Hasenöhrl - L' Orecchia di Lepre (3256m)


Publiziert von bergchaot , 7. Juni 2007 um 20:06.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 10:00
Aufstieg: 1350 m
Abstieg: 1350 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von Meran nach Lana, dort in's Ultental abbiegen Richtung St. Pankraz. Beim großen Zoggler-Staussee Richtung Schwemmalm abbiegen und immer weiter bis zur Kuppelwieser Alm, dort parken.
Kartennummer:Kompass Wanderkarte 72

Für mich der Berg der Berge, der Schicksalberg schlechthin: hier hat alles angefangen, mein erster "richtiger" Berg, dazu noch mein erster 3000er und von diesem Tag an haben mich die Berge einfach nicht mehr losgelassen...

Begonnen hatte alles an einem heißen Sommerabend in Südtirol: wir sitzen auf der Terasse und trinken gemütlich eine Flasche Rotwein. Da erzählt uns ein älteres Ehepaar, dass sie heute das Hasenöhrl gemacht hätten, einen 3000er in der Ortlergruppe. Auf die Nachfrage, wie schwierig das sei, sagte sie: "ich hatte nur Sandalen an und mein Mann ist auch nicht mehr der jüngste, das schafft ihr auch, in 4 Stunden seit ihr oben". Zwei andere Pensionsgäste haben unser Gespräch mitbekommen, sind spontan mit dabei und so starteten wir am nächsten Morgen zu viert.

Ausgestattet mit einer Jeanshose, seltsamen Adidas-Schuhen (eine komische Mischung aus Turnschuh und Bergstiefel) sowie einem Werbegeschenk-Rucksack aus Taiwan geht's los. Im Rucksack waren eine Nylonjacke (weder wind- noch wasserdicht), 4 Liter Wasser und ein Fotoapparat, sonst nichts...

Mit dem Auto fahren wir durchs Ultental nach St. Walburg, dann Richtung Schwemmalm und hoch bis zur Kuppelwieser-Alm, wo wir parken (Anmerkung: die Straße ist inzwischen recht schlecht). Es ist noch etwas neblig und über eine Almwiese geht's nach oben. Irgendwann sehe ich an einem namenlosen Berg einen Steinmann und denke, das ist das Gipfelkreuz. Ganz lässig sage ich: "von wegen 4 Stunden, in 2 Stunden sind wir da oben!". Stimmt, nach 2 Stunden waren wir auch an besagter Stelle, nur um dann festzustellen, dass das eigentliche Gipfelkreuz am Ende eines großen Gletschers weit entfernt am Horizont zu erkennen ist und der Weg dort hin ein ziemlich bröckeliger Grat ist!

Eigentlich waren wir alle schon ausgepowert, aber umdrehen wollte natürlich keiner, jeder hat den starken Mann gespielt. Geröllfelder wechselten sich mit steilen Aufschwüngen und übler Blockkletterei ab, nur langsam ging's voran. Als wir an der Blauen Schneid auf 2915m ankommen, sind wir schon ziemlich k.o., aber weiter geht's. Und plötzlich taucht wie aus dem Nichts ein Südtiroler auf, den wir fragen, wie lang es noch zum Gipfel ist. Er meint: "a hoalbe Stundn, aber wenn i euch anschau, brauchts oane Stund länger", und weg war er. Die Kletterei am Grat wird immer wilder, nun kommen auch noch Steilabbrüche dazu, gesichert nur mit einer rostigen alten Kette und am Schluß geht's - natürlich ohne Steigeisen - noch ein Stück über den Kuppelwies-Gletscher.

Nach ca. 6 Stunden erreichen wird total fertig und am Ende aller Kräfte den Gipfel. Unser Südtiroler machte gerade Rast und gibt eine Runde Schnaps aus, danach erzählte er Geschichten wie "letzte Woche ist einer an der Zufrittspitze abgestürzt" und "vor zwei Wochen sind mehrere an der Hinteren Eggenspitze umgekommen" usw., hat uns natürlich voll aufgebaut...

Nach einer kurzen Rast traten wir völlig ausgelaugt den Rückweg an, der sich in unserem Zustand natürlich endlos hinzog. Ab der Blauen Schneid war meine Motivation auf Null gesunken (passiert mir bei Abstiegen des öfteren) und unter Verwünschungen skandierte ich, dass ich "niemals mehr in die Berge gehen" werde und nächstes Jahr "mit einer Kiste Bier auf der Terasse" Urlaub mache  - was natürlich nicht der Fall war, schon im nächsten Jahr waren wir wieder in Südtirol :-)

Das Ehepaar hatte uns ja verladen wollen und nie gedacht, dass wir oben ankommen. Sie waren fassungslos, als wir ihren Spruch aus dem Gipfelbuch rezitierten, den sie am Tag zuvor reingeschrieben hatten!

Seitdem bin ich immer wieder auf diesen Berg zurückgekehrt, daher stammen die Bilder von 2004 (Farbe) und 2005 (Schwarzweiß), lediglich das Gipfelfoto ist noch orginal von meiner Erstbesteigung - eingescannt von einem verblichenen Dia-Großprint.

Tourengänger: bergchaot


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Kommentare (3)


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Taka hat gesagt: Spitze
Gesendet am 8. Juni 2007 um 12:54
Hab mich köstlich amüsiert!Gut geschrieben:-)

Gruss
Taka

Sputnik Pro hat gesagt: Lustiger Bericht...
Gesendet am 8. Juni 2007 um 18:16
...erinnert mich fast ein wenig als ich einen Arbeitskollegen auf seinen ersten 4000er mitnahm! 3000er hat er übrigens zuvor noch keine bestiegen! :-) Dank seiner sporlichen Fitness war es aber für ihn konditionell kein Problem gewesen...

Siehe Foto: http://www.hikr.org/gallery/photo6415.html?post_id=1118

Gruss Andrej

Anna hat gesagt: Toll
Gesendet am 9. Juni 2007 um 21:00
Toller Bericht, hat mir auch amüsiert!

...und erinnert meine ersten Touren: Abstiegen war für mich immer sehr schwierig :-)

Ciao
Anna


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