Plattspitze direkter Südgrat - großes Abenteuer über der Hochfeldner Alm


Publiziert von algi , 25. Juni 2012 um 11:28.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Wetterstein-Gebirge und Mieminger Kette
Tour Datum:24 Juni 2012
Wandern Schwierigkeit: T6- - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: IV (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A   D 
Zeitbedarf: 8:00
Aufstieg: 1500 m
Abstieg: 1900 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Parkplatz Ehrwalder Alm-Bahn

Der Tag fing heute schon mit einem Schrecken an: als der Wecker klingelte schaute ich auf die Uhr, und konnte meinen Augen nicht trauen, es war bereits 5:30 Uhr. Offensichtlich hatte ich beim Einstellen der Weckzeit vergessen die Speicher-Taste zu drücken. Soll ich lieber gleich liegen bleiben ? Immerhin warten bei dieser Tour ca. 3 Stunden Autofahrt bis Ehrwald, 1900 Hm und weit mehr als 1000 Klettermeter auf mich. Ich bin mal optimistisch, wenn der Autoverkehr störungsfrei läuft, dann probiere ich es, ansonsten mach ich eben eine leichte Wanderung. Die Ehrwalderalm-Bahn erspart mir beim Aufstieg die ersten 400 Hm, gero würde wohl sagen ich habe geschummelt, aber schließlich interessiert mich in erster Linie der direkte Südgrat und nicht eine Almwanderung.

Um 9:10 Uhr starte ich bei der Bergstation der Ehrwalderalm-Bahn, nach ca. 10 Min. verfolgt man einen breiten Fahrweg der westl. des Issentalköpfls emporführt, dort wo er nahezu waagrecht verläuft, wende ich mich scharf nach rechts und steige die Wiesen der Skipiste bis zum Köpfl hinauf. Es ist brütend heiß und der Schweiß rinnt mir in Strömen das Gesicht hinunter. Nun halte ich mich direkt an den scharfen Grat zu den Einstiegsfelsen hinauf, hier weht eine leichte Brise, die endlich Abkühlung bringt.

Die Einstiegsbereich weist eine hervorragende Felsqualität auf, alle paar Meter zieht eine Sportkletterroute nach oben, die nach max. 40 - 60 m an Umlenkhaken enden. Die Namen der Sportkletterrouten sind angeschrieben, nur wo ist der Einstieg zum Südgrat ? Anhand der Führerbeschreibung werde ich nicht wirklich schlau, also steige ich einfach ca. 20 - 30 m oberhalb des tiefsten Punktes des Südgrates, in einem schmalen Bereich ohne Sportkletterroute, ein. Dies ist bestimmt nicht der Originaleinstieg, aber ich komme gut voran und der Grad IV wird auf jeden Fall nicht überschritten. Nur einmal muss ich eine Sportkletterroute queren, sie führt über eine steile Platte hinauf, während ich mich im naheliegenden Riß nach oben arbeite.

Bald erreiche ich den großen Geröllfleck, wo sich das Gelände nun deutlich zurücklegt. Links oben sehe ich die große plattige Rinne, in der sogar eine Gams rumspringt, hier muss der normale Südgrat verlaufen. Für mich geht der Weg, knapp links der Grates, geradeaus weiter. Eine kleine plattige Rinne führt unter einen schwarzen Abbruch, der rechtshaltend umgangen wird.

Danach folgt ein plattiger, pfeilerartiger Steilaufschwung, den ich von der linken Seite her angehe. Nachfolgend wieder Gratkletterei die plötzlich von einer überhängenden Wandstufe unterbrochen wird, im Führer wird dies mit keinem Wort erwähnt. Ich sehe 2 Möglichkeiten, entweder versuchen nach links auszuweichen, wobei mir nicht klar ist, wie es danach weitergeht, oder ein schmales, abschüssiges Felsgesims, das 3 m unterhalb, parallel zu Gratschneide emporführt, ansteuern. Ich entscheide mich für Letzteres und eiere das Felsbändchen hinauf, diffizile Kletterei im unteren IV-ten Grad. Nach Erreichen des Grates geht es noch über einen Zacken rüber, dann stehe ich unterhalb der großen überhängenden Pfeilerkante.
Die ca. 100 m hohe Wand wird im unteren Teil von einem 80 m hohen Kamin durchzogen, in diesem Kamin vollzieht sich der Aufstieg. Im unteren Teil ist der Kamin eher rinnenartig ausgeprägt, nach oben hin wird er immer enger und ist mit etlichen Überhängen garniert. Die Kletterei ist nicht trivial und körpereinsatz-betont, gut dass ich schon Erfahrungen mit Kaminen dieser Güte gesammelt habe, ein Hallenkletterer würde hier wohl verzweifeln. Nach 70 m teilweise übler Rampferei habe ich die Schnauze aber auch gestrichen voll, rechts zieht ein Riß durch eine glatte Platte. Den probier ich jetzt einfach mal, Hauptsache raus aus diesem Höllenschlund. Nach dem Kamin folgt noch Riß und Verschneidungskletterei bis zum Grat, und nun kann ich die Gipfelwand einsehen.

Sieht beeindruckend brüchig aus, da bin ich mal gespannt, was da auf mich zukommt. Vorher müssen allerdings noch ein paar Zacken, die auf der Gratschneide stehen,  direkt überklettert werden. Naja, der erste Zacken ist gut 15 - 20 m hoch, und macht einen recht abweisenden Eindruck auf mich. Von der linken Seite kann ich mich in die Talseite des Zackens reinmogeln, und bis unter die "Krone" weiterklettern. Was ist das aber nun ? Links ein schmales Band unter einer überhängende Wand, das sich verliert, rechts eine steile, glatte Platte, dazwischen bilden die Platte und die überhängende Wand eine überhängende Kante. Eigentlich kommt nur die Kante für den Weiterweg in Frage, also los gehts.
Mittels eines Untergriffs kann ich oberhalb der Kante eine gute Leiste erreichen. Ich ziehe die zweite Hand zur Leiste nach, und hänge wie ein "Ratz am Pressack" an ihr, leider kann ich meine Füße nun nicht mehr sehen, und weitergreifen geht auch nicht, da hier sonst nur lose Blöcke rumliegen. Ich muss mit meinem rechten Fuß eine Leiste ca. 30 - 40 cm seitlich unter den Händen erreichen, ich versuche so eine Art Klimmzug und wuchte dem Fuß hinauf, der Körperschwerpunkt liegt aber immer noch im Überhang, also weiterziehen, mit dem linken Fuß nachschrappen, dann kann ich den rechten Fuß endlich belasten und mich über die Kante "rollen". Ohne Rucksack wäre das wohl ein netter Boulder gewesen, so habe ich mir hierbei eine Zerrung am rechten Oberarm zugezogen.

Zuletzt geht es noch über das ausgeprägte Riß-und Verschneidungssystem im linken Teil der Gipfelwand bis in leichtes Gelände hinauf. Die Felsqualität ist deutlich besser als ich es vermutet hätte. 10 m unter dem Gipfel reiße ich mir die engen Kletterpatschen von den Füßen, der Saum hat sich tief oberhalb der Fersen eingeschnitten, der Schmerz ist einfach nicht mehr auszuhalten.

Die Aussicht genießen und einen Schluck trinken, dann hänge ich noch die Überschreitung zur östl. Plattspitze ( III ) dran. Der Grat ist teilweise sehr brüchig und erfordert die ganze Aufmerksamkeit, trotzdem ist die im Führer angegebene Zeit mehr als reichlich. In 30 Min. stehe ich auf der östl. Plattspitze, hier finde ich sogar ein Gipfelbuch. Der letzte Eintrag ist vom 12.02.2011.

Das Wetter verschlechtert sich zusehends, und ich möchte auch "Land gewinnen", um Regenschauer zuvorzukommen. Wieder zurück bis in die tiefste Scharte zwischen öst. und mittl. Plattspitze, dort soll eine Rinne zum Platt hinabführen. Leider gibt es hier viele Scharten, und welche nun die Tiefste ist, fällt mir schwer zu beurteilen. Außerdem schauen sämtliche Rinnen die hier hinabziehen gleichermaßen besch... aus ( steil, schotterig und brüchig ). Also mach ich mich auf den Weg, und klettere die obersten 2/3 "meiner" Rinne auf allen Vieren hinunter, zuletzt als es etwas flacher wird, kann ich mich umdrehen und den Rest des Weges etwas schneller absolvieren. Endlich erreiche ich die Schneefelder des Ferners.

Ich fahre ab, bis ich unter den Felsen der östl. Plattspitze ich Richtung Gatterlköpfe rüberqueren kann. Mein Ziel ist die Scharte zwischen der Plattspitze und dem west. Gatterlkopf. Vom Ferner zieht ein steiler Plattenschuß hinauf. Glücklicherweise wird der Plattenschuß in der Mitte von einem Schrofenband durchzogen, dieses benutze ich für meinen Aufstieg, und komme kurze Zeit später mit mittlerweile schweren Beinen auf der Scharte an. Die 10 Min. Pause waren halt doch "a weng Weng", wie der Franke sagt.

Auf der anderen Seite geht es wieder direkt über Schrofen hinab, und ich kann die Ortskenntnis von der "Überschreitung der Gatterlköpfe" gut einsetzen um den einfachsten Weg zu finden. Nun würde ich sagen : T4.
Auf der Hochfeldernalm verdunstet ein Weißbier, und dann gehts gemütlich hinab nach Ehrwald.

Fazit: die Tour hat einen hohen Erlebniswert, die längeren schwierigen Passagen verleihen dem direkten Südgrat jedoch auch einen ernsten Charakter. Auf der gesamten Tour habe ich max 6 - 7 Haken gesichtet.

Viele Grüße
Albert

Tourengänger: algi


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Kommentare (12)


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83_Stefan hat gesagt:
Gesendet am 25. Juni 2012 um 12:03
Hallo Albert, da kann man nur gratulieren! Jedenfalls waren wir gestern gar nicht so weit voneinander entfernt unterwegs. Wenn nicht der Hochwanner dazwischen gestanden wäre, hätte ich dir fast zusehen können...

algi hat gesagt: RE:
Gesendet am 25. Juni 2012 um 16:19
Servus Stefan,

danke, ich hoffe, dass sich mein Oberarm bald wieder erholt. Momentan kann ich bestenfalls noch einen Kugelschreiber halten.
Hast du auch auch so ein super Tele wie winterbaer. Mit detaillierten Nah- und tollen Zoomaufnahmen sieht es mit meiner Kamera nicht so gut aus. Aber dafür ist sie recht handlich.

Liebe Grüße aus Franken
Albert

83_Stefan hat gesagt: RE:
Gesendet am 25. Juni 2012 um 18:53
Ich wünsche dir gute Genesung! So wie ich dich einschätze, bist du aber am kommenden Wochenende bestimmt schon wieder "auf Tour".
Nein, ich habe nur eine Digicam der billigsten Sorte. Für meine Zwecke ist sie aber ganz brauchbar und sie macht auch gute Fotos. Du hast schon recht: bei uns ist's wichtig, dass die Kamera in erster Linie handlich ist.

Wechselnd bewölkte Grüße vom Kochelsee!

Winterbaer hat gesagt: RE:
Gesendet am 26. Juni 2012 um 01:08
Deine DMC TZ 10 ist doch eine super Kamera mit einem Leica Objektiv, die macht doch Spitzen-Fotos. Sollte auch gut Nahaufnahmen schaffen? Meine Superzoom wiegt fast 600g und geht mir schon auch beizeiten vor dem Bauch im Weg um. Bei Deiner Kletterei bestimmt nicht empfehlenswert?
Ich mach Dir die Felsen-Zooms und Du kletterst dann da drin, oder?
:-)

Viele Grüße
Uschi

algi hat gesagt: RE:
Gesendet am 26. Juni 2012 um 08:04
Stimmt, aus der Kamera könnte ich wohl viel mehr rausholen. Aber dafür müßte ich mich mal mit den manuellen Einstellungsmöglichkeiten beschäftigen, und nicht nur immer im Automatikbetrieb mal schnell einen Schnappschuß machen.

Aber dein Vorschlag ist auch nicht übel, darauf können wir uns gerne verständigen.

VG
Albert

kardirk hat gesagt:
Gesendet am 25. Juni 2012 um 16:29
Ein echter Algi,

Respekt und Gratulation zu dieser Tour - da bleibt einem nur das Staunen.

Viele Grüße aus München
Dirk

algi hat gesagt: RE:
Gesendet am 25. Juni 2012 um 16:52
Danke Dirk,

die Tour hat nicht mehr viel mit Plaisierklettern gemeinsam. Da geht es schon ins Eingemachte.

Viele Grüße aus Schnaittach
Albert

Winterbaer hat gesagt:
Gesendet am 26. Juni 2012 um 00:35
Hi Albert!
Deine arme Frau:-) Wenn ich mit Dir verheiratet wäre, würde ich 1000 Tode sterben. wenn Du nur in`s Auto Richtung Berge steigst! Vielleicht hat sie Dir ja den Wecker verstellt:-)

Pass auf Dich auf und für den Arm ganz vorsichtiges, leichtes Dehnen mit Muskelmassage..oder? Und beim Tierarzt (das ist jetzt kein Witz!) gibt`s ein Einreibemittel für Pferde etc. (Tensolvet), das fördert die Durchblutung, ist gut gegen Sehnenreizungen....Wenn es ein Muskelfaserriss ist, dann lieber Schonung...???
Aber wenn ich`s mir so überleg, groß ist ja der Unterschied nicht zwischen Algi und einem Bergpferd:-) Spaß beiseite ich nehm das auch oft gegen Sehnen- und Muskelschmerzen!


Alles Gute:-)
Uschi

83_Stefan hat gesagt: RE:
Gesendet am 26. Juni 2012 um 08:05
Der algi ist doch kein Pferd - "da gibt's doch sicher auch was von ratio..." ;-) - gute Preise, gute Besserung ;-) !

Winterbaer hat gesagt: RE:
Gesendet am 26. Juni 2012 um 08:19
Der algi ist klettermäßig schon was Besonderes! Allein schon, was der "kann" aber dann noch viel schlimmer, was er sich "traut"! Kommt schon an ein "Kletterpferd" hin:-)
Und das Zeug vom Tierarzt ist echt super, hat mir sogar auch mal eine "Menschen-Physiotherapeutin" empfohlen. Ich hab das schon öfter gebraucht im Sport. Vergleichsweise auch gar nicht mal so teuer. Wenn nix anderes hilft, kann man es ja mal ausprobieren. Enthält Heparin, das fördert lokal die Durchblutung.

algi hat gesagt: RE:
Gesendet am 26. Juni 2012 um 08:14
Hi Uschi,

das Thema "Frauen" möchte ich an dieser Stelle nicht weiter vertiefen, der Rest wird schon wieder werden, sonst vertreib ich mir die Zeit halt am Baggersee. Kommendes Wochenende soll es ja 30 Grad warm werden :-))
Liebe Grüße
Albert

Winterbaer hat gesagt: RE:
Gesendet am 26. Juni 2012 um 08:23
Armer Albert, am Baggersee herumliegen hält ja nicht mal der Winterbaer aus:-(
Ist es heute schon besser oder am Morgen ganz schlimm und dann wird`s langsam? So könnte ich es mir vorstellen. Auf jeden Fall drück ich Dir die Daumen, dass Du bald wieder los kannst in die Berge. Ganz so gefährlich muss es ja vielleicht nicht immer sein?

Viele Grüße und alles Gute
Uschi


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