Heimweg durch den grossen Schnee


Publiziert von ABoehlen , 22. Dezember 2024 um 15:57.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Bern Mittelland
Tour Datum:21 November 2024
Wandern Schwierigkeit: T1 - Wandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE 
Zeitbedarf: 2:30
Aufstieg: 230 m
Abstieg: 160 m
Strecke:Wabern–Belpmoos–Auguetbrücke–Märchligen–Langenloh–Worb, 12 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Wabern bei Bern
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Worb Dorf
Kartennummer:LK 1167 Worb

Der kürzlich von bergpfad73 publizierte Bericht zu «Berne sous la neige de novembre» hat mich inspiriert, zu diesem denkwürdigen Tag ebenfalls einige Zeilen zu verfassen.

Zunächst mal ist dieser Donnerstag für mich ein ganz normaler Arbeitstag in Wabern. Schnee wurde zwar für den Nachmittag und Abend angesagt, aber darüber habe ich mir nicht weiter den Kopf zerbrochen; ist ja Ende November, da ist das nichts aussergewöhnliches!

Bis zum Mittag bleibt es trocken, erst dann fallen die ersten Flocken, aber da ich den ganzen Nachmittag an einer Konferenz verbringe, bekomme ich nicht viel von dem mit, was sich draussen abspielt. Entsprechend gross ist dann die Verwunderung um vier Uhr, als ich aus dem Konferenzsaal trete und die Umgebung tief verschneit wiederfinde. Trotzdem steht für mich fest, dass ich den Heimweg wie immer zu Fuss zurücklegen werde. Bereits an der Endstation der Tramlinie 9 habe ich das Gefühl, dass dies sicher eine gute Idee ist, denn von einem Tram ist weit und breit nichts zu sehen, und der Lauftext auf der Anzeige ist ein Hinweis darauf, dass wohl einiges im Argen liegt, auch wenn ich ihn aus der Distanz nicht lesen kann.

Meinem Heimweg habe ich vor 7 Jahren schon mal einen Bericht gewidmet, für Details möge man bitte dort nachschauen. Ausser, dass ich jetzt weiter nordöstlich in Worb zuhause bin, und er dadurch um ca. einen Kilometer länger geworden ist und einige zusätzliche Höhenmeter beinhaltet, hat sich nichts Wesentliches verändert.

An diesem 21. November ist aber natürlich alles etwas anders. Strassen und Gehsteige sind noch nicht geräumt, der Autoverkehr quält sich nur mühsam voran, und auch das Marschieren kostet unter diesen Bedingungen mehr Energie als sonst. Obwohl es um diese Jahreszeit am späteren Nachmittag bereits dämmert, ist es inmitten der weissen Pracht hell genug, sodass ich keine Lampe benötige. Bis zur Auguetbrügg verläuft mein Weg mehrheitlich auf Strässchen, danach wird es etwas schwieriger. Insbesondere der Aufstieg beim kleinen Wasserfall nach Vordermärchligen ist ziemlich mühsam, vor allem weil bedingt durch den nassen, schweren Schnee die Äste und Zweige tief in den Weg hinunterhängen und bei der geringsten Berührung ihre weisse Fracht entladen.

Nach Vordermärchligen führt das Strässchen unter der Autobahn 6 hindurch. Ein nie enden wollender Lärmteppich erwartet mich jedes Mal an dieser Stelle. Nicht so heute: Da ist es einfach still. Himmlisch!

Nach der Querung der Hauptstrasse 6 beim Jumbo und dem daran angrenzenden Grossen Hüenliwald, verschwindet bald das letzte Tageslicht. Nur aus dem alten Bahnwärterhäuschen an der Bahnlinie Bern – Konolfingen strahlt ein einsames Licht in die einbrechende Nacht hinaus. Zu diesem Häuschen war jüngst in der «Worber Post» (Ausgabe 12/2024 vom 18.12.2024) in einer Mundartgeschichte über die Schulweihnachtsfeier, wie sie die heute 84-jährige Verena Gfeller erlebt hat, folgendes zu lesen:

«Es Bahnwärterhüsli won e Gramperfamilie (Gramper: Bahngeleisearbeiter) wohnt, grad näbem Gleis. Es chlyses Hüsli us Houz, sytlech es Fänsterli, vore d’Türe. Drinne es Bänkli und es Öfeli wo nume zwöi Schyter Platz hei gha. Da drinne isch d’Frou gsy wo Barrieredienst het ta, sobau d’Glogge tönt. Jetz muess si mit Muskuchraft die wyter entfernti n nähr die necheri Barriere abela. Im Summer mit ere rote Fahne bewaffnet, im Winter mit ere lüchtende Latärne. Em Lokifüerer die roti Fahne – oder äbe d’Latärne – schwänke. Mängisch wartet e ganzi Tschupele Schüeler vor dr Barriere. Der Zug isch verby gruschet, dr Lokifüerer het ar Wärtere zuegwunke; aus ir Ornig.»

Mit der «weiter entfernten Barriere» ist vermutlich jene an der Strasse Rüfenacht – Vielbringen im Hüenliwald gemeint. Dieser Bahnübergang wurde bereits Anfang der 1960er Jahre durch eine Unterführung ersetzt. Auch die «nähere Barriere» gibt es nicht mehr. Seit über 40 Jahren führt das Strässchen, auf dem ich gerade unterwegs bin, etwas weiter östlich des seinerzeitigen Übergangs in einer Unterführung unter der Bahnlinie hindurch. Das Häuschen aber steht immer noch unverändert an seinem Platz.

Der Bahnlinie entlang führt nun mein weiterer Weg. Und immer anstrengender wird das Stapfen durch den tiefen Schnee. Da der beim Hölzihüsi abzweigende Weg quer durch den Hüenliwald aber von sehr schlechter Qualität ist, erweist sich der viele Schnee als grosser Vorteil, verhindert er doch, dass ich in den Schlamm und Morast einsinke. Finster sei dieser Wald, da er hauptsächlich aus Rottannen bestehe, schreibt Verena Gfeller in ihrer Erzählung dazu. Als Kind musste sie auf ihrem Schulweg diesen Wald täglich zweimal durchqueren.

Etwas ansteigend, vorbei am Hof Maurmoos, erreiche ich den Haltepunkt Langenloh, mit 616 m die höchste Stelle der Tramlinie 6 und des Bernmobil-Tramnetzes insgesamt. Tief verschneit ist der Schienenstrang und auch hier erscheint auf der digitalen Anzeige keine Abfahrtszeit, sondern nur ein Lauftext. Trotzdem sitzen einige Unentwegte in den Wartehäuschen beidseits der Strecke…

Zumindest nach Worb ist man von hier nun definitiv schneller zu Fuss, auch wenn es bergab auf dem Äusseren Stalden ziemlich rutschig ist, da der Schnee durch die Autos bereits festgepresst wurde und nicht so fluffig ist, wie eben noch im Walde. Jetzt muss ich nur noch durch das Ortszentrum hindurch und wieder steil bergauf, ehe ich nach rund zweieinhalb Stunden zuhause eintreffe. Mit dem ÖV hätte ich vermutlich ebenso lange oder gar länger gebraucht! So aber wurde dieser Weg, den ich 2024 einhundertmal zurückgelegt habe, zu einer ganz neuen Erfahrung.

Tourengänger: ABoehlen


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