Mysterywandern I: das Geheimnis der russischen Zarentochter Anastasia
|
||||||||||||||||||||||
![]() |
![]() |
Im Frühjahr 1920 wurde eine junge Frau in die Nervenheilanstalt in Berlin-Dalldorf (heute Wittenau, Bezirk Reinickendorf) eingewiesen. Sie hatte versucht, Selbstmord zu begehen, indem sie von der Bendlerstraßenbrücke in den Landwehrkanal gesprungen war. Da sie keine Papiere bei sich hatte und sich weigerte, sich auszuweisen, wurde sie als "Fräulein Unbekannt" geführt. Narben an Kopf und Körper sowie ein Akzent, den das medizinische Personal als "russisch" beschrieb, erbrachten keine schlüssigen Hinweise auf ihre Identität.
Fräulein Unbekannt blieb die nächsten zwei Jahre in der Psychiatrie in Dalldorf. Anfang 1922 behauptete dann eine Mitpatientin, dass die unbekannte Frau Großfürstin Tatjana von Russland sei, eine der vier Töchter von Zar Nikolaus II, der mitsamt seiner Familie 1918 in Jekaterinburg ermordet worden war. Sie habe durch einen glücklichen Zufall überlebt und sei entkommen.
Daraufhin besuchte der russische Emigrant Hauptmann Nikolaus von Schwabe die Anstalt und akzeptierte die Frau als Tatjana. Bald besuchten weitere Emigranten die Unbekannte, nicht alle folgten ihm in dieser Auffassung. Einige Tage später bemerkte die Frau: "Ich habe nicht gesagt, dass ich Tatiana bin.“
Von Mai 1922 an waren dann die ersten überzeugt, in der Unbekannten nicht Tatjana, sondern ihre Schwester Anastasia zu erkennen. Und damit nahm eines der größten Rätsel des 20 Jahrhunderts seinen Lauf...
Diesem Rätsel wollten mein Schwager Luis und ich auf die Spur kommen. Nicht in Jekaterinburg, nicht in Charlottesville in den USA (dazu gleich mehr), sondern in Unterlengenhardt im Schwarzwald. Wo sonst!
Also das neue Dream-Theater-Album aufgedreht und ab ins Nagoldtal. Auf einem Parkplatz (310 m) am Ausgang des Monbachtals starteten wir unsere Tour auf den Spuren jener unbekannten Frau aus Berlin.
Von Mai 1922 an glaubten einige entscheidende Persönlichkeiten, dass die unbekannte Frau tatsächlich Anastasia sei. Die Frau wurde aus der Anstalt geholt und bekam ein Zimmer im Haus von Baron Arthur von Kleist, einem weiteren russischen Emigranten. Sie begann nun, sich Anna Tschaikowski zu nennen, "Anna" als Kurzform von "Anastasia". Ein Treffen mit der Schwester der Zarin wurde arrangiert, aber diese erkannte sie nicht. Kronprinzessin Cecilie von Preußen dagegen unterzeichnete eine Erklärung, dass Tschaikowski Anastasia sei - woraufhin Cecilies Familie ihr Demenz unterstellte.
Diesem Rätsel wollten mein Schwager Luis und ich auf die Spur kommen. Nicht in Jekaterinburg, nicht in Charlottesville in den USA (dazu gleich mehr), sondern in Unterlengenhardt im Schwarzwald. Wo sonst!
Also das neue Dream-Theater-Album aufgedreht und ab ins Nagoldtal. Auf einem Parkplatz (310 m) am Ausgang des Monbachtals starteten wir unsere Tour auf den Spuren jener unbekannten Frau aus Berlin.
Von Mai 1922 an glaubten einige entscheidende Persönlichkeiten, dass die unbekannte Frau tatsächlich Anastasia sei. Die Frau wurde aus der Anstalt geholt und bekam ein Zimmer im Haus von Baron Arthur von Kleist, einem weiteren russischen Emigranten. Sie begann nun, sich Anna Tschaikowski zu nennen, "Anna" als Kurzform von "Anastasia". Ein Treffen mit der Schwester der Zarin wurde arrangiert, aber diese erkannte sie nicht. Kronprinzessin Cecilie von Preußen dagegen unterzeichnete eine Erklärung, dass Tschaikowski Anastasia sei - woraufhin Cecilies Familie ihr Demenz unterstellte.
Andere Besucher waren sich ebenfalls uneins: Der Kammerdiener der Zarin, Anastasias Lehrer, ihr Kindermädchen und die Schwester des Zaren stritten ab, dass es sich bei Anna Tschaikowski um Anastasia handelte. Anastasias Großonkel dagegen, Prinz Valdemar von Dänemark, akzeptierte Tschaikowskis Behauptung und finanzierte ihr sogar einen Erholungsaufenthalt in Lugano. Er unterstützte sie, während ihre Identität ermittelt wurde. Derweil wurde ihr von der Berliner Ausländerbehörde eine vorläufige Identitätsbescheinigung als "Anastasia Tschaikowski“ ausgestellt - mit den persönlichen Daten von Großherzogin Anastasia.
Lugano! Denkbar weit weg. Wir blieben im Schwarzwald und wanderten zunächst ca. 400 Meter talauswärts (in nördlicher Richtung) die Straße entlang. Nach einer Linkskurve steht links ein großes Schild. Direkt dort begann unser Anstieg hinauf nach Unterlengenhardt. Ein unmarkierter, unbeschilderter Pfad, steil und teilweise schwer zu finden. Na, mit ein bisschen Suchen geht es schon.
Zurück zu unserer Geschichte. 1926 wurde Tschaikowski in das Sanatorium Stillachhaus in Oberstdorf in den bayerischen Alpen verlegt. Hier bekam sie Besuch von Tatiana Melnik, der Tochter des kaiserlichen Leibarztes. Sie hatte Anastasia als Kind kennengelernt und 1917 zum letzten Mal mit ihr gesprochen. Für Melnik sah Tschaikowski wie Anastasia aus. In einem Brief schrieb sie: "Ihr Verhalten ist kindlich, und insgesamt kann man sie nicht als verantwortungsbewusste Erwachsene betrachten, sondern sie muss wie ein Kind geführt und angeleitet werden. Sie hat nicht nur Sprachen vergessen, sondern überhaupt die Fähigkeit zur genauen Erzählweise verloren … selbst die einfachsten Geschichten erzählt sie zusammenhanglos und falsch; es sind in Wirklichkeit nur aneinandergereihte Wörter in einem unmöglich ungrammatischen Deutsch … Ihr Defekt liegt offensichtlich in ihrem Gedächtnis und ihrem Sehvermögen." Melnik erklärte, Tschaikowski sei Anastasia, und führte ihre Beobachtungen auf deren beeinträchtigten physischen und psychischen Zustand zurück.
Wir stiegen einstweilen auf den dürftigen Pfadspuren hinauf zu einem breiten Weg, auf diesem ging's kurz nach links und dann auf der nächsten Pfadspur weiter bergan zum Gfällweg. Einige Schritte nach rechts, dann setzt sich das Pfädlein fort, nun hinauf zum Walzenweg. Diesen erreicht man an einer engen Kurve. Den oberen Ast nach rechts, und wieder scharf links auf die Fortsetzung des Pfads. Dieser endet schließlich 40, 50 Höhenmeter weiter oben an einer Kurve des nächsten Querwegs. Hier setzten wir unseren Weg nach links fort.
Lugano! Denkbar weit weg. Wir blieben im Schwarzwald und wanderten zunächst ca. 400 Meter talauswärts (in nördlicher Richtung) die Straße entlang. Nach einer Linkskurve steht links ein großes Schild. Direkt dort begann unser Anstieg hinauf nach Unterlengenhardt. Ein unmarkierter, unbeschilderter Pfad, steil und teilweise schwer zu finden. Na, mit ein bisschen Suchen geht es schon.
Zurück zu unserer Geschichte. 1926 wurde Tschaikowski in das Sanatorium Stillachhaus in Oberstdorf in den bayerischen Alpen verlegt. Hier bekam sie Besuch von Tatiana Melnik, der Tochter des kaiserlichen Leibarztes. Sie hatte Anastasia als Kind kennengelernt und 1917 zum letzten Mal mit ihr gesprochen. Für Melnik sah Tschaikowski wie Anastasia aus. In einem Brief schrieb sie: "Ihr Verhalten ist kindlich, und insgesamt kann man sie nicht als verantwortungsbewusste Erwachsene betrachten, sondern sie muss wie ein Kind geführt und angeleitet werden. Sie hat nicht nur Sprachen vergessen, sondern überhaupt die Fähigkeit zur genauen Erzählweise verloren … selbst die einfachsten Geschichten erzählt sie zusammenhanglos und falsch; es sind in Wirklichkeit nur aneinandergereihte Wörter in einem unmöglich ungrammatischen Deutsch … Ihr Defekt liegt offensichtlich in ihrem Gedächtnis und ihrem Sehvermögen." Melnik erklärte, Tschaikowski sei Anastasia, und führte ihre Beobachtungen auf deren beeinträchtigten physischen und psychischen Zustand zurück.
Wir stiegen einstweilen auf den dürftigen Pfadspuren hinauf zu einem breiten Weg, auf diesem ging's kurz nach links und dann auf der nächsten Pfadspur weiter bergan zum Gfällweg. Einige Schritte nach rechts, dann setzt sich das Pfädlein fort, nun hinauf zum Walzenweg. Diesen erreicht man an einer engen Kurve. Den oberen Ast nach rechts, und wieder scharf links auf die Fortsetzung des Pfads. Dieser endet schließlich 40, 50 Höhenmeter weiter oben an einer Kurve des nächsten Querwegs. Hier setzten wir unseren Weg nach links fort.
Und Anna Tschaikowski? 1927 entschloss sich Valdemar von Dänemark unter dem Druck seiner Familie, Tschaikowski keine weitere Unterstützung mehr zu gewähren, und die Gelder aus Dänemark versiegten. Herzog Georg von Leuchtenberg, ein entfernter Verwandter des Zaren, gab ihr ein Zuhause auf Schloss Seeon.
Zu den Besuchern in Seeon gehörten Prinz Felix Yusupov, der Ehemann von Anastasias Cousine väterlicherseits, der Tschaikowski keinen Glauben schenkte, und Tatiana Melniks Bruder Gleb Botkin, der Anastasia als Kind gekannt hatte und von Tschaikowskis Geschichte überzeugt war.
Unser breiter Weg verzweigt sich bald, wir nahmen den linken, der zur Bieselsteige hinüberführt, einem breiten geschotterten Weg. Diesem folgten wir etwa 100 Meter bergauf, gleich beim ersten Linksabzweig verließen wir ihn wieder.
Anna Tschaikowskis Lebensweg war mittlerweile ebenfalls an einem Abzweig angekommen. 1928 hatte ihre Geschichte in den Vereinigten Staaten Interesse und Aufmerksamkeit erregt, wo Gleb Botkin Artikel zur Unterstützung ihrer Sache veröffentlicht hatte. Er arrangierte, dass Tschaikowski in die Vereinigten Staaten reiste, wo sie auf wechselnden Anwesen russischer Emigranten untergebracht wurde. Sogar der Pianist Sergei Rachmaninoff arrangierte einmal für sie eine Unterkunft. Um der Presse aus dem Weg zu gehen, wurde sie als Anna Anderson gebucht, der Name, unter dem sie später bekannt war.
Botkin beauftragte nun einen Anwalt, rechtliche Schritte einzuleiten, um in den Besitz des Nachlasses des Zaren zu gelangen. Tschaikowski/Anderson behauptete, der Zar habe Geld im Ausland deponiert.
Bei der Beerdigung der Mutter des Zaren trafen sich einstweilen die zwölf nächsten Verwandten des Zaren und unterzeichneten eine Erklärung, die Anderson als Hochstaplerin denunzierte und ihr vorwarf, auf das angebliche Auslandsvermögen des Zaren aus zu sein. Botkin antwortete mit einem öffentlichen Brief, in dem er die Familie als gierig und skrupellos bezeichnete und behauptete, sie hätten Anderson nur des Geldes wegen angezeigt. Tatsächlich wurde abgesehen von einem relativ kleinen Betrag in Deutschland, der an die anerkannten Verwandten des Zaren verteilt wurde, nie Zarengeld gefunden.
Ab Anfang 1929 war Anderson dann der Star der New Yorker Gesellschaft. Daraufhin begann allerdings ein Muster selbstzerstörerischen Verhaltens, das darin gipfelte, dass sie Wutanfälle bekam, ihren Sittich tötete und nackt auf einem Dach herumlief. 1930 wurde sie in eine Nervenheilanstalt eingewiesen, musste allerdings, als sie abgeholt werden sollte, mit einer Axt aus ihrem Zimmer geholt werden, in dem sie sich eingeschlossen hatte. Nach mehr als einem Jahr im Sanatorium kehrte Anderson schließlich 1931 in einer verschlossenen Schiffskabine nach Deutschland zurück.
Aha! Deutschland. Wir nähern uns dem Schwarzwald. Mal sehen. Unser Weg - mal wieder unbezeichnet, drehte nun in einen Tobel hinein und drüben wieder hinaus. Über moosig-grünen Waldboden, teils auf Stufen, ging es nun hinauf, über zwei Querwege hinüber, eine weitere Kreuzung geradeaus querend und schließlich hinauf auf die Höhe und hinaus aus dem Wald. An einem großen Hof erreichten wir den Ortsrand von Unterlengenhardt.
Ebenso Anna Anderson: Bei ihrer Ankunft für geistig gesund erklärt, erregte ihre Rückkehr das Interesse der deutschen Presse und nahm weitere Mitglieder der deutschen Aristokratie für ihre Sache ein. Sie begab sich erneut auf Wanderschaft von Gönner zu Gönner. Ab 1938 fochten Andersons Anwälte die Verteilung des Nachlasses des Zaren an seine anerkannten Verwandten an. Der langwierige Rechtsstreit, der daraufhin einsetzte, entwickelte sich zum längsten Rechtsstreit der deutschen Geschichte.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs verhalf Prinz Friedrich von Sachsen-Altenburg Anderson dann nach Bad Liebenzell in die französischen Besatzungszone, wo sie zunächst in einer ehemaligen Kaserne in Unterlengenhardt untergebracht wurde.
Dort also, wo wir nun auch angekommen waren. Jetzt wird klar, warum wir hier nach ihr suchten! Nicht weit nach dem großen Hof führt ein Weg nach links, der Panoramaweg. Er endet auf dem Burghaldenweg.
Und hier kam irgendwann auch Anna Anderson an, die nach ihrer Zwischenstation in der Kaserne hier in einem kleinen Häuschen untergebracht wurde.
In ebenjenem Häuschen, vor dem wir nun endlich standen. Burghaldenweg 7, das durch ein Schild ausgewiesene Haus Anna Anderson (577 m).
Dort also, wo wir nun auch angekommen waren. Jetzt wird klar, warum wir hier nach ihr suchten! Nicht weit nach dem großen Hof führt ein Weg nach links, der Panoramaweg. Er endet auf dem Burghaldenweg.
Und hier kam irgendwann auch Anna Anderson an, die nach ihrer Zwischenstation in der Kaserne hier in einem kleinen Häuschen untergebracht wurde.
In ebenjenem Häuschen, vor dem wir nun endlich standen. Burghaldenweg 7, das durch ein Schild ausgewiesene Haus Anna Anderson (577 m).
In Unterlengenhardt wurde Anna Anderson zu einer Art Touristenattraktion. Journalisten belagerten das Haus, um ein Foto von ihr zu erhaschen, manche kletterten zu diesem Zweck sogar auf Bäume, um das zugewachsene kleine Anwesen besser einsehen zu können. Und auch das Gezerre um ihre Identität setzte sich fort: Eine Freundin von Zarin Alexandra besuchte sie und erkannte sie als Anastasia an, der Englischlehrer der kaiserlichen Kinder jedoch denunzierte sie als Betrügerin. Anderson wurde zu einer Einsiedlerin, verließ nie das Haus und lebte umgeben von einem Hund und sechzig Katzen wie ein Messie. Ihr Haus begann zu verfallen. Im Mai 1968 wurde Anderson in ein Krankenhaus eingeliefert, nachdem man sie halb bewusstlos in ihrem Häuschen aufgefunden hatte. In ihrer Abwesenheit ließ Prinz Friedrich das Anwesen im Auftrag des örtlichen Gesundheitsamtes aufräumen. Ihr Hund und die Katzen wurden getötet.
Herrje. Messie hin oder her - ihre Tiere hat sie offensichtlich geliebt. Entsetzt über diese Vorgänge kehrte Anderson nämlich bald darauf in die Vereinigten Staaten zurück. Das Haus wurde vermutlich verkauft, heute ist es in Privatbesitz.
Wir drehten noch eine Runde durch Unterlengenhardt (585 m), fanden statt weiterer Spuren von Anna Anderson aber nur ein paar Anthroposophen vor. Lediglich das öffentliche Bücherregal wartete mit einigen russischen Bänden auf. Allerdings sprach Anna Anderson nie russisch....
Schließlich verließen wir das Örtchen dort, wo Keplerstraße, Burghaldenweg und Hopfweg zusammentreffen. Ein schöner Pfad führt von hier aus hinunter zum Wald und dort weiter zur Burg Liebenzell (422 m).
Die Burg Liebenzell ist eine Spornburg - und war einst die bedeutendste Burg des württembergischen Schwarzwaldes. Sie wurde im 12. Jahrhundert von den Grafen von Calw erbaut, 1196 wurden dann die Grafen von Eberstein als Besitzer erwähnt. Die Anlage wurde von 1220 bis 1230 ausgebaut, im 16. Jahrhundert und 1692 zerstört und 1954 - als Jugendbildungs- und Tagungsstätte - wieder aufgebaut.
Liebenzell bildet ein unregelmäßiges Fünfeck, umgeben von einer 2,7 Meter starken und bergseitig 17,5 Meter hohen Mauer, in die ein quadratischer Bergfried eingebunden ist. Dieser sechsgeschossige Turm hat eine Höhe von 32 Metern. In ca. sechs Metern Höhe befindet sich ein Hocheingang, auch ein Abort ist noch zu erkennen. Der Turm weist eine Mauerstärke von zwei Metern und eine Grundfläche von etwa neun Quadratmetern. Er kann als Aussichtsturm bestiegen werden - normalerweise, denn als wir kamen, war zu.
Bergfried und Schildmauer aus Buckelquadern sind romanische Bauwerke aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, der Palas dagegen ist mit zierlichen Spitzbogenöffnungen versehen und stammt demnach aus der Gotik.
Es gibt eine Sage!
Darin geht's um den furchterregenden Riesen Erkinger, der den Turm hat bauen lassen. Über vier Meter soll er groß gewesen sein! Mit zwei Gesellen zusammen hat er als Räuber und Menschenfresser in der Umgebung sein Unwesen getrieben. Mit besonderer Vorliebe verschlang er die eben getrauten Bräute vom Hochzeitsmahl. Logisch, die sind dann ja auch lecker gefüllt! Nach dem Mahl soll er dann ihre Gebeine weit aus dem Fenster geworfen haben, bis ein Berg aus Gebeinen aufgehäuft war, der heutige Beinberg.
Herzig, oder? Dass es den Riesen wirklich gegeben hat, davon zeugten noch lange Jahre sein Riesengewand, seine Riesenhosenträger und ein ungeheurer Schuh, die in der Riesenkapelle im Kloster Hirsau aufbewahrt wurden. Dummerweise sind die Sachen heute verschwunden - und auch vom Kloster selbst steht nicht mehr viel aufrecht.
Herzig, oder? Dass es den Riesen wirklich gegeben hat, davon zeugten noch lange Jahre sein Riesengewand, seine Riesenhosenträger und ein ungeheurer Schuh, die in der Riesenkapelle im Kloster Hirsau aufbewahrt wurden. Dummerweise sind die Sachen heute verschwunden - und auch vom Kloster selbst steht nicht mehr viel aufrecht.
Wie gesagt, die Burg war geschlossen, und so stiegen wir unbesichtigter Dinge hinunter nach Bad Liebenzell (333 m), das wir durch die hübschen Gassen und am Stadtsee vorbei durchquerten. Vorbei an St. Blasius und zuletzt auf dem Furtweg gelangten wir wieder an die Nagold.
Gleb Botkin, der Anna Anderson in die USA geholt hatte, lebte in Charlottesville, Virginia. Ein Freund von ihm, der Geschichtsprofessor John Eacott Manahan, bezahlte Andersons Reise, und heiratete sie bald darauf sogar, kurz vor Ablauf ihres Besuchervisums, damit Anderson ihren Aufenthalt verlängern konnte. Manahan genoss diese - na, (Un-)Vernunftehe und bezeichnete sich gern als "Großherzog in spe" oder "Schwiegersohn des Zaren".
Wir wanderten an der Nagold entlang Richtung Norden, zu einem Steg, überquerten sie und liefen dort vorbei am Gelände einer Heizölfirma hinüber zur Schillerstraße. Dort beginnt der Monakamer Kirchweg. Diesem gut beschilderten Weg folgten wir nun bis hinauf nach Monakam.
Im Februar 1970 endeten schließlich die langjährigen Gerichtsverfahren, ohne dass eine der beiden Seiten Andersons Identität feststellen konnte. Manahan und Anderson waren indessen in der Gegend von Charlottesville als Exzentriker bekannt. Obwohl Jack Manahan reich war, lebten sie wie die Messies mit einer großen Anzahl von Hunden und Katzen und umgeben von Müll. Als Andersons Gesundheit sich verschlechterte, wurde sie 1983 in eine Anstalt eingewiesen. Daraufhin entführte Manahan Anderson aus dem Krankenhaus und sie fuhren, gesucht in 13 Bundesstaaten, drei Tage lang durch die Gegend. Schließlich wurden sie gefunden und Anderson in eine Pflegeeinrichtung gebracht.
Am 12. Februar 1984 starb Anna Anderson an einer Lungenentzündung. Ihre Leiche wurde am selben Tag eingeäschert und ihre Asche am 18. Juni auf dem Friedhof von Schloss Seeon begraben. Und immer noch wusste niemand, wer sie wirklich gewesen war...
Passend dazu waren wir inzwischen am Waldfriedhof Bad Liebenzell (413 m) angelangt. Der Monakamer Kirchweg durchquert ihn und führt schließlich hinauf zu den ersten Häusern auf der Höhe. Wir wanderten zwischen den Häusern hindurch - Am Hährenwald, Iltisweg - und passierten unterwegs ein ehemaliges Brunnenhaus.
Dieses Schutzhäuschen eines Schöpfbrunnens wurde mit der Gründung Monakams im 14. Jahrhundert in der Nähe der heutigen Kirche als Sammelstelle einer der zahlreichen Quellen rund um den Monakamer Kopf errichtet. 1835 gab es mindestens 13 solcher Brunnenhäuschen als Tiertränken und für die Wasserversorgung der Höfe des Waldhufendorfs. Nur in besonders trockenen Jahren mussten die Monakamer auf Quellen im Monbachtal ausweichen. Im Zuge der Ortserweiterung kam das Häuschen Anfang der 1980er Jahre an seinen jetzigen Standort.
Weiter ging's durch die Waldstraße, Brunnenstraße - bis hinüber zur Evangelischen Kirche von Monakam (540 m).
Gern gesehen hätten wir den Monakamer Passionsaltar. Aber der befindet sich in einer evangelischen Kirche, und die sind bekanntlich geschlossen, in Monakam auch dann, wenn sie einen bekannten und sehenswerten Passionsaltar beherbergen. Seine Herkunft ist unbekannt, vermutlich stammt er aus einer anderen, aufgegebenen Kirche.
Der Monakamer Altar stammt gemäß der Inschrift auf seinem Sockel aus dem Jahr 1497. Ein Flügelaltar, bestehend aus einer Schreingruppe: Maria, die den Kopf ihres toten Sohnes mit der Hand stützt, rechts flankiert von Maria Magdalena, links von Johannes. Die Flügel sind bemalt, der linke zeigt die Kreuzabnahme, der rechte die Grablegung.
Der Monakamer Altar stammt gemäß der Inschrift auf seinem Sockel aus dem Jahr 1497. Ein Flügelaltar, bestehend aus einer Schreingruppe: Maria, die den Kopf ihres toten Sohnes mit der Hand stützt, rechts flankiert von Maria Magdalena, links von Johannes. Die Flügel sind bemalt, der linke zeigt die Kreuzabnahme, der rechte die Grablegung.
Nun, diesen Altar konnten wir nicht besichtigen, dafür sind wir nach der Wanderung noch hinüber nach Tiefenbronn gefahren, einer wahren Pilgerstätte der deutschen Kunstgeschichte. In der dortigen Kirche befinden sich nicht weniger als fünf spätgotische Altäre, sämtlich von hoher künstlerischer Qualität.
Hier ging es nun nach rechts in die Monbachstraße, weiter in die Weilerstraße und schließlich in den Finkenweg, an dessen Ende wir Monakam wieder verließen. Ein Pfad führt hier in den Wald, hinunter zu einem breiten Waldweg, auf dem es kurz nach links ging, zum Hahlenweg. Ihm folgten wir nach rechts, verließen ihn aber nach ca. 100 Metern, in der Nähe des Parkplatzes Monbachtal (496 m), um zum Bach hinunterzugelangen.
Der Monbach ist ein neun Kilometer langer Bach, der zwischen Bad Liebenzell und Unterreichenbach in die Nagold mündet. Bei Monakam gräbt er ein steiles, bewaldetes Kerbtal in die Hochebene, das ca. einen Kilometer vor der Mündung abrupt nach Südwesten dreht. Der Bach mündet dann bei der Bahnstation Neuhausen-Monbach in die Nagold. Dieses Kerbtal ist als Naturschutzgebiet Monbach, Maisgraben und St. Leonhardquelle geschützt.
Durch dieses Schutzgebiet führt ein wunderbarer, allerdings auch frequentierter Wanderweg. Diesem folgten wir nun, stets in unmittelbarer Bachnähe. Am Bernhardtsbrunnen (482 m) vorbei geht's erst einmal hinunter zur Monbachtalbrücke (465 m).
Das Schutzgebiet umfasst die wildromantische Waldschlucht, die sich der Monbach seit rund 350.000 Jahren in den Buntsandstein fräst, und in dem er zahlreiche Abstürze mit kleinen Wasserfällen gebildet hat. Ebenso umfasst es die St. Leonhardquelle, eine erdgeschichtlich einzigartige Quellformation im Muschelkalk. Dazu gehören die typischen, artenreichen Tier- und Pflanzengesellschaften (Schilf und Seggengebiet, Trollblumen-Bachdistelwiesen) sowie die Erhaltung und Sicherung der steilen Felsenmeer-Hänge des Talgrundes und der Wasserkaskaden in der Schlucht mit ihrem artenreichen, zum Schlucht- und Hochstaudenwald überleitenden Farn-Tannen-Buchenwald.
Über Felsen und Wurzeln, immer wieder auch den Bach querend, ging es nun weiter zur Rolf-Hammann-Hütte (411 m). Und wir plauderten noch einmal über Anna Anderson. Was wir noch gar nicht geklärt hatten: Wer war die Frau denn nun wirklich?
Nun, das hätte man schon 1927 wissen können. Damals hatte der Bruder der Zarin, Großherzog Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt, einen Privatdetektiv auf Anderson angesetzt. Der fand recht schnell heraus, dass die unbekannte Frau eine polnische Fabrikarbeiterin namens Franziska Schanzkowski sein musste.
Diese Frau hatte, wie man heute weiß, eine schlimme Geschichte hinter sich. Geboren als Franzisca Czenstkowski am 22. Dezember 1896 in Borrek Abbau (Borowy Las) in Westpreußen, war sie mit 16 Jahren nach Berlin gegangen, um dort ihr Glück zu machen. Sie arbeitete als Dienstmädchen, wurde dann aber während des Ersten Weltkriegs zur Arbeit in einer Munitionsfabrik verpflichtet. Kurz nach dem Tod ihres Verlobten an der Front fiel ihr bei dieser Arbeit eine Granate aus der Hand und explodierte. Ein Vorarbeiter wurde dabei vor ihren Augen getötet, sie selbst erlitt eine Kopfverletzung. Daraufhin wurde sie apathisch und depressiv, am 19. September 1916 für verrückt erklärt und lebte in zwei verschiedenen psychiatrischen Einrichtungen. Anfang 1920 wurde sie als vermisst gemeldet; seither hatte ihre Familie nichts mehr von ihr gehört. Vermutlich irrte Franziska wochenlang desorientiert durch die Stadt, bevor sie sich von der Bendlerstraßenbrücke stürzte.
Diese Frau hatte, wie man heute weiß, eine schlimme Geschichte hinter sich. Geboren als Franzisca Czenstkowski am 22. Dezember 1896 in Borrek Abbau (Borowy Las) in Westpreußen, war sie mit 16 Jahren nach Berlin gegangen, um dort ihr Glück zu machen. Sie arbeitete als Dienstmädchen, wurde dann aber während des Ersten Weltkriegs zur Arbeit in einer Munitionsfabrik verpflichtet. Kurz nach dem Tod ihres Verlobten an der Front fiel ihr bei dieser Arbeit eine Granate aus der Hand und explodierte. Ein Vorarbeiter wurde dabei vor ihren Augen getötet, sie selbst erlitt eine Kopfverletzung. Daraufhin wurde sie apathisch und depressiv, am 19. September 1916 für verrückt erklärt und lebte in zwei verschiedenen psychiatrischen Einrichtungen. Anfang 1920 wurde sie als vermisst gemeldet; seither hatte ihre Familie nichts mehr von ihr gehört. Vermutlich irrte Franziska wochenlang desorientiert durch die Stadt, bevor sie sich von der Bendlerstraßenbrücke stürzte.
Und warum wurde das über 50, 60 Jahre hinweg nicht anerkannt? Man hätte doch einfach die Schanzkowskis fragen können!
Hat man. Schon im Mai 1927 wurde in einem Gasthof in der Nähe von Schloss Seeon eine Begegnung mit Franziskas Bruder Felix arrangiert. Dabei erkannte Felix seine Schwester zwar, er schwieg jedoch, wie er später zugab, um ihr das neue, privilegierte Leben, von dem die Schanzkowskis nur träumen konnten, nicht zu nehmen.
Hat man. Schon im Mai 1927 wurde in einem Gasthof in der Nähe von Schloss Seeon eine Begegnung mit Franziskas Bruder Felix arrangiert. Dabei erkannte Felix seine Schwester zwar, er schwieg jedoch, wie er später zugab, um ihr das neue, privilegierte Leben, von dem die Schanzkowskis nur träumen konnten, nicht zu nehmen.
Aber wenn Anna Anderson Franziska Schanzkowski war, woher wusste sie so gut über Details aus dem Leben der Zarenfamilie Bescheid?
Das ist Tatiana Melniks Schuld. Das war die bereits erwähnte Tochter des kaiserlichen Leibarztes. Sei es aus Naivität, unabsichtlich, sei es aus dem aufrichtigen Wunsch heraus, dem schwachen Gedächtnis der Patientin auf die Sprünge zu helfen, sei es als Teil eines bewussten Betrugsversuchs, Tatiana Melnik unterrichtete Anna Tschaikowski 1927 mit allen möglichen Details aus dem Leben in der kaiserlichen Familie. Spätestens danach war auf diesem Weg nicht mehr zu klären, ob die Unbekannte Anastasia war, oder nicht.
Und warum weiß man es heute?
DNA-Tests. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurden die Leichen der Zarenfamilie gefunden. Mehrere Labore in verschiedenen Ländern bestätigten ihre Identität durch DNA-Tests - lebende Verwandte gab es ja genug, darunter Prinz Philip, Duke of Edinburgh, der über seine Mutter Prinzessin Alice von Battenberg mit dem Zaren verwandt war, und bei der Aufklärung half. DNA-Tests an einer Haarlocke Andersons und einigen medizinischen Gewebeproben zeigten 1994, dass ihre DNA nicht mit denen der Romanows übereinstimmte. Dafür gab es Übereinstimmungen mit der von Karl Maucher, einem Großneffen von Franziska Schanzkowski. Damit war endgültig geklärt: Anna Anderson war Franziska Schanzkowski.
Während wir über die nächsten Trittsteine stiegen, am Jugendzeltplatz Monbachtal (368 m) vorbei das Tal hinab, unterhielten wir uns darüber, warum die Leute Anderson ihre wilde (aber zugegebenermaßen romantische) Geschichte abnahmen. Selbstverständlich ist das ja nicht.
Dann lag der Berliner Polizist, der den Fall damals bearbeitete, mit seiner Vermutung sicherlich richtig, dass viele russische Emigranten in der Angelegenheit so ihre Hintergedanken hatten: Sollten in Russland jemals die alten Verhältnisse wiederhergestellt werden, erhofften sich Andersons Unterstützer natürlich große Vorteile - sollte sie tatsächlich je den Zarenthron besteigen.
Und natürlich ging es auch ums Geld. Jahrzehntelang hatte sich das Gerücht gehalten, es gebe Zarengold auf einer englischen Bank oder sonstwo. Wenn Anna Anderson das bekäme, und man ihr geholfen hätte, sie finanziert hätte oder sie gar geheiratet hätte...
Und dann: die Presse. So eine Geschichte verkauft sich, sogar mehr- und über viele Jahrzehnte zigfach. Umso mehr, wenn's ein Geheimnis ist. Deshalb wurde und wird, selbst als längst klar war, wer Anna Anderson wirklich war, die Anastasia-Geschichte als Geheimnis weitergetragen. Ich habe das mit dem Titel dieses Berichts auch nicht anders gemacht. Und das führt schließlich dazu, dass der Name Franziska Schanzkowski heute noch nicht einmal auf dem Schild vor dem Haus in Unterlengenhardt steht. Den Romanows, für die die ganze Angelegenheit allenfalls eine belanglose Unbequemlichkeit war, mag das egal sein, und die Nachkommen der Schanzkowskis wissen das vielleicht nicht einmal. Aber Anastasia, die nie in Unterlengenhardt war und dort auch sicherlich niemals hingekommen wäre, tut es Unrecht. Und Anna Anderson mag eine Betrügerin gewesen sein, aber Franziska Schanzkowski, ein junges Mädchen, traumatisiert vom Krieg und zerrüttet von Schicksalsschlägen, tut es ebenfalls Unrecht.
An den christlichen Gästehäusern am Talausgang vorbei wanderten wir nun hinunter zur Nagold, und an ihr entlang Richtung Süden zurück zu unserem Parkplatz (310 m).
Franziskas Geschichte wurde später in alle möglichen Richtungen weitergesponnen. Es gab Theaterstücke, ein Ballett, Fernsehserien und Filme. Schon 1928 basierte ein Stummfilm lose auf Andersons Geschichte. Ab 1953 tourte ein Theaterstück durch Europa und Amerika. Das Stück war so erfolgreich, dass es 1956 verfilmt wurde, mit Ingrid Bergman in der Hauptrolle. In einem weiteren Film spielte Lilli Palmer die Rolle Anna Andersons. Aber dass noch 1997 der animierte Fantasyfilm "Anastasia" den Mythos auch dann noch weiterspann, als er längst geklärt war, ist schon seltsam.
Dann lieber eine Doku schauen, diese hier zum Beispiel. Sie ist anlässlich der DNA-Analysen in den 90er entstanden.
Das war's.
Wir waren nun am Ende angekommen - am Ende des Monbachtals, am Ende von Franziska Schanzkowskis Leben, am Ende von Anna Andersons Geschichte und am Ende unserer Wanderung. Nur von einem hatten wir noch nicht genug: von spätgotischen Altären. Drum machten wir noch im nahen Tiefenbronn halt, einer Pilgerstätte der deutschen Kunstgeschichte. In der dortigen Kirche stehen nicht weniger als fünf solcher Altäre, unter anderem die Hauptwerke von gleich zwei berühmten Meistern: den Hochaltar von Hans Schüchlin aus dem Jahr 1469 und den Magdalenenaltar von Lukas Moser aus dem Jahr 1432. Und den umweht ein weiteres Geheimnis... - aber das müsst Ihr selbst nachlesen. Oder Frau Gindele fragen.
Aber das Wandern auf den Spuren historischer Geheimnisse, das hat mich jetzt angesteckt. Das werde ich bald wieder machen. Dann werde ich mich dem Geheimnis der Dunkelgrafen von Hildburghausen widmen...
Tourengänger:
Nik Brückner

Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden
Kommentare (5)