigspuren im Geröll und wird steiler - der wilden Szenerie schenke ich inzwischen keine Beachtung mehr, nur noch hinauf zum Biwak. Dann ein Donnergrollen, das Nieseln wird stärker ... weiter, nur weiter.

Eine italienische Bergsteigerin kommt mir entgegen - sie hat die Vezzana überschritten und will noch hinunter bis zum Talort Gares. Auch nicht grad der nächste Weg im aufziehenden Gewitter ! Aber sie hat frohe Kunde für mich: hinter der nächsten Felswand liegt versteckt die Biwakschachtel. Und tatsächlich ... da ist sie ja, in leuchtendem Rot hingeduckt unter einer riesigen Felswand der Zirocole. Mit letzter Kraft und sakrischem Durst erreiche ich das Bivacco Giorgio Brunner (2665 m), und als ich das Türchen öffne und innen eine anheimelnde Atmosphäre in Form 9 kleiner, aber feiner Lagerstätten mit Decken vorfinde, schaut die Welt schon wieder freundlicher aus.


Teil 4: das Bivacco Giorgio Brunner

Die anheimelnde Biwakschachtel liegt in der oberen Hälfte des Val Strut, etwa 30 Minuten (200 Hm) unterhalb des Passo di Val Strut inmitten einer atemberaubenden Szenerie: die Felswände der Zirocole, des Campanile di Val Strut, der Cima dei Bureloni und der Cima delle Camelle wirken fast bedrückend. Man kann von hier aus via Passo di Val Strut die Cima della Vezzana unschwierig besteigen (kurzer, harmloser Klettersteig).

Und gegenüber rauscht aus der Nordwand der Camelle ein winziger Wasserfall herab. Das einzige Wasser in diesem wilden Hochtal ! Ich muß unbedingt hinüber, meine Flasche auffüllen. Von der Biwakschachtel muß ich zu diesem Zweck etwa 10 Minuten leicht absteigend zur anderen Talseite queren und dann ein Schneefeld zum Wasser ansteigen. Aber ach - der Schnee ist jetzt, Anfang August, ziemlich hart gefroren, und nur mühsam komme ich ohne Steigeisen hinauf. Wie es häufig der Fall ist, hat sich eine Randkluft gebildet, in der das Wasser verschwindet, und da deren Oberlippe auch noch überhängt, wird mein Bemühen, zum Wasser zu kommen, zu einem gefährlichen Unterfangen. Um es kurz zu machen: 2m vom Wasser entfernt, scheitere ich beim Versuch, dieses zu erreichen - die verbleibenden 2 Liter Flüssigkeit in meiner Trinkflasche müssen bis auf Weiteres ausreichen.

Solchermaßen ziemlich frustiert, verbarrikadiere ich mich schon bald in meiner Biwakschachtel, richte mich dort so gemütlich wie möglich ein - und schlafe denn auch die ganze Nacht bis zum nächsten Morgen, an dem es zum Rifugio Rosetta und damit zurück in die Zivilisation gehen wird. Das einzige Geräusch, was hier in dieser wildromantischen Weltabgeschiedenheit zu hören ist, ist das monotone, verheißungsvolle und doch unerreichbare Rauschen des Wassers an der gegenüberliegenden Talseite.

Das Bivacco Giorgio Brunner ist derzeit in sehr gutem Zustand: klein aber fein, bietet es auf engstem Raum 9 Schlafgelegenheiten in 3 Stockwerklagern mit zugehörigen warmen Decken. Man ist hier aber weit ab von der Zivilisation, im Ernstfall wird dieser Platz zur Mausefalle, da alle Rückwege weit und als durchaus hochalpin (wenn auch nicht technisch schwierig) einzustufen sind.

Das ordentlich geführte "Hüttenbuch" beweist, das diese Biwakschachtel doch nicht ganz so selten aufgesucht wird, wie man meint - Bergsteiger aus aller Herren Länder haben sich hier eingetragen.

UND: ausreichend Wasser dabeihaben, es gibt hier bei realistischer Betrachtungsweise kein Trinkwasser !

Die Fortsetzung meiner Umrundung der Pala-Hauptgruppe folgt in einem eigenen Bericht.

Tourengänger: gero


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 12182.gpx Vom Rollepaß auf die Cima dei Bureloni und zum Biwak Brunner

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Kommentare (1)


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Felix hat gesagt: einfach gewaltig ...
Gesendet am 30. August 2012 um 17:59
deine Tour, das Ambiente - die Natur und Bergwelt insgesamt!
Ich gratuliere dir herzlich, lieber Georg
Felix


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