Mont Raimeux (1302m) und Hasenmatt (1445m)


Publiziert von Linard03 , 27. Mai 2010 um 13:16.

Region: Welt » Schweiz » Jura
Tour Datum:24 Mai 2010
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-SO   CH-JU   CH-BE 
Zeitbedarf: 7:00
Aufstieg: 1707 m
Abstieg: 1698 m
Strecke:Moutier - Mont Raimeux - Grandval / Gänsbrunnen - Hasenmatt - Oberdorf
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Bhf. Moutier
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Bhf. Oberdorf

Eine lange Tour mit kompliziertem Abschluss - oder wie eine einfache Tour unerwartet zur Herausforderung wird ... doch der Reihe nach:

Früh aus den Federn, denn der schöne Tag soll genutzt werden. Ich sitze im Zug von Winterthur via Zürich und Solothurn nach Moutier. Herrlich, diese Ruhe! Kein andauerndes Natel-Geklingel und daraus resultierendes Geplapper, kein Sitz-Nachbar, welcher mit überlauter Musik das Zeitungslesen verunmöglicht oder was es sonst noch gibt im ganz normalen ÖV-Wahnsinn, den ich ansonsten im täglichen Pendlerverkehr erleben darf ...


1. Etappe: Moutier - Mont Raimeux - Grandval

Ich geniesse also in aller Ruhe die vorbeiziehende Landschaft, welche für mich erst ab Solothurn spannend wird - diese Gegend kenne ich bislang so gut wie gar nicht. Kurz nach 8 Uhr erreiche ich das noch verschlafene Moutier. Der Wegweiser verspricht einen Aufstieg von 2 3/4 Std. bis zum "Gipfel" des Mont Raimeux, welcher eigentlich nur eine kleine Erhebung ist auf einem grossen Plateau.

Der Weg führt zuerst auf der Strasse durch's Villenviertel. Bald ist der Wald erreicht, wo der eigentliche Wanderweg beginnt. Erst angenehm steigend, dann zunehmend steiler geht der Zick-Zack-Weg durch den Wald. Ich hänge diesen und jenen Gedanken nach; z.B. frage ich mich, weshalb sehe ich eigentlich keine Tiere? Das wäre doch ideales Gelände für ... - hoppla! Jäh werde ich mit lautem Huf-Getrampel aus meinen Gedanken gerissen; eine Gemse! Sie bleibt stehen und faucht mich kurz an (sorry für die Störung!), dann verschwindet sie ebenso schnell wieder, wie sie aufgetaucht war.

Auf ca. 840m dann ein schöner Aussichtspunkt mit Brätliplatz. Ich halte kurz inne und geniesse die Aussicht auf Moutier und die umliegende Region. Bald biegt dann der Wanderweg auf einen breiten Forstweg ein, welcher sich später als veritables Fahrsträsschen entpuppt.

Mittlerweile habe ich den Wald hinter mir gelassen, ebenso die steilste Etappe. Ich passiere nun Ferienhäuschen und Höfe, von wo aus man mir freundlich zuwinkt. Es ist bereits jetzt ungewöhnlich warm, wie sonst eigentlich eher an einem typischen Juli-Morgen.
Auch wenn's mal weglos über Wiesen geht, es ist alles bestens markiert - der nächste Wegweiser ist auf Sichtdistanz auszumachen, eine Karte ist nicht notwendig. Vorbei an der Club-Hütte des SAC Delémont erreiche ich bald die Ebene, wo das Gehöft "Raimeux de Grandval" steht, welches durch das Naturfreundehaus und ein Restaurant ergänzt wird.

Und von hier aus ist auch schon der höchste Punkt des Kantons Jura zu sehen, welcher ich dann ein paar Minuten später erreiche. Schnell ist auch noch der kleine Turm erklimmt. Was für eine Aussicht; sogar das berühmte Dreigestirn (Eiger, Mönch & Jungfrau) ist trotz Dunst deutlich zu erkennen!

Auch die Hasenmatt, mein 2. Tagesziel, ist von hier aus zu erkennen. Es ist jetzt 10 Uhr und ich bin gut im "Fahrplan". Der Abstieg ist dann weitaus weniger steil, wie ich das zuerst befürchtet habe. Ganz im Gegenteil: der Weg verläuft mehrheitlich auf einer breiten Forststrasse allmählich abwärts; trotzdem ist er sehr abwechslungsreich: an imposanten Felswänden vorbei schlängelt sich der Weg ins Tal.
Bis hierhin war ich den ganzen Weg alleine unterwegs; mal abgesehen von der erwähnten Leuten von den Höfen bin ich keiner Menschenseele begegnet. Dies ändert sich kurz vor Grandval: offensichtlich ist hier ein kleines Kletter-Paradies, denn immer wieder kommen mir jetzt Leute mit Kletter-Ausrüstung entgegen. Und tatsächlich, auf dem Parkplatz stehen zahlreiche Autos mit diversen CH- und D-Kennzeichen.

Kurz danach erreiche ich die Haltestelle Grandval, wo ca. 30 Min. später der Regionalzug anhält und mich 3 Stationen später in Gänsbrunnen auch schon wieder ausspuckt.

2. Etappe: Gänsbrunnen - Hasenmatt - Geissflue - Oberdorf

Ich bin wiederum der Einzige, der aus dem Zug aussteigt. Ab dem Bahnhof Gänsbrunnen geht's für ein paar hundert Meter der viel befahrenen Strasse entlang, welche ich dann glücklicherweise bald wieder verlassen kann.

Nach einem kurzen Steil-Stück auf dem Wanderweg gelangt man auf eine Forststrasse, welche via Tunnel rund um's Tobel führt. Später wird die Strasse schmaler und auch wieder steiler; im "Chessel" habe ich eine kleine Krise. Ob ich am Mont Raimeux etwas zu sehr forciert habe? Ich setze mich hin, und nach einer kleinen Verpflegungs-Pause raffe ich mich wieder auf. Nur kurze Zeit später wird's wieder flacher; das Gröbste ist wohl überstanden.

Bald verlasse ich den Wald, dessen Schatten ich im bisherigen Aufstieg dankend angenommen hatte. Es ist jetzt richtig heiss, der Schweiss läuft mir in Bächen runter. Aber das Rest. Althüsli ist in Sicht, somit ist auch die Hasenmatt nicht mehr weit entfernt. Der Schluss-Aufstieg, und schon ist das Gipfelkreuz in Sicht.

Was für eine Aussicht auch hier: nicht nur der am Morgen bestiegene Mont Raimeux im Norden, sondern das ganze ....Tal, zu Füssen die Stadt Solothurn, im Westen der Murtensee und ganz im Süden nochmals die markanten Eiger, Mönch & Jungfrau, jetzt allerdings nur noch teilweise sichtbar hinter Quellwolken.

Etwas erschöpft, aber glücklich geniesse ich den Augenblick und lasse den Blick über die grossartige Umgebung schweifen. Der Blick auf die Uhr ermahnt mich jedoch, mich bald wieder auf den Weg zu machen, denn ich wollte ja  in ca. 2 Std. den nächsten Zug erwischen.
Aber der Abstieg nach "Oberdorf" oder "im Holz" ist ja nur noch eine Formsache - dachte ich ...! Aber das Unheil bahnt sich nach wenigen Schritten an: mir leider wohl bekannte Knieschmerzen stellen sich ohne jede Vorankündigung mit voller Wucht ein - Mist! Den Grat bis zum Strässchen schaffe ich noch einigermassen gut, lässt aber nichts Gutes erahnen für den weiteren Abstieg ...

Ich konsultiere die Karte: wenn ich die Strasse bis zur nächsten Kurve nehme, könnte ich dort in den Wanderweg einbiegen, der an den Saurier-Spuren entlang direkt ins Tal führt und somit der kürzeste, sprich schnellste Weg wäre.
Der Weiterverlauf in Richtung "Hinter Weissenstein" wäre zwar auch verlockend, aber deutlich länger. So folge ich also ein paar hundert Meter der Strasse, bis ich die Haarnadel-Kurve erreiche, von wo aus der Wanderweg steil hinab führen sollte. Sollte! Zwei Wege sind einigermassen sichtbar: Richtung Süden sind zwar ein paar Tritte erkennbar, sieht aber nicht nach langer Weiterführung aus. Richtung Westen sieht der Pfad etwas besser aus, scheint aber auch nicht oft begangen.

Hmmm - ich entscheide mich für die West-Variante. Nach einigen Minuten kommt mir ein Pärchen entgegen und fragt mich, ob's da wirklich hinuntergehe; der Wegverlauf höre an einem Aussichtspunkt auf und sie hätten keine Weiterführung erkennen können. Ich bin zwar auch das erste Mal unterwegs hier, bin aber zuversichtlich, dass sich der Weg finden lässt - zumindest sagt mir das die Karte.

Tatsächlich erreiche ich auch den beschriebenen Aussichtspunkt, sehe aber ebenfalls keinen Weiterverlauf (inzwischen ist mir klar, dass ich unbewusst den Geissflue-Grat gewählt hatte und auf der Geissflue stand ...) Gibt's doch nicht! Weiter nach Westen sieht's nicht einladend aus; eine Krete oder Abstieg durch ein steiles Tobel. Auch direkt nach Süden ist lediglich ein steiles Tobel auszumachen; was nun? Irgendetwas muss doch machbar sein; also probiere ich den Steil-Abstieg nach Süden. Sub-optimal, wie sich herausstellt: unvermittelt finde ich mich in einem (zumindest gefühlten) T5-ähnlichen Gelände wieder; viel Laub, darunter loses Gestein und damit sehr rutschig, zudem wird's immer steiler ...

Ich fluche innerlich - ich habe zwar innert kürzester Zeit ca. 100Hm absolviert, jedoch ohne Aussicht auf weniger steiles Gelände; ganz im Gegenteil. Der Blick zurück sagt mir, dass ich da nur schwer wieder hochkommen werde. Aber nach ein paar weiteren Abstiegs-Metern wird mir klar, dass dieser Trichter höchstens auf eine Felswand zusteuert. Also doch wieder hoch! Ich bin langsam müde und die Knieschmrzen lassen auch nicht nach. Mühsam und mit letzten Kraft-Reserven arbeite ich mich wieder zum Weg hinauf.

Resigniert trete ich mit schleppendem Schritt den Rückweg an. Wenig später werde ich von einem "local" eingeholt; er kommt offensichtlich von Oberdorf auf dem Weg, den ich nicht gefunden habe. Schnell klärt er mich auf, dass dies ein inzwischen selten begangener Weg sei und mit dem momentan vielen Laub auch keine Trittspuren zu sehen wären. Zudem seien nur noch wenige, alte Markierungen vorhanden. Auch sei der Weg bergauf einfacher zu meistern als im Abstieg. Insgesamt sei der Weg heikel, wenn man sich nicht auskenne ... - Danke für den Tipp! Aber ich will's jetzt nicht noch mal probieren; habe keine Motivation mehr für Experimente. Zumal auch die Strasse und damit der ursprüngliche Ausgangspunkt bald wieder erreicht ist (P.1244).

Ich nehme jetzt also den anderen, direkten Weg nach Süden, wo die Trittspuren zwar auch nicht so klar ersichtlich sind und auch keine Markierungen vorhanden sind. Doch diesmal führt dieser Weg tatsächlich im Zick-Zack nach unten, wenn auch hier die Spuren im dichten Laub teilweise wieder zu suchen sind.

Mehr hinkend und stolpernd erreiche ich so endlich die Saurier-Spuren. Von hier geht's dann zügig zum Bahnhof, wo ich 1 Std. später als ursprünglich geplant den nächsten Zug erwische. In Solothurn muss dann die Umsteige-Zeit reichen, um ein wohlverdientes Glacé zu erstehen ...


Fazit:
Insgesamt eine erfolgreiche, schöne Tour auf 2 Kantons-Höhepunkte bei herrlichem Wetter und erstaunlich wenig "Verkehr" für einen Sonntag (resp. Pfingst-Montag)

Bemerkungen:
Da waren wohl ein paar Fehler im Schlussteil der Tour:
- hätte ich die Karte etwas genauer studiert, wäre klar gewesen, dass der Routenverlauf kein Spaziergang ist und ich hätte wohl von Anfang an von diesem Weg abgesehen
- wenn ich den Höhenmesser nochmals justiert hätte, hätte ich genauere Angaben über den Standpunkt gehabt

Zudem: im Nachhinhein ärgert es mich natürlich, zuvor nicht die entsprechenden hikr-Berichte konsultiert zu haben. Zumindest wäre mir dann der Geissflue-Grat ein Begriff gewesen und ich hätte 1. besser gewusst, wo ich mich genau befinde und 2., wo die Fortsetzung des Weges zu suchen gewesen wäre ...
Andererseits habe ich jedoch gar nicht erst eine Gratwanderung geplant, sondern lediglich eine einfache, möglichst schnelle Abstiegsvariante nach Oberdorf ...

Hätte und wäre ... - jedenfalls bin ich wieder um eine Erfahrung reicher!


Zeiten:
08.10: Moutier ab
10.00: Mont Raimeux an
10.10: Mont Raimeux ab
11.30: Grandval Bhf. an

12.10: Gänsbrunnen ab
14.00: Hasenmatt an
14.25: Hasenmatt ab
16.55: Oberdorf an

Tour im Alleingang

Tourengänger: Linard03


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Kommentare (6)


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maawaa hat gesagt:
Gesendet am 27. Mai 2010 um 19:13
Meinen Glückwunsch zu den beiden Kantonshöchsten!

Ich musste schon schmunzeln bei der Lektüre, solche Irrwege sind mir nur zu bekannt! Aber es hat ja noch geklappt :)

Viele Grüsse, Marco

Linard03 hat gesagt: RE:
Gesendet am 28. Mai 2010 um 07:28
danke für die Glückwünsche - Irrwege versuche ich allerdings normalerweise zu vermeiden ;-))

MunggaLoch hat gesagt: ;-)
Gesendet am 27. Mai 2010 um 20:43
Ja, das tönt nach Kantonshöhepunkten...
Well done!

Linard03 hat gesagt: RE:;-)
Gesendet am 28. Mai 2010 um 07:29
merci - Höhepunkte hat's in der Tat einige gegeben ;-))

Henrik hat gesagt: Dem kannst du doch mit einem
Gesendet am 27. Mai 2010 um 22:00
.....Klassenwechsel entgehen, du als Vielfahrer?

> Herrlich, diese Ruhe! Kein andauerndes Natel-Geklingel und daraus resultierendes Geplapper, kein Sitz-Nachbar, welcher mit überlauter Musik das Zeitungslesen verunmöglicht oder was es sonst noch gibt im ganz normalen ÖV-Wahnsinn, den ich ansonsten im täglichen Pendlerverkehr erleben darf ...

Die Jurabesuche der hikrs nehmen eklatant zu...
ein Landstrich in der CH mit Highlights allerorten.

Einerkolonnen sind hier noch (abgesehen von Pfingsten [Creux du Van]) ganz selten...

Sali

silberfaden

Linard03 hat gesagt: RE:Dem kannst du doch mit einem
Gesendet am 28. Mai 2010 um 07:34
... ja, der Klassenwechsel habe ich mir in der Tat auch schon überlegt und würde helfen, das Nervenkostüm etwas zu schonen! Was mich bislang abgehalten hat? Der Preisaufschlag von der 2. zur 1. Klasse ist halt schon ziemlich happig ... Aber was nicht ist, kann ev. noch werden ...

Und im Jura war ich sicher nicht das letzte Mal; Creux du Van, Chasseron, Chasseral & Co. sind nach hikr-Berichten zufolge allemal ein lohnenswertes Ziel!

Gruess nach Basel!


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