Schwarzachspitz (3091m), Südlicher und Mittlerer Rotenmannkopf - "Bruchbuden" im Schwarzachtal


Publiziert von BigE17 , 10. September 2024 um 22:29.

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Venedigergruppe
Tour Datum:23 August 2024
Wandern Schwierigkeit: T6+ - schwieriges Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: ZS+
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Mountainbike Schwierigkeit: L - Leicht fahrbar
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 11:15
Aufstieg: 1950 m
Abstieg: 1950 m
Strecke:37 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von Mittersill über den Felbertauern oder von Lienz kommend nach Huben. Hier führt eine Straße nach Westen ins Defereggental. Man fährt bis Erlsbach, dann zweigt rechts die Straße zum Alpengasthaus Oberhaus ab. Bei der Abzweigung befindet sich ein großer, gebührenpflichtiger Parkplatz.
Unterkunftmöglichkeiten:Keine

Die Berge im Schwarzachtal sind großteils unbekannt und selbst die bekannten Berge werden kaum von dort aus bestiegen. Das liegt unter anderem an den langen weglosen Zustiegen, und der miserablen Felsqualität beim Klettern. Da sind auch die 3 Rotenmannköpfe und der Schwarzachspitz keine Ausnahmen. Ganz im Gegenteil - diese Berge gehören zu den brüchigsten Dreitausendern weit und breit (lediglich die Nördliche Gabelspitze, sowie der Nordgipfel der Daberspitze sind ähnlich brüchig). Da mir und einem Tourenpartner diese 4 Gipfel noch gefehlt hatten, wollten wir sie an diesem Tag besteigen. Wir hatten zwar mit brüchigem Fels gerechnet, aber so eine hundsmiserable Felsqualität und so große Schwierigkeiten hatten wir dennoch nicht erwartet...

Wir starteten um 6:00 mit den E-Bikes in Erlsbach. Wir fuhren über die lange Asphaltstraße zum Oberhaus (wo man normalerweise parken sollte, aber mit dem E-Bike dauert die Auffahrt auch nicht allzu lang). Danach ging die Straße in einen Schotterweg über. Wir passierten die Seebachalm, und danach überwanden wir eine kurze Steilstufe. In einem großen Bogen gelangten wir schließlich zur Jagdhausalm. Hier begann dann auch der holprige Fahrweg ins Schwarzachtal. Diesem folgten wir in leichtem Auf und Ab, wobei wir am immer schmäler werdenden Weg doch relativ weit ins Tal hineinfahren konnten (der Weg ging weiter ins Tal hinein, als früher). Irgendwann war dann aber doch Endstation für die Bikes.

Wir blieben auf der rechten Seite des Baches, und wanderten noch kurz taleinwärts. Sobald wir die Gratausläufer des Törlspitzes umrundet hatten, begannen wir, weglos über Grashänge in Richtung des bereits sichtbaren Schwarzachspitzes aufzusteigen. Nach einem ersten flachen Aufstieg begannen wir, einen Bach nach links zu überqueren. Das war jedoch nicht die beste Idee, da wir so kurz über einen brutal steilen und sehr rutschigen Hang aufsteigen mussten. Zum Glück wurde es bald wieder flacher, und wir konnten weiterhin geradewegs nach oben steigen. Es folgte eine weitere Bachquerung nach links, und wir stiegen über die immer flacher werdenden Hänge auf.

Schließlich erreichten wir das Schuttkar unter dem Schwarzachspitz. Das Ziel war, nun in die letzte direkt erreichbare Scharte im Südgrat aufzusteigen. Dorthin führte ein immer steiler werdender Schutthang, der jedoch überraschend angenehm zu begehen war. Erst ganz oben wurde das Gehen dann doch ein wenig anstrengender. Von der Scharte aus sah der Weiterweg zum Schwarzachspitz erstmal unmöglich aus: Ein steiler Plattenschuss versperrte uns scheinbar weiter oben den Weg. Doch wir wollten es trotzdem versuchen. Wir mussten über ein kurzes Gratstück aufsteigen (I, brüchig, aber nicht ausgesetzt), um zu den Platten zu kommen. Dort merkten wir, dass sich der Plattenschuss über schuttbedeckte, sehr brüchige Leisten überwinden ließ (I-II). Zwischendrinn waren auch kurze Stellen in sehr schuttigem Gehgelände. 

Oberhalb der Platten erblickten wir den spektakulären Gipfelaufbau vom Schwarzachspitz, der von hier aus täuschend einfach aussah. Doch um dorthinzukommen, musste ein brüchiger und ausgesetzter Reitgrat überwunden werden (II), gefolgt von einem luftigen, brüchigen Abstieg (II, heikel). Nach einem kurzen Aufstieg fanden wir einen Durchgang zwischen 2 Türmen - durch diesen war Willy Kreuzer vor 18 Jahren ebenfalls gegangen, also müssten wir richtig sein. Doch nach dem Durchgang war auf den ersten Blick Endstation! Eine senkrechte Wand versperrte den Weg zum Gipfelaufbau. Bei genauerem Hinsehen erkannten wir ein paar brüchige Tritte, und weiter oben ein paar zumindest halbwegs brauchbare Griffe. Aber ohne Seil ging hier natürlich nichts mehr. Zum Glück konnten wir das Seil am Turm rechts von uns mit einer Bandschlinge befestigen. Zuerst querte ich gesichert aufsteigend die Wand - selbst mit Seil war das wegen der kaum vertrauenswürden Tritte ziemlich heikel, und die Griffe waren weit auseinander (III). Wieder am Grat, musste ich noch einen Spreizschritt machen (II), um zu einem festen Felsen zu kommen, wo ich eine weitere Bandschlinge fixieren konnte. Mein Tourenpartner kletterte dann nach. Da wir über die Stelle wahrscheinlich auch wieder absteigen mussten, fixierten wir das Seil. Die letzten Meter zum Gipfel waren zwar - wie sollte es auch anders sein - extremst brüchig, aber immerhin leichter (I).

Die Gipfelrast konnten wir wegen des bevorstehenden Abstieges natürlich nicht genießen. Auch ein Weiterweg am Grat zum Südlichen Rotenmannkopf kam nicht in Frage (gilt als sehr anspruchsvoll und ultimativ brüchig), daher begannen wir mit dem Abstieg. Und hier machte uns bereits der Gipfelaufbau - im Gegensatz zum Aufstieg - schon ordentlich Probleme, weil die Tritte durch die größere Belastung beim Abstieg teilweise zerbröselten. Zurück beim Seil kletterte ich zuerst über die fürchterliche Querung zurück - ich griff beim heikelsten Schritt auch ins Seil. Da mein Tourenpartner das Seil nicht hierlassen wollte, musste er extrem vorsichtig abklettern - im Abstieg war diese Stelle noch viel schlimmer, als im Aufstieg. Der anschließende Reitgrat war dagegen ein Spaziergang. Da auch beim Abstieg über den Plattenschuss die Leisten teilweise zerbröselten, stieg ich hier - im Gegensatz zu meinem Tourenpartner - ebenfalls gesichert ab (ein massiver Block diente als Sicherungspunkt).

Es war bereits 12:00, dennoch wollten wir die Rotenmannköpfe zumindest versuchen. Dazu rutschten wir ostseitig durch eine steile Schuttflanke ab. Sobald es möglich war, umgingen wir so ostseitig im Schutt den Schwarzachspitz und den Südlichen Rotenmannkopf. Nördlich des Südlichen Rotenmankopfes entdeckten wir eine sehr steile Schuttflanke zurück zum Grat. Die Flanke war extrem steil (bis 45 Grad), und die Sand- bzw. Schuttschicht war teilweise gar nicht so dick. Deshalb war der Aufstieg natürlich äußerst anstrengend. Wir befanden uns nun genau zwischen Mittlerem und Südlichem Rotenmannkopf. Der kurze, flankenähnliche Nordgrat des Südlichen Rotenmannkopfes war überraschenderweise nie schwerer als I, allerdings genauso brüchig wie der Schwarzachspitz. Im unteren Teil mussten wir kurz in die ostseitige Flanke ausweichen. Recht schnell erreichten wir so den Gipfel. Paradoxerweise befand sich der Gipfelsteinmann auf einem niedrigeren Felskopf weiter südlich, daher stiegen wir nicht hinüber.

Nach der Gipfelrast stiegen wir vorsichtig wieder über den Grat ab (im Abstieg deutlich unangenehmer, teilweise ausgesetzt). Der Südgrat zum Mittleren Rotenmannkopf war anfangs einfach (I), erst die letzten Meter zum Gipfel mussten wir kurz über brüchige Leisten überwinden (I-II, luftig). Wir wollten den Nördlichen Rotenmannkopf auch noch erreichen, daher kletterten wir gleich weiter. Gleich am Anfang mussten wir ca. 6 Meter über eine steile, Gratkante absteigen (III-, brüchig). Wenig überraschend brach mir auch mal wieder ein Tritt aus - aber damit hatte ich sowieso gerechnet, also halb so wild. Danach ging es die 6 Meter wieder bergauf zu einem Gratkopf, der ca. gleich hoch ist, wie der Mittlere Rotenmannkopf (vielleicht ist er sogar der Mittlere Rotenmannkopf). Der folgende steile Abstieg erfolgte nur kurz am Grat, wir mussten meist in der westlichen Flanke wenige Meter neben dem Grat klettern (II, fürchterlich brüchig, ausgesetzt). Nur die letzten Meter kletterten wir wieder an der Gratkante ab (II, luftig).

Der folgende Aufschwung zum Nördlichen Rotenmannkopf sah nun sehr einschüchternd aus. Die untersten Meter waren aber noch Gehgelände, auch der erste kleine, brüchige Turm war machbar (II). Es folgte noch eine weitere Steilstufe (II, brüchig, sehr ausgesetzt). Nun standen wir unter einem kurzen, elendig brüchigen Aufschwung (III). Mangels Sicherungsmöglichkeit, und weil ein Abstieg über diese Stelle wohl zu gefährlich gewesen wäre, drehten wir hier um. Wir wussten schließlich nicht, ob es die 2 leichteren "Wege" zum Nördlichen Rotenmannkopf wirklich gibt...

Mangels Alternative mussten wir den gesamten Grat über den Mittleren Rotenmannkopf zurückklettern (in diese Richtung ein wenig besser). Beim Abstieg über die steile Schuttflanke war wegen der dünnen Schuttschicht Vorsicht geboten, aber es war zumindest ohne Nervenflattern halbwegs schnell machbar. Wir kehrten mit einem ordentlich anstrengenden Gegenanstieg zurück zur Scharte im Südgrat des Schwarzachspitzes. Der westseitige Abstieg ging im oberen Teil schnell vonstatten. Danach querten wir absteigend im Schutt nach Süden, um zum günstigsten Abstiegshang zu kommen (siehe Bilder). Der Abstieg über den Hang war stellenweise auch ein wenig steiler, aber in Summe kein Problem. Der Rückweg zum E-Bike dauerte dann auch nicht mehr lange. Zum Abschluss der Tour konnten wir - mit genug Akku für die Gegenanstiege - talaus bis zum Parkplatz in Erlsbach rollen, wo wir um 17:15 ankamen.

Erwähnenswertes:

1. Der Südgrat zum Schwarzachspitz ist ein haarsträubend heikler und auch gefährlicher Anstieg. Besonders die Schlüsselstelle (III) ist seilfrei Harakiri - wegen der Brüchigkeit. Zumindest kann man die Stelle mit Bandschlingen absichern. Falls die letzten Tritte abbrechen, wird die Stelle wohl vollkommen unpassierbar werden. Eine Umgehung ist auch nicht besser. Doch auch der restliche Anstieg ist alles andere als trivial. Ein weiteres Problem ist, dass das Gelände im Abstieg so viel unangenehmer zu begehen ist, wie im Aufstieg. Ich habe nicht mitgezählt, wie viele Tritte beim Abstieg einfach zerbröselt sind. Nicht nachmachen!

2. Auch der Nordgrat des Schwarzachspitzes gilt als äußerst brüchig und schwierig - laut Willy Kreuzer ist der Abschnitt zwischen Schwarzachspitz und Südlichem Rotenmannkopf der schlimmste Teil der Überschreitung. Ob das noch immer so ist, ist jedoch unklar... Die Scharte zwischen diesen Gipfeln ist von Osten her über eine steile Schuttflanke erreichbar.

3. Der Südliche Rotenmannkopf kann im Schwierigkeitsgrad I bestiegen werden. Wegen der Brüchigkeit des kurzen Nordgrates (mehrere Tritte zerbröselten) - in Kombination mit ausgesetzten Stellen - ist aber auch dieser nicht für Unerfahrene geeignet (T5+). Sein Südgrat soll unangenehmer und schwieriger sein.

4. Der Mittlere Rotenmannkopf ist ein wenig einfacher als der Südliche Rotenmannkopf - trotz der unangenehmen letzten Meter zum Gipfel. Der Übergang zum 2. Gipfelpunkt ist jedoch um einiges heikler und schwieriger (III-, brüchig).

5. Der Übergang vom Mittleren zum Nördlichen Rotenmannkopf ist mindestens ein heikler 3. Schwierigkeitsgrad (an der Umkehrstelle). Leichter soll der Nördliche Rotenmannkopf anscheinend sowohl über den SO-Grat, als auch vom Schwarzachtal durch eine Rinne und über den kurzen Nordgrat erreichbar sein - ohne Gewähr. Der Nordgrat beginnt übrigens nicht in der Scharte, wo der Normalweg zur Daberspitze beginnt, sondern eine Scharte weiter im Süden.

6. Der Übergang vom Nördlichen Rotenmannkopf zur Daberspitze hat zahlreiche anspruchsvolle und brüchige Stellen II - besser umgeht man diese großräumig westseitig (250 Hm Abstieg).

7. Skitouren zu diesen Gipfeln kann man wegen der Schlussgrate vergessen.

8. Alle 4 Gipfel können auch vom Umbaltal oder von der Reichenberger Hütte aus durch das Daber- und Karbachtal erreicht werden. Diese Zustiege sind jedoch länger, als jener durch das Schwarzachtal (für diesen sollte man ein Rad verwenden).

9. Bei einem Unwetter herrscht dort oben Lebensgefahr!

10. Der Südliche und Mittlere Rotenmannkopf sind für Bergsteiger, die die totale Einsamkeit suchen, und mit brüchigem Klettergelände umgehen können, 2 schöne Gipfel. Die Landschaft ist schon während des Aufstieges wunderschön, am Gipfel kann man sich auf eine tolle Aussicht auf die höheren Gipfel in der Umgebung einstellen. Der Schwarzachspitz gehört mittlerweile jedoch zu den anspruchsvollsten Gipfeln in der Gegend, daher lohnt sich seine Besteigung nicht mehr!

Tourengänger: BigE17


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Kommentare (3)


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Nyn hat gesagt: Wahnsinn und Genialität...
Gesendet am 11. September 2024 um 15:46
.... liegen bekanntlich nicht weit auseinander. ^^
Bei euren Touren stockt mir oft der Atem, seid ihr doch in einem fast aussterbenden "Bereich" des Alpinismus ziemlich souverän unterwegs.
Kaum begangenen Gipfel, weglos, dazu schwer oder nicht absicherbare Abschnitte...
Vermutlich können das nur wenige "Gleichgesinnte" -zu denen ich mich auch noch ~zähle- wirklich einschätzen, was ihr da macht!
"Landschaftlich großartig" - um das gern geflügelte Wort für überaus einsame, wilde und fordernde Touren mit teils hohem Risiko-Potential zu benutzen, sagt da nur vergleichsweise schwach aus, was Einem -und mir auch bei ähnlichem Tun- das Salz in der Suppe ist: Abenteuer

Wo hat man das so heutzutage denn noch? Beim Klettern in der Halle oder an Plaisir-Routen kaum

VG, Nyn

BigE17 hat gesagt: RE:Wahnsinn und Genialität...
Gesendet am 11. September 2024 um 23:25
Ich muss zugeben, dass es mich schon ein wenig reizt, auf solche kaum begangenen Gipfel zu steigen.

Auf solchen Abenteuern weiß man nämlich nicht, was genau einen dort erwartet. Oft trifft man dabei auf wirklich tolle Routen, die eigentlich zu Unrecht in Vergessenheit geraten sind. Immer wieder mal kommt halt leider auch sowas wie auf dieser Tour dabei raus - das passiert aber eher selten (heuer ist mir das nur hier und auf der Barmerspitze passiert).

LG BigE17

Vielhygler hat gesagt: RE:Wahnsinn und Genialität...
Gesendet am 12. September 2024 um 11:03
Danke für das Berichten und die eindrücklichen Fotos! So kann ich Touren "miterleben", die weit außerhalb meines Könnens liegen!
VG Andreas


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