Cresta dei Lenzuoli inkl. Gridone 2188m
|
||||||||||||||||||||||||||||
![]() |
![]() |
Lenzuoli-Grat - Abenteuerspass par Excellance hoch über dem Lago Maggiore
Die Gegend rund um den Gridone / M. Limidario 2188m mit der am aussichtsreichsten platzierten Hütte Rif. Al Legn hoch über dem Lago Maggiore ist für mich immer wieder einen Besuch wert und gehört in meinen Augen zu den schönsten Flecken in der Schweiz. Dann vorallem, wenn ein leichter Nordföhn bläst und so eine Fernsicht bis in die Po-Ebene garantiert und ein angenehmes "Betriebsklima" bietet. Viele Gipfel in dieser Gegend sind durch markierte Wanderwege erreichbar, weshalb vorallem Gridone und Fumadiga stets gut besucht sind. Wer aber gerne einsam und anspruchsvoll über schmale Grate, steile Grashänge und ein paar ausgesetzte Klettereien sein Gipfelziel erreichen möchte, dem sei der Lenzuoli-Grat / Cresta dei Lenzuoli empfohlen (siehe noch Bemerkungen am Schluss des Berichtes). Und wer noch Lust und Zeit hat, der sollte auch gleich noch den Gridone 2188m anhängen und danach selbstverständlich noch kurz im Rif. Al Legn 1785m auf einen Drink einkehren.
Im Oktober 2008 besuchten
ironknee und
Zaza den Lenzuoli-Grat und seither stand dieses Tourenziel hoch oben in meiner Projektliste. Mit dem dazugehörenden Bericht liefert
ironknee eine hervorragende "Gebrauchsanweisung", welche während meiner Tour auch sehr hilfreich war. Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche und unvergessliche Lenzuoli-Gratüberschreitung ist beständiges, schönes, warmes und trockenes Wetter (mit Vorteil Nordföhn) sowie eine gehörige Portion mentaler Stärke und ein bisschen Mut kann im T5- / T6-Terrain sicher nie schaden.
Der Wetterbericht verspricht ein Traumwochenende im Mittel- und Südtessin, angereichert mit Nordföhn und grenzenlosem Sonnenschein. Weil es am Freitag noch ein paar Tropfen Regen gegeben hatte, entscheide ich mich, den Samstag mit meinem zweiten Hobby, dem Windsurfen, in Cannobio zu verbringen. Nordföhn von morgens bis abends und warme Wassertemperaturen bescheren mir über 5h reine Windsurfzeit - die selbstgekochte Pasta in meinem Campingbus schmeckt danach um ein Vielfaches besser wie sonst üblich. Am Abend dann fahre ich via Brissago hoch zum morgigen Ausgangs- und Zielort Cavallascio - hier führt eine sehr schmale Bergstrasse auf knappe 1000m und endet bei P. 955 oberhalb von Alba Nova. Kurz vor Erreichen des Park- und Schlafplatzes gibt es einen lauten Knall im Hinterreifen und ich mutiere kurzerhand vom Bürolist zum Automechaniker (meine schwarzen Hände sahen auf jeden Fall ziemlich profimässig aus...). Gut wer ein Ersatzreifen bei sich hat, weniger gut wenn der soeben geplatzte Reifen erst wenige Kilometer alt ist, ganz gut wenn man eine Reifengarantie hat (hurra!), überhaupt nicht gut wenn der Automechaniker einem später verkündet, dass zusätzlich die Autobatterie ein Leck hat und Schwefelsäure austritt (und somit eigentlich die Karosse mir jeden Moment um die Ohren hätte fliegen können...).
Mit der letzten Abendröte und einer offenen Heckraum-Klappe eingeschlafen, mit den ersten Sonnenstrahlen wieder aufgewacht - wenn's doch nur immer so schön wär. Abmarsch bei Cavallascio 955m um 07.15 Uhr, dem Wegweiser Alpe die Naccio (2 1/4h, irgendwas stimmt da nicht, hab die Alp nach zügigen 45min erreicht...) folgend, über einen typisch Tessin hervorragend erstellten Wanderweg hoch zur Alpe di Naccio und dort ein kurzer Schwatz mit einem Einheimischen, welcher ebenso die "Cresta dei Lenzuoli" schon begangen hat. Immer wieder interessant, wenn zwei nicht die selbe Sprache sprechen und dennoch mehrere Minuten über das gleiche Thema diskutieren können :-) Dem Wegweiser nach (bei der Vergabelung den rechten Weg nehmen) hoch zum Pizzo Leone 1659m - Aussichtsberg für viele Tagestouristen.
Vom Pizzo Leone absteigend zum P. 1570 mache ich - trotz Hinweis im Tourenbericht - den Fehler, dass ich dem gut ausgebauten Pfad folge und so weiterhin Höhe vernichte. Achtung, wie im Bericht von
ironknee beschrieben - unbedingt bei P. 1570 weglos auf den Gratrücken steigen und so eine Direktbegehung von P. 1643 anstreben. Ich wühle mich währenddessen durch wild wachsende Alpenrosen-Büsche, greife alle paar Minuten wieder in irgendwelche stachligen Dinger und warte nur darauf, irgendwann auch noch von einer Schlage zu Tode gebissen zu werden... Ohne Schlangenbiss, aber mit zahlreichen Kampfspuren an den Beinen erreiche auch ich den Grat, welcher anfänglich noch horizontal, später dann wie in einem Kamin steil hoch zum P. Ometto 1846m hochführt. Ein verrosteter Draht hilft über alle ausgesetzten Passagen darüber hinweg und dient auch im Aufstieg mindestens als gute Wegweisung. Richtig reinhängen würde ich mich aber keinesfalls, den Belastungstest würde dieser wohl kaum bestehen.
Ausgesetzt geht es weiter zum P. 1878, wo der Grat in eine tiefe Scharte abbricht. Vor einem versperrt ein mächtiger Felszahn den Weiterweg - hier also nun muss die berüchtigte Schlüsselstelle (T6 / III-) sein. Diese findet man, in dem man ein paar Meter nach rechts (Westen) im einfachen Gehgelände absteigt (schwache Pfadspuren) und dann nach links schaut. Hier führt tatsächlich ein schmales, manchmal abschüssiges Band zu der erwähnten mässig steilen Platte, welche dann aber meiner Meinung nach nicht mehr wirklich ein Problem ist. Schwieriger finde ich das erwähnte Band, steht man hier doch sehr ausgesetzt mit einigen Metern Luft unter dem Füddli mitten "im Seich", doch ich kann trösten - wer einmal den ersten Schritt platziert, der wird besser als man denkt die folgenden Schritte setzen können und wenige Sekunden später steht man auch schon bei der Platte. Diese könnte man im Notfall sogar hinunterrutschen, die Höhe sollte keine grösseren Schäden anrichten. Doch soweit muss es nicht kommen, hat es doch immer wieder kleine Unebenheiten, manchmal sogar kleine Tritte und Griffe (Spreizschritt hilft!) und schon steht man wieder auf sicherem Boden. Sichern könnte man hier übrigens nicht - ganz klar Augen zu und durch.
Es geht dann auf einem gut begehbaren breiten Grasband (siehe auch Foto) am Wandfuss entlang weiter und wo es wieder die Möglichkeit gibt aufzusteigen, sollte man dies auch tun, um bald wieder den Grat zu erreichen. Alpenrosen, Felsstufen und sonstiges Gestrüpp tun hier gute Dienste.
Wieder gibt es ein paar Balanceübungen, Gehstöcke können auch hier nicht schaden. Man erreicht eine weitere Scharte und steht vor einem fast geraden steilen Felsaufbau, aus welchem kleine Wurzeln und ein paar Bäumchen spriessen. Das Gestein ist lose, links und rechts geht es steil hinunter... Ich weiss nicht, ob ich den richtigen Weg genommen habe, auf jeden Fall erschien es für mich als der einfachste und auch logischste. In der Scharte stehend gibt es wie ein steiler Durchgang direkt über einem (ohne Felskontakt). Ein markanter Ast wird später die Rettung sein. Es gilt nun, über das brüchige Gelände steil aufzusteigen, Grasbüschel, loses Gestein, Jungwuchs - einfach alles sollte man hier gefühlsvoll in die Hände nehmen und so richtung Ast aufsteigen. Dieser ist dann auch genügend dick (und ausnahmsweise mal nicht morsch), um den nächsten kräftigen Kletterzug anzusetzen und ist dieser getan, steht man wieder mitten im Dickicht - dann jedoch wieder auf sicherem Terrain und kann wieder aufrecht zum Pizzo Fedora 1908m weitersteigen.
Die Verschnaufpausen mehren sich langsam und auch der Getränkehaushalt hat schon bessere Zeiten erlebt. Weit ist es aber nicht mehr, Durchhalten ist angesagt. Wieder in einfacherem Gelände geht es weiter zum Mottone 1968m, wo ich eine besonders eindrückliche Begegnung mache: Vor mir steht ein braun gebrannter und am ganzen Körper tätowierter "Spiritueller" (das sah man schon von weitem), gekleidet mit nur einer Shorts sowie Flip Flops an den Füssen. Wir unterhalten uns lange und ich erfahre, dass er einer spirituellen Glaubensgemeinschaft angehört, dank Sponsoren und sonstigen Gutschriften sowie Selbstversorgung praktisch kostenlos auf einer von einem Spender geschenkten Alp lebt und schon mehrmals in Indien war - mindestens einmal sogar hat er die gesamte Strecke mit dem Fahrrad zurückgelegt. Seine einsamen Reisen führten ihn in den Himalaya und andere Kraftorte und ich spüre gut aus ihm heraus, dass er wahrscheinlich genau dort die Energie holt, welche er hier zum Leben benötigt. Auf jeden Fall hinterlässt er einen absolut zufriedenen, reinen und glücklichen Eindruck - und für mich natürlich wegen seinem bescheidenen Schuhwerk auch ein wenig ein sonderbarer Eindruck - und ich muss gestehen, dass ich mein Leben nie und nimmer tauschen möchte, aber einmal als Adler diese Sippschaft und ihr Leben aus der Luft beobachten zu können, das wär irgendwie schon noch spannend... Ein Name will er mir nicht verraten, denn auf seine stolzen Taten (Indien per Fahrrad, etc.) ansprechend meint er nur, dass dies ja schliesslich auch viele andere Leute machen - nichts besonderes also...
Vom Gipfel des Mottone geht man nochmals 15 Meter zurück (rote Wegmarkierung) und steigt dann in die östliche (in Ziel-Laufrichtung linke Seite) steile Grasflanke ab. Trockene Bedingungen sind hier klar von Vorteil. Man kann nun den schwachen roten Markierungen folgen (ab jetzt vielleicht frisch markiert...) und erreicht so eine erste Scharte. Hier noch NICHT rechts absteigen, sondern den roten Markierungen nach über den Felsaufbau hochklettern (II) und erst jetzt erscheint eine zweite Scharte, wo man steil, ebenfalls markiert, nach rechts über schuttiges Gelände ein paar Höhenmeter vernichtet. Es geht dann wieder links "in die Büsche", gute Pfadspuren sind nun ersichtlich. Eine Hilfskette liegt ausgerissen am Boden - hier bräuchte es sowieso keine. Man umgeht dann ein Felssporn rechtsherum und steigt dann an dessen rechten Seite wieder steil hoch (Pfadspuren, Ketten, Markierungen). Dann noch ein paar Meter und schon passiert man den grossen markanten Steinmann, welcher zum Gipfel des Fumadiga 2010m (mit lotterigem Holz-Gipfelkreuz) weist. Jetzt, nach exakt 4h reiner Marschzeit, ist sie vollbracht - die Überschreitung der Cresta dei Lenzuoli darf man nun ins Palmarés übertragen.
Ich geniesse hier eine lange Essens- und Genusspause, kann mich am tiefblauen Lago Maggiore einfach nicht satt sehen. Das Wetter ist nachwievor traumhaft schön, der sanfte Nordföhn bläst genau in der richtigen Stärke, sodass man nie zu heiss hat. Im Hintergrund frohlockt aber ständig der von mir bereits 2 Mal bestiegene Gridone 2188m, den ich heute aufgrund der bisherigen Leistung eigentlich auslassen möchte. Und doch... Weit ist's ja nicht mehr, aus früheren Besteigungen weiss ich, dass ein paar Meter unterhalb des Fumadiga auf dem Wegweiser 45min angegeben sind... Der Nachmittag ist noch jung, die Zeitrechnung lässt es zu, die Füsse frage ich schon gar nicht erst... Also auf und in sehr zügigen 30 Minuten dem markierten Wanderweg entlang via Btta di Valle zum Gipfel des Gridone / M. Limidario 2188m. Hier geniesse ich nochmals die Aussicht in die Walliser 4000er-Welt, ebenso auch den Blick in die Po-Ebene und natürlich erneut den traumhaft schönen Tiefblick auf den Lago Maggiore. Auch hier wieder ein sympathisches Gespräch mit einem Bündner-Ehepaar, welche froh wären, ihre Kinder gingen ebenso gerne in die Berge wie sie selbst. Ich vertröste die Eltern mit der eigenen Erfahrung, dass die Kinder schon noch (wieder) in das Berg-Alter kommen - vermutlich ab ca. 30 Jahre... :-)
Vom Gridone steige ich den selben Weg hinunter zur Btta di Valle und von dort folge ich dem Wanderweg zum Rif. Al Legn 1785m - meine wie bereits eingangs erwähnte Lieblingshütte weit und breit. Diese ist heuer sogar bewartet, ein Deutscher Hüttenwart kocht gerade eine unglaublich fein duftende Mahlzeit. Es können Getränke wie auch Speisen konsumiert werden - hier kann ich natürlich nicht widerstehen. Die Aussicht - ich muss mich wiederholen - einfach grandios. Hier hat es übrigens auch Toiletten und quellfrisches Trinkwasser, welches man unbesorgt trinken kann.
Ungern verlasse ich die Hütte, doch zum nächsten Etappenziel Mergugno (bzw. ein paar Meter oberhalb davon) werden 1h 20min prognostiziert - ich erreiche den Ort bereits nach 45min (Somit verlängere ich die Jahresmitgliedschaft bei meinem Orthopäden...). Noch weitere 30 zügige Gehminuten trennen mich vor meinem ursprünglichem Ausgangsort Cavallascio 955m, welchen ich nach 6 1/4h reiner Marschzeit erreiche. Während meinem Stretching schweift mein Blick nochmals über die Cresta dei Lenzuoli, hoch zum Rifugio Al Legn und noch höher Richtung blauer Himmel - auf dass die spirituelle Kraft mich auch ein anderes Mal beschützen mag - egal, wo jemand seine Energiequelle zu wissen weiss und in welcher Form man davon schöpft.
Zum Schluss sei noch erwähnt, dass ich dann infolge Platzmangel mein Fahrzeug nicht wenden konnte - andere Fahrzeuge versperrten jegliche Möglichkeiten (man lerne: rückwärts parkieren!) - und entsprechend rückwärtsfahrend einen Teil der schmalen Strasse zurücklegen durfte. Als ich dann in Brissago unten angekommen bin, schickte der Nordföhn gerade wieder ein paar schöne Böen über den See, sodass ich noch kurzerhand mein Windsurf-Material aufstellte und die schöne Abendstimmung statt im Stau vor dem Gotthard auf dem warmen Wasser des Lago Maggiore geniessen konnte. Krönender hätte ein solcher Tagesabschluss nicht sein können.
Fazit: Mag sein, dass dieser Bericht der Cresta ein bisschen mehr Berühmtheit verschafft - einsam und ruhig wird man dort oben aber garantiert immer den Balanceakt zwischen den Tiefblicken zum Lago Maggiore oder Centovalli vorfinden. Nicht finden wird man deutliche Pfadspuren oder Markierungen (Ausnahme ab Mottone), immer wieder ist das Adlerauge gefordert oder einfach auch nur gesunder Menschenverstand bzw. Spürsinn. Trotz der vielen lobenden Worte meinerseits - die Gratüberschreitung bewegt sich meist im T5-Gelände und beinhaltet mehrere T6-Stellen inkl. ausgesetzter und teilweise heiklen Klettereien / Kraxlereien. Wer sich in diesem Gelände nicht sicher fühlt, belässt es besser bei einer der schönen Besteigungen auf den Gridone 2188m oder auch Pizzo Leone 1659m, welche beide einen fantastischen Tiefblick zum Lago Maggiore wie auch einen Weitblick in die Walliser Alpen gewähren.
Marschzeiten (inkl. Verschnauf- & Fotopausen, jedoch keine Pausen >5min):
- Cavallascio - Pizzo Leone: 1 1/4h
- Cavallascio - gesamter Lenzuoligrat - Fumadiga: 4h
- Fumadiga - Gridone: 30min
- Gridone - Rif. Al Legn: 30min
- Rif. Al Legn - Cavallascio: 1 1/4h
Total 6 1/4h - bis auf die Lenzuoli-Überschreitung verstehen sich die Zeiten eines sehr zügigen Schrittes...
Tour im Alleingang.
Die Gegend rund um den Gridone / M. Limidario 2188m mit der am aussichtsreichsten platzierten Hütte Rif. Al Legn hoch über dem Lago Maggiore ist für mich immer wieder einen Besuch wert und gehört in meinen Augen zu den schönsten Flecken in der Schweiz. Dann vorallem, wenn ein leichter Nordföhn bläst und so eine Fernsicht bis in die Po-Ebene garantiert und ein angenehmes "Betriebsklima" bietet. Viele Gipfel in dieser Gegend sind durch markierte Wanderwege erreichbar, weshalb vorallem Gridone und Fumadiga stets gut besucht sind. Wer aber gerne einsam und anspruchsvoll über schmale Grate, steile Grashänge und ein paar ausgesetzte Klettereien sein Gipfelziel erreichen möchte, dem sei der Lenzuoli-Grat / Cresta dei Lenzuoli empfohlen (siehe noch Bemerkungen am Schluss des Berichtes). Und wer noch Lust und Zeit hat, der sollte auch gleich noch den Gridone 2188m anhängen und danach selbstverständlich noch kurz im Rif. Al Legn 1785m auf einen Drink einkehren.
Im Oktober 2008 besuchten



Der Wetterbericht verspricht ein Traumwochenende im Mittel- und Südtessin, angereichert mit Nordföhn und grenzenlosem Sonnenschein. Weil es am Freitag noch ein paar Tropfen Regen gegeben hatte, entscheide ich mich, den Samstag mit meinem zweiten Hobby, dem Windsurfen, in Cannobio zu verbringen. Nordföhn von morgens bis abends und warme Wassertemperaturen bescheren mir über 5h reine Windsurfzeit - die selbstgekochte Pasta in meinem Campingbus schmeckt danach um ein Vielfaches besser wie sonst üblich. Am Abend dann fahre ich via Brissago hoch zum morgigen Ausgangs- und Zielort Cavallascio - hier führt eine sehr schmale Bergstrasse auf knappe 1000m und endet bei P. 955 oberhalb von Alba Nova. Kurz vor Erreichen des Park- und Schlafplatzes gibt es einen lauten Knall im Hinterreifen und ich mutiere kurzerhand vom Bürolist zum Automechaniker (meine schwarzen Hände sahen auf jeden Fall ziemlich profimässig aus...). Gut wer ein Ersatzreifen bei sich hat, weniger gut wenn der soeben geplatzte Reifen erst wenige Kilometer alt ist, ganz gut wenn man eine Reifengarantie hat (hurra!), überhaupt nicht gut wenn der Automechaniker einem später verkündet, dass zusätzlich die Autobatterie ein Leck hat und Schwefelsäure austritt (und somit eigentlich die Karosse mir jeden Moment um die Ohren hätte fliegen können...).
Mit der letzten Abendröte und einer offenen Heckraum-Klappe eingeschlafen, mit den ersten Sonnenstrahlen wieder aufgewacht - wenn's doch nur immer so schön wär. Abmarsch bei Cavallascio 955m um 07.15 Uhr, dem Wegweiser Alpe die Naccio (2 1/4h, irgendwas stimmt da nicht, hab die Alp nach zügigen 45min erreicht...) folgend, über einen typisch Tessin hervorragend erstellten Wanderweg hoch zur Alpe di Naccio und dort ein kurzer Schwatz mit einem Einheimischen, welcher ebenso die "Cresta dei Lenzuoli" schon begangen hat. Immer wieder interessant, wenn zwei nicht die selbe Sprache sprechen und dennoch mehrere Minuten über das gleiche Thema diskutieren können :-) Dem Wegweiser nach (bei der Vergabelung den rechten Weg nehmen) hoch zum Pizzo Leone 1659m - Aussichtsberg für viele Tagestouristen.
Vom Pizzo Leone absteigend zum P. 1570 mache ich - trotz Hinweis im Tourenbericht - den Fehler, dass ich dem gut ausgebauten Pfad folge und so weiterhin Höhe vernichte. Achtung, wie im Bericht von

Ausgesetzt geht es weiter zum P. 1878, wo der Grat in eine tiefe Scharte abbricht. Vor einem versperrt ein mächtiger Felszahn den Weiterweg - hier also nun muss die berüchtigte Schlüsselstelle (T6 / III-) sein. Diese findet man, in dem man ein paar Meter nach rechts (Westen) im einfachen Gehgelände absteigt (schwache Pfadspuren) und dann nach links schaut. Hier führt tatsächlich ein schmales, manchmal abschüssiges Band zu der erwähnten mässig steilen Platte, welche dann aber meiner Meinung nach nicht mehr wirklich ein Problem ist. Schwieriger finde ich das erwähnte Band, steht man hier doch sehr ausgesetzt mit einigen Metern Luft unter dem Füddli mitten "im Seich", doch ich kann trösten - wer einmal den ersten Schritt platziert, der wird besser als man denkt die folgenden Schritte setzen können und wenige Sekunden später steht man auch schon bei der Platte. Diese könnte man im Notfall sogar hinunterrutschen, die Höhe sollte keine grösseren Schäden anrichten. Doch soweit muss es nicht kommen, hat es doch immer wieder kleine Unebenheiten, manchmal sogar kleine Tritte und Griffe (Spreizschritt hilft!) und schon steht man wieder auf sicherem Boden. Sichern könnte man hier übrigens nicht - ganz klar Augen zu und durch.
Es geht dann auf einem gut begehbaren breiten Grasband (siehe auch Foto) am Wandfuss entlang weiter und wo es wieder die Möglichkeit gibt aufzusteigen, sollte man dies auch tun, um bald wieder den Grat zu erreichen. Alpenrosen, Felsstufen und sonstiges Gestrüpp tun hier gute Dienste.
Wieder gibt es ein paar Balanceübungen, Gehstöcke können auch hier nicht schaden. Man erreicht eine weitere Scharte und steht vor einem fast geraden steilen Felsaufbau, aus welchem kleine Wurzeln und ein paar Bäumchen spriessen. Das Gestein ist lose, links und rechts geht es steil hinunter... Ich weiss nicht, ob ich den richtigen Weg genommen habe, auf jeden Fall erschien es für mich als der einfachste und auch logischste. In der Scharte stehend gibt es wie ein steiler Durchgang direkt über einem (ohne Felskontakt). Ein markanter Ast wird später die Rettung sein. Es gilt nun, über das brüchige Gelände steil aufzusteigen, Grasbüschel, loses Gestein, Jungwuchs - einfach alles sollte man hier gefühlsvoll in die Hände nehmen und so richtung Ast aufsteigen. Dieser ist dann auch genügend dick (und ausnahmsweise mal nicht morsch), um den nächsten kräftigen Kletterzug anzusetzen und ist dieser getan, steht man wieder mitten im Dickicht - dann jedoch wieder auf sicherem Terrain und kann wieder aufrecht zum Pizzo Fedora 1908m weitersteigen.
Die Verschnaufpausen mehren sich langsam und auch der Getränkehaushalt hat schon bessere Zeiten erlebt. Weit ist es aber nicht mehr, Durchhalten ist angesagt. Wieder in einfacherem Gelände geht es weiter zum Mottone 1968m, wo ich eine besonders eindrückliche Begegnung mache: Vor mir steht ein braun gebrannter und am ganzen Körper tätowierter "Spiritueller" (das sah man schon von weitem), gekleidet mit nur einer Shorts sowie Flip Flops an den Füssen. Wir unterhalten uns lange und ich erfahre, dass er einer spirituellen Glaubensgemeinschaft angehört, dank Sponsoren und sonstigen Gutschriften sowie Selbstversorgung praktisch kostenlos auf einer von einem Spender geschenkten Alp lebt und schon mehrmals in Indien war - mindestens einmal sogar hat er die gesamte Strecke mit dem Fahrrad zurückgelegt. Seine einsamen Reisen führten ihn in den Himalaya und andere Kraftorte und ich spüre gut aus ihm heraus, dass er wahrscheinlich genau dort die Energie holt, welche er hier zum Leben benötigt. Auf jeden Fall hinterlässt er einen absolut zufriedenen, reinen und glücklichen Eindruck - und für mich natürlich wegen seinem bescheidenen Schuhwerk auch ein wenig ein sonderbarer Eindruck - und ich muss gestehen, dass ich mein Leben nie und nimmer tauschen möchte, aber einmal als Adler diese Sippschaft und ihr Leben aus der Luft beobachten zu können, das wär irgendwie schon noch spannend... Ein Name will er mir nicht verraten, denn auf seine stolzen Taten (Indien per Fahrrad, etc.) ansprechend meint er nur, dass dies ja schliesslich auch viele andere Leute machen - nichts besonderes also...
Vom Gipfel des Mottone geht man nochmals 15 Meter zurück (rote Wegmarkierung) und steigt dann in die östliche (in Ziel-Laufrichtung linke Seite) steile Grasflanke ab. Trockene Bedingungen sind hier klar von Vorteil. Man kann nun den schwachen roten Markierungen folgen (ab jetzt vielleicht frisch markiert...) und erreicht so eine erste Scharte. Hier noch NICHT rechts absteigen, sondern den roten Markierungen nach über den Felsaufbau hochklettern (II) und erst jetzt erscheint eine zweite Scharte, wo man steil, ebenfalls markiert, nach rechts über schuttiges Gelände ein paar Höhenmeter vernichtet. Es geht dann wieder links "in die Büsche", gute Pfadspuren sind nun ersichtlich. Eine Hilfskette liegt ausgerissen am Boden - hier bräuchte es sowieso keine. Man umgeht dann ein Felssporn rechtsherum und steigt dann an dessen rechten Seite wieder steil hoch (Pfadspuren, Ketten, Markierungen). Dann noch ein paar Meter und schon passiert man den grossen markanten Steinmann, welcher zum Gipfel des Fumadiga 2010m (mit lotterigem Holz-Gipfelkreuz) weist. Jetzt, nach exakt 4h reiner Marschzeit, ist sie vollbracht - die Überschreitung der Cresta dei Lenzuoli darf man nun ins Palmarés übertragen.
Ich geniesse hier eine lange Essens- und Genusspause, kann mich am tiefblauen Lago Maggiore einfach nicht satt sehen. Das Wetter ist nachwievor traumhaft schön, der sanfte Nordföhn bläst genau in der richtigen Stärke, sodass man nie zu heiss hat. Im Hintergrund frohlockt aber ständig der von mir bereits 2 Mal bestiegene Gridone 2188m, den ich heute aufgrund der bisherigen Leistung eigentlich auslassen möchte. Und doch... Weit ist's ja nicht mehr, aus früheren Besteigungen weiss ich, dass ein paar Meter unterhalb des Fumadiga auf dem Wegweiser 45min angegeben sind... Der Nachmittag ist noch jung, die Zeitrechnung lässt es zu, die Füsse frage ich schon gar nicht erst... Also auf und in sehr zügigen 30 Minuten dem markierten Wanderweg entlang via Btta di Valle zum Gipfel des Gridone / M. Limidario 2188m. Hier geniesse ich nochmals die Aussicht in die Walliser 4000er-Welt, ebenso auch den Blick in die Po-Ebene und natürlich erneut den traumhaft schönen Tiefblick auf den Lago Maggiore. Auch hier wieder ein sympathisches Gespräch mit einem Bündner-Ehepaar, welche froh wären, ihre Kinder gingen ebenso gerne in die Berge wie sie selbst. Ich vertröste die Eltern mit der eigenen Erfahrung, dass die Kinder schon noch (wieder) in das Berg-Alter kommen - vermutlich ab ca. 30 Jahre... :-)
Vom Gridone steige ich den selben Weg hinunter zur Btta di Valle und von dort folge ich dem Wanderweg zum Rif. Al Legn 1785m - meine wie bereits eingangs erwähnte Lieblingshütte weit und breit. Diese ist heuer sogar bewartet, ein Deutscher Hüttenwart kocht gerade eine unglaublich fein duftende Mahlzeit. Es können Getränke wie auch Speisen konsumiert werden - hier kann ich natürlich nicht widerstehen. Die Aussicht - ich muss mich wiederholen - einfach grandios. Hier hat es übrigens auch Toiletten und quellfrisches Trinkwasser, welches man unbesorgt trinken kann.
Ungern verlasse ich die Hütte, doch zum nächsten Etappenziel Mergugno (bzw. ein paar Meter oberhalb davon) werden 1h 20min prognostiziert - ich erreiche den Ort bereits nach 45min (Somit verlängere ich die Jahresmitgliedschaft bei meinem Orthopäden...). Noch weitere 30 zügige Gehminuten trennen mich vor meinem ursprünglichem Ausgangsort Cavallascio 955m, welchen ich nach 6 1/4h reiner Marschzeit erreiche. Während meinem Stretching schweift mein Blick nochmals über die Cresta dei Lenzuoli, hoch zum Rifugio Al Legn und noch höher Richtung blauer Himmel - auf dass die spirituelle Kraft mich auch ein anderes Mal beschützen mag - egal, wo jemand seine Energiequelle zu wissen weiss und in welcher Form man davon schöpft.
Zum Schluss sei noch erwähnt, dass ich dann infolge Platzmangel mein Fahrzeug nicht wenden konnte - andere Fahrzeuge versperrten jegliche Möglichkeiten (man lerne: rückwärts parkieren!) - und entsprechend rückwärtsfahrend einen Teil der schmalen Strasse zurücklegen durfte. Als ich dann in Brissago unten angekommen bin, schickte der Nordföhn gerade wieder ein paar schöne Böen über den See, sodass ich noch kurzerhand mein Windsurf-Material aufstellte und die schöne Abendstimmung statt im Stau vor dem Gotthard auf dem warmen Wasser des Lago Maggiore geniessen konnte. Krönender hätte ein solcher Tagesabschluss nicht sein können.
Fazit: Mag sein, dass dieser Bericht der Cresta ein bisschen mehr Berühmtheit verschafft - einsam und ruhig wird man dort oben aber garantiert immer den Balanceakt zwischen den Tiefblicken zum Lago Maggiore oder Centovalli vorfinden. Nicht finden wird man deutliche Pfadspuren oder Markierungen (Ausnahme ab Mottone), immer wieder ist das Adlerauge gefordert oder einfach auch nur gesunder Menschenverstand bzw. Spürsinn. Trotz der vielen lobenden Worte meinerseits - die Gratüberschreitung bewegt sich meist im T5-Gelände und beinhaltet mehrere T6-Stellen inkl. ausgesetzter und teilweise heiklen Klettereien / Kraxlereien. Wer sich in diesem Gelände nicht sicher fühlt, belässt es besser bei einer der schönen Besteigungen auf den Gridone 2188m oder auch Pizzo Leone 1659m, welche beide einen fantastischen Tiefblick zum Lago Maggiore wie auch einen Weitblick in die Walliser Alpen gewähren.
Marschzeiten (inkl. Verschnauf- & Fotopausen, jedoch keine Pausen >5min):
- Cavallascio - Pizzo Leone: 1 1/4h
- Cavallascio - gesamter Lenzuoligrat - Fumadiga: 4h
- Fumadiga - Gridone: 30min
- Gridone - Rif. Al Legn: 30min
- Rif. Al Legn - Cavallascio: 1 1/4h
Total 6 1/4h - bis auf die Lenzuoli-Überschreitung verstehen sich die Zeiten eines sehr zügigen Schrittes...
Tour im Alleingang.
Tourengänger:
Bombo

Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden
Kommentare (13)