Plattas Alvas, Hinter Selbsanft, Vorder und Hinter Schiben: Gipfelkranz am Gries-/Limmernfirn


Publiziert von PStraub , 27. Juli 2012 um 15:21.

Region: Welt » Schweiz » Glarus
Tour Datum:26 Juli 2012
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GL   Bifertengruppe   CH-GR 
Zeitbedarf: 12:00
Aufstieg: 2400 m
Abstieg: 2400 m
Kartennummer:1193

Am 3. Juli 1994 hatte ich Vorder und Hinter Schiben via Chalchtrittli-Bahn - Tunnel - Limmerensee - Limmerenfirn bestiegen. Diese Route ist wegen der Bauarbeiten am Muttsee gesperrt, und es ist alles andere als sicher, dass der abenteuerliche Weg dem See entlang später wieder hergerichtet wird. Dafür müsste er in der erneuerten Konzession wohl ausdrücklich gefordert worden sein.
 
Die einzige Alternative für eine Tagestour ist Alp Quader bei Brigels als Ausgangspunkt. Also zeitig aus den Federn, um 06:30 bin ich dort oben losgelaufen. Bei der Bifertenhütte wollte ich einen Tee trinken, aber die hatten 'full house', so bin ich direkt hinauf zum Einstieg ins Limmernband. Dort hüpften drei Steinkitze herum, die sich ganz ungestresst in die Flanken zurückzogen, als sie mich sahen. Die Kitze haben bereits winzige, noch gerade Hörnchen, das sieht possierlich aus.
Der Einstieg ist - wie bereits mehrfach festgehalten - mit Steinmännern markiert und ist vor dem (= nordöstlich des) Limmernpass(es). Oben aper, kommt man zZ. nach rund 100 Hm zu einem Schneefeld, das nur mit Eisen sicher zu queren ist. Beim Hinweg habe ich die Eisen bis zum Griessloch anbehalten, schliesslich war die Nacht kühl, und es hat oberhalb der Wegspur durchgehend Altschnee. Auf dem Rückweg habe ich sie nur für das ganz kurze zwingende Stück angezogen, für den Rest bin ich im Aperen auf oder in der Nähe der Wegspur gegangen. Wegspur = T4, Gehen mit Eisen in den teilweise eher steilen Schneehängen = T5. 
 
Den Limmerenfirn erreicht man auf rund 2400 Metern. Ab hier sanft ansteigend zum Buckel in der Nähe des Griessloches, wo ich Pickel und Eisen deponiert habe. Das Gelände, Altschnee, Geröll und/oder Kalkplatten, kann überall begangen werden. 
Ab hier zu P. 2954, dann hinunter zu P. 2919 und wieder hinauf zum "Gipfel" der Plattas Alvas (2950 m). Jeder, der vom Vorder Selbsanft herkommt, ist in der Nähe vorbeigekommen, nur werden die wenigsten das überhaupt festgestellt haben, denn das ist eine praktisch flache Hochebene.
Dann zurück und auf dem Nordgrat auf den Hinter Selbsanft. 'Grat' kann man diesem sanften, breiten Rücken wohl kaum sagen (T2). Unerwarteterweise hat dieser Höger - nun ja, immerhin ein 3000er! - ein Gipfelbuch - mit gerade zwei Einträgen in diesem Jahr. - Der Abstieg Richtung Südost ist kaum schwieriger, nur das Material-Depot war weit weniger einfach wiederzufinden als im Aufstieg gedacht.
 
Ab hier zur Vorder Schiben: Wer aus Richtung Kistenstöckli hinüberschaut, glaubt gar nicht, dass es da einen Aufstieg geben könnte. Und die Beschreibung in den Führern ist wenig hilfreich: ".. durch das offene Couloir mitten in der Ostwand zum nördlichen Gipfel .." 
Das Couloir gibt es, es hebt sich durch seine gelbliche Farbe sogar deutlich vom grauen Malm des Gipfelfusses ab. Aber diese Route dürfte seit der Erstbegehung kaum mehr gemacht worden sein. Fast 200 hm praktisch vertikal durch eine äusserst steinschlägige Rinne hoch, das dünkte mich wenig attraktiv. 
Doch in der Falllinie des Vorgipfels P. 2974 hat es eine mächtige schräge Platte. Die ist gar nicht so steil, wie man meinen könnte, und der Schuttrücken rechts davon lässt sich sogar ganz angenehm begehen (T4). Am oberen Ende von Platte und Schutt umgeht man ein bräunliches Türmchen und steigt bis zu einem kleinen Plateau. Geradeaus weiter verläuft eine mächtige, sicher 10 m tiefe Spalte wie von einem Schwerthieb, die sich bis zum Grat hochzieht. Wer die Route R. 611 versucht, die ich vom Hinter Selbsanft angeschaut hatte und die bis auf eine ca. 2 m hohe Stufe ganz manierlich aussieht, sollte wissen, dass anschliessend diese Spalte überschritten werden muss. Und deren "Bergseite" ist überhängend und besteht (hier irrt Oberholzer!) aus braunem, bröckeligem Flysch.
Das weiss ich natürlich nur, weil ichs versucht habe ..
Also zurück und bei dem erwähnten Plateau nach links und zum Grat hoch. Das Gelände wird zwar flacher, aber der Fels immer fieser. Schräg abwärts geschichtete Platten, bedeckt mit Schutt, und der anstehende Fels (meist Schiefer) verdient diesen Namen nicht (T5). Auf dem Grat dann einfach Richtung Hauptgipfel - bis zu einer nächsten Spalte. Die kann mit einigem "Turnen" links absteigend gequert werden, doch der Schlussaufstieg und die Passage zum höchsten Punkt ist eine einzige Plage (T6).
 
Nun meinen Puristen, eine Schwierigkeitsbewertung dürfe nur die objektive Schwierigkeit berücksichtigen. Das ist blanker Quatsch. Es macht sehr wohl einen Unterschied, ob ich in einer sanft geneigten Blumenwiese ausrutsche oder hier, wo ich weiss, nach ein paar Metern kommen 200 m freier Fall. Ich gebe zu: Damit bewerte ich weniger die technische Schwierigkeit des Geländes als die Anforderungen, die es an den Begeher stellt.
 
Bei einer anscheinend eher akrobatischen Einlage ist mir die Kamera aus der Tasche gerutscht. Zwei Hüpfer und dann ein Sprung ins Leere. Um die Kamera tuts mir nicht gross leid, die war alt und hatte einige Macken. Aber die Bilder, die reuen mich echt. Und darum ists ein Text ohne aktuelle Bilder.
 
Nach viel Auf und Ab bei der Sucherei nach dem etwas weniger schlechten Weg endlich zurück beim Materialdepot und ab hier Umgehung der Sockel von Vorder und Hinter Schiben und anschliessenden Aufstieg zum Einsteig zur Hinter Schiben. Die Route hat Becks hier beschrieben.
Dazu habe ich nur diese Ergänzung: Der Schuttteil war leicht zu begehen, aber das Couloir zwischen Schutt und Grat ist derzeit völlig mit Schnee gefüllt. Mit Eisen hätte ich es versuchen können, aber die waren im Materialdepot auf 2900 m drunten. Also Rückzug unter Absingen hässlicher Lieder: Ich hätte das Gipfelbuch, in welchem ich 1994 den meines Wissens zweiten Eintrag überhaupt gemacht hatte, zu gern noch einmal gesehen.

Am oberen Ende des Limmerenfirns machte ein Cougar-Heli Landeübungen. Geübt muss werden, dafür hat man ja (gerade als Pilot) Verständnis. Aber diese Armee-Helis sind bestialisch laut, ein ziviler dürfte so gar nicht starten. Und der Krach wirkte dort oben nicht gerade motivationsverstärkend auf mich. 
 
Der Abstieg zum Limmernband war ereignislos, ausser dass man gut beraten ist, der unterschiedlichen Schneebedeckung des Firns einige Aufmerksamkeit zu schenken. Bemerkenswert sind die Aufschlagspuren der Steine auf dem Altschnee. Die sind für ein paar Stunden als blendend weisse Flecken oder Rinnen sichtbar, bevor sie verblassen. Und ich habe dutzende, wenn nicht hunderte solcher Spuren gekreuzt ..
 
Beim Aufsteig zum Limmernpass war ich nicht mehr mit alter Frische unterwegs. Mein Deo verspricht zwar "24 Stunden Frische", aber es hat mich wohl "im Stich gelassen" ;-)
 
In der Bifertenhütte gabs eine Suppe und ein erstes Bier, und beim "Alp-Automaten" auf Rubi Sura gleich noch eines. Dort habe ich mit dem Älpler und einem Passanten gequatscht, letzterer soll die Brigelser Wanderwege übernehmen. Was ich zum Anlass nahm, für eine Markierung des Aufstiegs über Fachas zur Hütte zu plädieren. Wo's durchgeht, sollte er wissen, er kam gerade da hoch ..
 
Beim Hinunterfahren habe ich eine Bäuerin mitgenommen. Sie erzählte mir, sie müsste beim Heuen unterbrechen, weil sie anschliessend nach Obersaxen zur Aufführung von Verdis Macbeth wolle. Soviel zu Hinterwäldlern in den Bergen!
 
Das ganze war ein eher grenzwertiges Unterfangen. Nachträglich gerechnet (inklusive Suchen bei den Routen) warens rund 2400 Höhenmeter, und allein die Luftlinie von Alp Quader bis Plattas Alvas sind über 8 km.
Wer allerdings noch nie vom Griessloch oder von einer der Schiben nach Sand hinunter geschaut hat, der weiss gar nicht, was steil heisst. Da ist zuerst einmal 1000 m einfach nichts! Und die Aussicht zu Tödi, Bifertenstock und -gletscher ist unvergleichlich.

Tourengänger: PStraub
Communities: T6


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Kommentare (3)


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justus hat gesagt: kamerawurf
Gesendet am 28. Juli 2012 um 09:02
eindruecklicher bericht aus einer einsammen gegend. schade, dass du auch dem in letzter zeit im glarnerland populaeren trend des kamerawurfs erlegen bist. (siehe Polder am dejenstock, meine cam am schilt) schade um die photos.

PStraub hat gesagt: RE:kamerawurf
Gesendet am 28. Juli 2012 um 14:20
Ja, das ist mittlerweile populär - scheint eine neue olympische Disziplin zu werden. Seufz ..

Becks hat gesagt:
Gesendet am 3. August 2012 um 22:45
Hui, der Hinter Schiben erfreut sich ja sensationeller Beliebtheit in der letzten Zeit :) Schade dass es nicht geklappt hat.

Wenigstens ist nun der Vorder Schiben einmal wieder bestiegen worden.


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