Unbekannte Pfade auf den Risetestock


Publiziert von Tobi , 23. Juni 2011 um 21:50.

Region: Welt » Schweiz » Luzern
Tour Datum:25 Mai 2011
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: Pilatusgebiet   CH-LU   CH-OW 
Zeitbedarf: 4:30
Aufstieg: 1000 m
Abstieg: 1000 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Gfellen
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Gfellen
Kartennummer:1169 Schüpfheim

Der Risetestock fristet gemessen an der Besucherfrequenz der anderen Pilatusgipfel ein Mauerblümchen-Dasein. Ohne Steinmann, Gipfelkreuz und –buch markiert er für viele nur das unspektakuläre Ende der Pilatuskette. Auch bei meiner heutigen kurzen Nachmittagstour stellt er nicht das eigentliche Hauptziel dar. Wieder einmal mehr soll der Weg das Ziel sein, genauer gesagt viele unbekannte Wege...

Um zwei Uhr nachmittags starte ich in Gfellen (1016m). Mein Interesse gilt als erstes dem Tosse, der von hier als nicht zu übersehender Felsklotz über dem Tal thront. Ob sich diese Felsbastion in der direkten Linie erobern lässt? Nach der Kapelle bei Brüedere (1079m) steige ich zum Hain hoch, hinter dem ein Pfad zur Ällegg hoch führt. Nach dem ersten Stacheldraht steche ich jedoch direkt in der Falllinie nach oben. Steil geht es im Wald aufwärts, vorbei an merkwürdigen Eisenstangen. Wohl rostende Zeugen vergangener Zeiten, als man sich noch mit Stacheldraht-Barrieren gegen den Feind wehren konnte.
 
Auf etwa 1330m zeichnet sich ein deutlicher Sporn ab, welcher in angenehmer Kraxelei (T4-T5) erobert wird. Die Gegend hier ist ziemlich wild. In nördlicher Richtung erregt die mächtige Wand eines Felsbugs meine Aufmerksamkeit. Auf 1360m quere ich durch einen grossen Kessel zu diesem Felsklotz hinüber, der sich von Osten einfach besteigen lässt. Die Karte verschweigt die Existenz dieser bewaldeten Aussichtskanzel.

Im steilen felsdurchsetzten Wald geht es weiter aufwärts, bis ich vor der rund dreissig Meter hohen Wand des Tosse stehe. Eine auf dem Weg nach Brüedere im Zoom der Kamera ausgemachte mögliche Route zur direkten Besteigung erweist sich vor Ort als Kamikazeroute. Mit Seilsicherung könnte man sich eventuell daran wagen. Mit Seilsicherung gäbe es da aber auch eine „offiziellere“ Route, welche gemäss einer Beschriftung auf dem Felsen auf den Namen „Bratwurst“ getauft wurde. Bohrhaken sind vorhanden, ebenso Holzbänke und Tische für die gemütliche Stärkung vor der Kletterei.
 
Meine grösste Hoffnung auf eine geeignete Schwachstelle zum direkten Sturm auf den Tosse ist die auf der Karte verzeichnete Rinne. In Natura ist es ein Kessel, der über ziemlich viele grasige Abschnitte verfügt. Eine mögliche Route kann ich zwar ausmachen, doch trotz mehreren Anläufen kann ich mit meinen Bescheidenen Kletterfähigkeiten die knapp zwei Meter zum Grasband nicht überwinden. Ich verzichte auf weitere riskantere Versuche, da ich von unten nicht erkennen kann, ob der weitere Verlauf meiner geplanten Route überhaupt zum Ziel führen würde. So folge ich der Felswand nach Süden, bis ich auf den Pfad zwischen den Alpen Ällegg und Tosse stosse. Auf diesem Weg kann die Felswand in einem komfortablen grasigen Kessel mühelos überwunden werden. Der restliche Aufstieg zum höchsten Punkt des Tosse (1527.9m) ist dann reine Formsache.

Vom Sattel mit Kreuz folge ich dem Bergweg und treffe bei Pt 1340 auf den Eibach. Davor wird noch kurz die militärische Anlage inspiziert. Die gegenüberliegende Schiessscharte thront hoch oben im Fels. Der Eingang (mit Eisengitter) befindet sich quasi auf der Rückseite und ist über einen gut erkennbaren aber kiesig-rutschigen Pfad bald erreicht. Im Unterstand sind die Bettgestelle immer noch vorhanden.
 
Ich wandere nun weiter direkt unter der imposanten Felswand entlang. Leichte Pfadspuren sind zu erkennen, womöglich aber nur vom Wild. Die Wegfindung ist aber einfach, rechts muss einfach immer eine Felswand sein. Unter dieser Wand staut sich die Hitze gewaltig. Dies wird mir noch deutlicher bewusst, als ich auf etwa 1500 auf einer schmalen, wie dafür geschaffenen, Felsrampe auf den Grat wechsle. Hier oben ist es bei leichtem Wind geradezu angenehm kühl. Der Grat hier oben ist wie ein Igel gespickt mit Eisenstangen, auch da ist wohl mal Stacheldraht dran gehangen. Heute erleichtern sie mir die Kraxelei. Nach einem kurzen Intermezzo auf dem Grat wechsle ich vor einem markanten Felsbug wieder unter die Felswand.

Im Sattel westlich des Risetestock kann ich endlich wieder etwas die Aussicht geniessen. Hier ist mir wieder ein Relikt aus alten Tagen beim Aufstieg auf den Risetestock (1759m) behilflich. Diese Leiter Eisenbügel ist mir bei meiner Pilatusüberschreitung schon aufgefallen und Felix hat sich auch schon gefragt, was es sich damit wohl auf sich hat. Da ich unter der Felswand auf nicht allzu deutliche Pfadspuren gestossen bin, nehme ich an, dass dieses Eisen im Felsen nur zum Abstieg auf den östlichen „Vorgipfel“ dient. Oder gibt es von dort noch weitere unbekannte Pfade?

Auch für den Abstieg vom Risetestock wähle ich eine weglose Variante. Ich halte mich nun an den Grat und steige direkt nach Süden ab. Es sind zwar Pfadspuren zu erkennen, diese stammen aber wohl eher von Hufen den Schuhen. Das Gelände wird zunehmend steiler, da ich aber nie wirklich zögere oder leer Schlucken muss, wird es um ein T5 herum sein. Auch kurze Kraxelstellen (II) sind zu meistern. Schon bald stehe ich auf dem markanten Felsturm hoch über dem Eibach. Von hier finde ich in östlicher Richtung gerade auf Anhieb eine einfache Route mit nur einer kurze Kletterpassage (ca. 3m II) zurück auf den Bergweg. In diese Felspassage ist dem Anschein nach ein kleiner Klettergarten installiert. Auf dem rot-weiss markierten Weg geht es nun zurück via Mittlisthütte (1230) zum Auto in Gfellen.


Fazit: Eine kurze aber intensive Trainings-Tour in meist wildem Gelände. Meine Neugier bezüglich der Eisenbügel am Risetestock wurde gestillt. Doch leider konnte ich nicht wirklich unbekannt Pfade entdecken, da meine Route meist weglos war.

Tourengänger: Tobi


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen


Kommentare (4)


Kommentar hinzufügen

Felix hat gesagt: ich danke dir, Tobi ...
Gesendet am 24. Juni 2011 um 11:22
für die Infos und den präzisen, neugierig machenden, tollen Bericht!

lg Felix

Tobi hat gesagt: RE:ich danke dir, Tobi ...
Gesendet am 28. Juni 2011 um 13:24
Vielen Dank für dein Lob.
Es freut mich zu lesen, dass ich dir mit meinen Schilderungen etwas zurückgeben konnte. So kann ich mich für deine unzähligen gelungenen und informativen Berichte revanchieren, aus denen ich schon oft Inspirationen für meine Unternehmungen entnehmen durfte. Und ebenso viele deiner Beschreibungen warten in meiner Wunschliste noch auf eine Begehung...

Gruss Tobi

Felix hat gesagt: RE: ich danke dir, Tobi ...
Gesendet am 24. November 2012 um 06:59
... und nun haben wir's geschafft: gestern sind wir deiner Route ("rechts muss immer eine Felswand sein" und über die Sprossen) auf den Risetestock gefolgt; es war teilweise etwas feucht-rutschig, doch das Ambiente unter den Felsen beeindruckend!
Dein Beschrieb war sehr hilfreich - und das Erlebnis grossartig; nochmals herzlichen Dank.
Unser Bericht folgt etwas später ...

lg Felix

Tobi hat gesagt: RE: ich danke dir, Tobi ...
Gesendet am 24. November 2012 um 17:54
Gern geschehen! Da bin ich aber gespannt auf den Bericht...

Ich wünsche euch weiterhin unfallfreie Touren und schöne Bergmomente,

Gruss Tobi


Kommentar hinzufügen»