Der dumme Bahnhof!


Publiziert von Henrik , 27. Juli 2012 um 19:05.

Region: Welt » Schweiz » Tessin » Bellinzonese
Tour Datum:24 Juli 2012
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-TI 
Strecke:Mittagsmenü für 16 Franken inkl. Espresso
Zufahrt zum Ausgangspunkt:ÖV
Zufahrt zum Ankunftspunkt:ÖV
Kartennummer:GA 1 Klasse

... und wieder ist eine Bahnreise (als Tagesausflug) angesagt... steht zuhause auch noch ein Range Rover unter schattigen Linden auf der Allmend (huch...bei langer Standdauer gibt das eine ätzende Sauce für den Lack!). Nein, in den Süden mit dem Auto, nein und nochmals nein. Vorgesehen war auch früher Aufbruch – ich verschlief. So schleiche ich mich erst gegen 10 Uhr zum Bahnhof SBB, besorge mir noch Wasser und Salziges, ein paar Früchte und ab in den Pano-Waggon des IR mit Ziel Locarno.
 
... die Basler Zeitung(en) haben sich wieder aufgetürmt zu Hause auf dem Küchentisch und gelangen somit zur Lektüre. Bis Flüelen reicht der Lesestoff, dann summt der Kopf und draussen verlangt eigentlich die Landschaft nach Aufmerksamkeit. Und ich möchte ja keineswegs die besondere „Flucht“ bei Gurtnellen verpassen – ich sag’s mit einem kurzen Satz: man sieht kaum etwas, denn der Zug rauscht dort vorbei wie eh! In Göschenen hat sich aus dem Zug betrachtet nichts geändert, ist es doch einige Monate her, dass ich in „Special Mission“ hier vorbeigekommen bin.  Nach der 12-minütigen Fahrt durch den Gotthard ... weder ein wolkenloser Himmel, aber auch keine Anzeichen von Regen. Ein Mix. Auf Gleis 2 steht er kurz da, dann fährt er weiter, der Interregio, mit seinem Sammelsurium von Waggons. In Airolo suche ich ohne aufzusehen das Hotel des Alps gegenüber dem Bahnhof auf. Gerade kann ich noch einen Tisch im Halbschatten ergattern, es ist 13 Uhr und es herrscht ein wenig Hochbetrieb. Viele Militärs sitzen an andern Tischen – dies sei kurz erhellt, denn am Gotthard sitzt nach wie vor die Armee tief im Berg bzw. in den Anlagen zur Kaserne des Waffenplatz’ Airolo Caserma Bedrina.
 
... die Speisekarte ist ziemlich umfangreich, das Tagesmenu kann sich preislich sehen lassen: Pasta, ein alkoholfreies Getränk (3 DL)  und einen Espresso für 16 Franken! Da zögere ich nicht lange und schwups steht die Mahlzeit auf dem Tisch. Und schmeckt. Auf der Dorfstrasse rumpeln Lastzüge vorbei, stramme Wädlis auf High-Tech-Bikes, schwere Choppers ebenfalls und den Bahnhofsplatz queren unzählige Wanderer entweder als Einzelmasken oder in Gruppen. Auch drei Postbusse unterschiedlicher Grösse warten auf ihre nächsten Kurse. So z. B. zurück nach Airolo, oder via Nufenen nach Hospental und schliesslich nach Bellinzona, auf der Kantonsstrasse hinunter die Leventina.
 
... ich habe noch Post zu erledigen, stocke meine Wasservorräte auf im COOP. Es bleibt noch ein wenig Zeit, sich das „mittlere“ Gewusel am Bahnhof in Airolo anzusehen. Menschen, die warten oder solche, die Pläne studieren, ermattet auf Holzbänken sich ausruhen, eben auch jene, die sich einen Glimmstengel zwischen die Lippen schieben, solche, die kopfschüttelnd andere Zeitgenossen beobachten, ein junge Frau, die aus einem Porsche entsteigt, in High Heels und beinahe nackt ... und dann gab es noch den Rucksacktouristen mit Kind an der Hand, der offensichtlich genervt den Fahrplan suchte und ausrief: der dumme Bahnhof! Er lief an mir vorbei und ich bedeutete ihm, dass am Gleis 1 bei der Unterführung eine Tafel zu finden sei. Er war erstaunt, dass er nur wenige Meter davon entfernt daneben stand. Übrigens, die Schalter der SBB existieren tatsächlich nicht mehr – dafür zuständig ist das Tourismusbüro Leventina, seit 2 Jahren im Bahnhof untergebracht. Liebenswürdig. 


... ich begebe mich kurz vor 15 Uhr zum Poschti für nach Biasca, so mein mittlerweile entstandener Entschluss. Der Bus ist eigentlich leer, die paar Fahrgäste sind an einer Hand abzuzählen. Die steigen aus in Piotta bzw. Ambri. Danach folgt die Fahrt durch die Dazio Grande (gleichnamige Mautstelle der Urner am Eingang zum Wasserverlauf des Ticino), in weiten Serpentinen, etwas schneller als die Bahn erreicht er Faido, wo 5 Minuten Rauchpause eingelegt werden, natürlich auch für zusteigende Gäste, die mit der Bahn nach Faido gekommen sind.
 
... erstaunlicherweise  baut die SBB an Lärmschutzwänden entlang der Leventina-Strecke, in Ortsbereichen, nach fast 125 Jahren Bahngeschichte und baldiger Eröffnung der NEAT-Strecke. Wundersam.  Sie macht das auch noch optisch schön - unter Verwendung von Holz undHolcim (das ist der dazugehörige Zement dieser Firma für die Verankerungsbauten).  Zum Teil sogar zweireihig  und überschneidend wie eben z. B. in Faido. Sogar Glas kommt zur Anwendung. Eigentlich hätte hier ein Link dazu eingebaut werden sollen – ich bedaure, nichts gefunden zu haben.
 
... die Fahrt an der Biaschina ist jedes Mal ein Vergnügen, auch dann, wenn eine schleichende Militärfahrzeugkolonne dort überholt wird. Der kleine Briefkasten, den ich vor Jahren fotografiert habe, der eingelassen war in die Bausteinwand des letzten Gebäudes an der Strassen-Biaschina ist whs. von der Post entfernt worden – der Platz ist jetzt leer. Wer hätte dort noch eine Postkarte eingeworfen, wenn fast 100 Meter über ihm die Autobahn die vorherrschende Verkehrsflut aufnimmt.
 
... die nachfolgenden Ortschaften zwischen Biaschina und Biasca wirken staubig und strahlen noch etwas Glanz einer zunehmend vergänglichen Welt aus. Szenisch, bin ich versucht zu schreiben, und die hikr.s wissen nun auch was ich damit meine? Ein wenig Wild West in der Leventina.
 
... am Tunnelausgang Süd der NEAT werden die letzten Geleise verlegt. In vier Jahren soll die Achse eröffnet werden. Diesen werde ich nur gegen 100 000 Franken durchqueren wollen. In Biasca trifft sich die Welt in MultiColorLook.  Ich entsteige dem Treibhaus der Gelben Klasse und warte die 25 Minuten bis zur Weiterfahrt am Bahnhof Biasca, der jetzt um kurz nach 16 Uhr einen bunten Haufen unterschiedlicher wartender Reisender beherbergt. Wieder die strammen Wädlis und ihren Hochleistungs-Bikes, sehr müde und offenkundig erschöpfte Wandersleute, die am Perronboden sich niedergelassen haben und fast einzuschlafen wirken. Und dann die wohl einheimische Smartphone-Jugend, die ziemlich knackige Shorts tragen und dies provokativ zeigen.
 
... ich nehme die Bahn wieder hinauf zum Gotthard, lege eine Stunde Pause ein in Göschenen, um auch hier mich der Vergänglichkeit ein wenig nachdenklich zu widmen. Und beschliesse den Bus der Auto AG Uri zu nehmen, nach Erstfeld. Die Wunde bei Gurtnellen ist nur bruchstückhaft besser einzusehen. Dafür kommt man in den Genuss von Schweiss-„Bahnen“ und miefenden Strümpfen erschöpfter Berggänger, die in Gurtnellen bzw. Meitschligen zusteigen.
 
... ab Arth-Goldau sitze ich im ICN – meinem Komfortzug mit Ruhegarantie!  

Die Bilder, die ich sah, wollte ich prosaisch darstellen...insbesondere die modischen Artikel....kein Akkuproblem und auch keine lazarettähnlichen.




Tourengänger: Henrik


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Kommentare (4)


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CarpeDiem hat gesagt: Hattest du...
Gesendet am 27. Juli 2012 um 19:55
...auch Akkuprobleme ??

Henrik hat gesagt: RE:Hattest du...
Gesendet am 27. Juli 2012 um 19:59
Nein, keineswegs, die FinePix lag einfach im RS und es bestand ausnahmsweise kein Grund abzulichten.

Herzlich

Henrik

CarpeDiem hat gesagt: RE:Hattest du...
Gesendet am 27. Juli 2012 um 20:04
Macht nichts. Die High-Heels und anderen Hochleistungs-Bike sind so treffend beschrieben, dass man die Bilder vor sich sieht...

Herzlich, Anne-Catherine

bidi35 hat gesagt: bei deiner Beobachtungsgabe...
Gesendet am 27. Juli 2012 um 21:41
...solltest du anfangen zu filmen...das wäre sicher ein Hit!!!!

Liebi Grüess
Bidi


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