Hohe Warte - Solstein: Allerheiligen-Edition


Publiziert von Toni83 , 2. November 2024 um 07:15.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Karwendel
Tour Datum: 1 November 2024
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: IV (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 6:15
Aufstieg: 2100 m
Abstieg: 2100 m

Ein klarer, kalter Herbstmorgen liegt über den Bergen, und der Aufstieg zur Hohen Warte beginnt im Zwielicht. Allerheiligen – ein Tag der Erinnerung und des Innehaltens, der die Gedanken zur Vergänglichkeit lenkt. Heast as net?“ scheint der Berg zu fragen, leise hallend im Rhythmus deiner Schritte.
Hinauf geht es zum Südgrat dessen Schwere du eigentlich vermeiden wolltest, aber er stellt sich als genau richtig heraus. Der Fels ist griffig, jede Bewegung sitzt. Der Himmel ist weit, die Luft kühl und trocken, und bald öffnet sich die Aussicht wie eine Leinwand unter dir – endlos, zeitlos und doch flüchtig.

Oben, am Gipfel, hälst du inne, lässt den Blick über die Täler und Gipfel gleiten, als würdest du ein Bild in dir einbrennen. In diesem Moment scheint die Welt stillzustehen. Jeder Atemzug bringt frische Kühle, und der Gedanke an das Vergehen der Zeit macht diesen Augenblick nur kostbarer. Es ist, als würdest du in einer klaren Herbstluft die Ewigkeit streifen – und dennoch vergehen Sekunden, die du niemals wieder holen kannst.

Der Grat führt dich weiter zum Solstein, und mit jedem Schritt scheint die Verbindung zwischen dir und der rauen Natur stärker zu werden. Hier, umgeben von Felsen, die Jahrtausende überdauert haben, verliert sich dein Zeitgefühl völlig. Dein Geist ist ruhig, frei, und doch ist in dir ein tiefes Wissen um die Endlichkeit. Es ist ein Tag, an dem die Welt um dich herum zu schweben scheint, zeitlos und doch im Fluss der Vergänglichkeit. Oben auf dem Kleinen Solstein, beim zweiten Gipfelsieg, schwelgst du im Triumph und dem Glück der Höhe.

Der Abstieg über den Schützensteig führt dich schließlich in die stille, fast ehrfurchtsvolle Kranebitter Klamm. Hier, wo die Felsen Zeugen vieler Zeiten sind, wird die Vergänglichkeit erneut greifbar. Doch statt Wehmut empfindest du eine ruhige Dankbarkeit für die vergänglichen Momente des heutigen Tages – die Gipfel, die klare Luft, das Gefühl des Erfolgs und die Gewissheit, dass solche Tage unvergesslich bleiben.


Tourengänger: Toni83


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen


Kommentare (4)


Kommentar hinzufügen

TobiasG hat gesagt:
Gesendet am 2. November 2024 um 19:50
Hallo Toni,

starke Tour und schöner Bericht. Gerade das Motiv der Zeit verbinde ich auch sehr eng mit den Bergen - auf verschiedenen Ebenen:
Auf der einen Seite die Endlichkeit des eigenen Seiens und der Versuch, ihm mit etwas vordergründig so sinnlosem, wie Bergsteigen, Sinn zu verleihen.
Auf der anderen Seite dieses Existieren im Moment, ganz entkoppelt von der sonst so selbstverständlichen Zeitgebundenheit des Alltags. Gerade beim Klettern völlig auf die nächste Bewegung und den Berg konzentriert.
Und schließlich auch die Relativität von Zeit. Was für unsereins ein Leben ist, ist weltgeschichtlich Nichts. Die Berge, über Jahrtausende gewachsen, scheinbar eine Konstante und doch ständig im Wandel.

Viele Grüße
Tobi

Toni83 hat gesagt: RE:
Gesendet am 2. November 2024 um 20:03
Danke Tobi, im Grunde geht es doch vielen von uns so! Einfach eins sein mit der Natur, verstehen dass man zwar nur ein kleiner Wicht ist, ohne den das Bild aber auch nicht komplett wäre.
Passend zu Allerheiligen habe ich mal eine etwas andere Art von Bericht gewagt.
Grüße Toni

Nyn hat gesagt: Poesie pur
Gesendet am 4. November 2024 um 17:58
Deine Empfindungen und Gefühle beim Bergkraxeln in einer solchen Reinheit lassen mich ganz still werden....
Danke für diese überaus persönlichen Zeilen, lieber Toni

Markus

Toni83 hat gesagt: RE:Poesie pur
Gesendet am 4. November 2024 um 19:26
Das freut mich Markus.
Dem Datum geschuldet sage ich den meinen Zuhause immer, dass ich den Verstorbenen bei einer Bergtour näher bin als unten am Grab.
Schöne Grüße Toni


Kommentar hinzufügen»