Rötspitze (3495m) durch die SW-Flanke - gletscherfrei auf den höchsten Deferegger


Publiziert von BigE17 , 13. März 2020 um 14:09.

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Venedigergruppe
Tour Datum:30 August 2017
Wandern Schwierigkeit: T6- - schwieriges Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS-
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Mountainbike Schwierigkeit: L - Leicht fahrbar
Wegpunkte:
Geo-Tags: A   I 
Zeitbedarf: 10:45
Aufstieg: 1850 m
Abstieg: 1850 m
Strecke:34 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von Mittersill über den Felbertauern oder von Lienz kommend nach Huben. Hier führt eine Straße nach Westen ins Defereggental. Man fährt bis Erlsbach, dann zweigt rechts die mautpflichtige Straße zum Alpengasthaus Oberhaus ab. Über diese erreicht man das Oberhaus, wo sich ein großer Parkplatz befindet.
Unterkunftmöglichkeiten:Keine

Am Ende des Virgentales in Osttirol ragt ein hoher, vergletscherter Gipfel empor. Besonders beim Sonnenaufgang sieht er sehr schön aus, denn dann leuchtet er rotbräunlich. Daher kommt auch der Name - Rötspitze. Von dieser Seite führt offensichtlich kein gletscherfreier Anstieg zum Gipfel - auch wenn man am Nordgrat nur 2-mal kurz den Gletscher betreten muss. Bei den Anstiegsvarianten übers Wellitzkees sieht das schon ganz anders aus. Deutlich häufiger wird die Rötspitze von Südtirol aus über die Lenkjöchlhütte erklommen. Auch da muss man über Gletscher gehen. Es gibt aber noch ein drittes Tal, von dem aus man die Rötspitze erreichen kann - das Defereggental. Hier erkennt man sie aber erst, wenn man kurz vor der Jagdhausalm ins Schwarzachtal hineinblickt. Dort ragt sie wie ein riesengroßer Eckzahn in die Höhe, kaum zu glauben, dass dort der leichteste Anstieg zum Gipfel führt.

Ein Tourenpartner und ich hatten beschlossen, diesen Weg zu begehen. Zu dieser Tour ließen wir uns vom Bericht von Cubemaster hier auf hikr.org inspirieren. Ursprünglich hatten wir geplant, seiner Route zu folgen. Durch Zufall entdeckten wir aber eine einfachere und viel weniger mühselige Alternative, wodurch wir auch sehr viel Zeit sparten.

Start war um 6:00 beim Oberhaus im Defereggental. Um viel Zeit zu sparen, verwendeten wir für den ersten Teil der Tour Mountainbikes. So fuhren wir über den sehr langen Fahrweg bis zur Jagdhausalm. Wir konnten noch kurz weiterfahren, nach einer Brücke war dann doch Endstation. Das ewig lange, flache Schwarzachtal lag nun vor uns. Wir überquerten sofort den Bach, um auf der angenehmeren linken Talseite weit ins Tal hineinzuwandern. Erst als wir bei der markanten 100m hohen Steilstufe ankamen, bei der sich auch das Tal verengt und ein Wasserfall in der Mitte hinunterstürzt, wechselten wir vorher auf die rechte Talseite zurück. Nun erwartete uns ein steiler Grashang. Dieser war auf dieser Seite überraschend problemlos zu überwinden. Oberhalb wurde es flacher, und wir wanderten mit leichtem Höhengewinn weiter taleinwärts. Dabei mussten wir auch den einen oder anderen Bach überqueren. Dabei staunten wir nicht schlecht, als wir auf der anderen Talseite 2 Personen sahen, die dort gezeltet hatten und gerade aufgestanden waren.

Sobald wir den markanten Westgrat der Daberspitze umgangen hatten, begannen wir, über mäßig geneigte Grashänge nordostwärts aufzusteigen. Auf ca. 2600m erreichten wir so einen sanft geneigten Boden. Hier fanden wir viele vom Gletscher geschliffene Platten vor. Im Nordosten ragte unser Ziel gewaltig in die Höhe. Wir bewegten uns nun auf den breiten SW-Sporn der Rötspitze zu. Dabei musste die eine oder andere kleine Steilstufe umgangen werden. Schließlich standen wir vor dem Sporn. Ein Aufstieg war hier nicht möglich. Wir querten weiter nach Norden, um unseren geplanten Aufstiegsweg zu erreichen.

Am nördlichen Ende des SW-Sporns stach uns dann allerdings eine schmale, steile Felsrinne ins Auge. Ganz spontan beschlossen wir, einen Aufstieg durch diese zu versuchen. Als wir emporstiegen, merkten wir, dass sie doch steiler und viel länger war, als wir dachten. Die Schwierigkeiten hielten sich vollkommen in Grenzen (I-II), der Fels war jedoch brutal brüchig und das Vorwärtskommen war dementsprechend sehr anstrengend. Gottseidank war die Rinne nicht besonders ausgesetzt. Am Ende der Rinne erreichten wir Grasbänder, die durch sehr kleine Felsstufen getrennt waren. Wir kletterten hier leicht nach oben (I), diese Stelle war aber doch recht ausgesetzt. Wir erreichten ein kurzes Gratstück, das keine Kletterstellen beinhaltete. Nach wenigen Metern standen wir auf einem riesigen Plateau. Es war mäßig steil ansteigend. Das interessante daran war, dass es wie ein geneigtes Fußballfeld wirkte - es gab keine größeren Unebenheiten.

Was wir noch nicht wussten: Wir hatten bereits alle Schwierigkeiten gemeistert, nur noch eine leichte Kletterstelle wartete auf uns. Doch zuvor überwanden wir das Plateau. Obwohl es nicht allzu steil war, war das Fortbewegen im Schutt doch recht mühsam. Am Ende wurde es ein wenig steiler und wir gelangten zu einer kurzen, schmalen Gratpassage. Ein beeindruckendes Felsenfenster markierte diese Stelle. Hier wartete noch eine ausgesetzte Kletterstelle (I), der Fels war aber fest und das Gratstück war nicht länger als 5 Meter. Nun baute sich vor uns die steile Gipfelflanke der Rötspitze auf. Uns erwartete ein kurzer Plattenschuss. Dieser war jedoch von zahlreichen Schuttbändern durchzogen, so konnten wir diesen unschwierig überwinden. Danach wurde es über einen längeren Zeitraum sehr steil (ca. 45° im Schutt). Dieses Stück war dann nochmals furchtbar anstrengend. Schließlich flachte die Flanke kontinuierlich ab und irgendwann tauchte das Gipfelkreuz auf. Dieses war dann in wenigen Minuten erreicht.

Hier erwartete uns eine Wahnsinnsaussicht, lediglich im Westen ist die Fernsicht wegen der dunstigen Luft und der Wolken am Zillertaler Hauptkamm eingeschränkt. Ansonsten kann man von den Dolomiten über den Großglockner bis zur Reichenspitze alles sehen. Wegen der angenehm warmen Temperaturen dauerte die Gipfelrast länger als gewöhnlich.

Schließlich begannen wir mit dem sehr langen Abstieg. Dabei folgten wir dem Aufstiegsweg über die Schuttflanke nach unten. Das Abrutschen ging sehr schnell und war ungefährlich, auch die oberste Kletterstelle war kein Problem. Über das Plateau konnten wir weiterhin schnell unsere Höhenmeter verlieren. Dann gelangten wir wieder zur Schlüsselstelle. Bei den ausgesetzten Bändern war Vorsicht geboten, in der Rinne herrschte besonders beim Abstieg große Steinschlaggefahr. Diese Passage war nun aber trotzdem sehr viel angenehmer als beim Aufstieg.

Nun entschieden wir uns dazu geradewegs durch den Schutt nach unten zu gehen. Auf ca. 2500m kamen wir so im Tal an und überquerten sofort den Bach. Auf dieser Seite mussten wir zwar auch den einen oder anderen Bach überwinden, es waren aber dann doch deutlich weniger. Hier trafen wir dann auch auf die Personen, die wir am Morgen beim Zelten beobachtet hatten. Sie erzählten uns, dass sie auch auf die Rötspitze steigen wollten. Sie scheiterten jedoch an der Wand unter der Wellitzscharte, alle andere Versuche waren ebenfalls vergebens. Als sie schließlich am Rotenmannjoch standen, gaben sie auf.

Den letzten, steilen Grashang konnten wir auf dieser Talseite ohne Probleme überwinden, da Steigspuren den Weg vorgaben. Nun stand uns noch der ewig lange Talhatscher durch das ganze Schwarzachtal bevor. Den Bach überquerten wir erst ganz zum Schluss, um zu den Fahrrädern auf der linken Talseite zu gelangen. Die Abfahrt mit mehreren Gegenanstiegen zog sich noch ordentlich in die Länge. So erreichten wir erst um 16:45 den Parkplatz.

Erwähnenswertes:

1. Der Aufstieg durch die SW-Flanke auf die Rötspitze ist der einfachste Weg, den Gipfel zu erreichen. Man berührt keinen Gletscher, die Kletterstellen sind einfacher als auf den anderen Wegen. An der Schlüsselstelle erwartet einen brüchige Kletterei im Schwierigkeitsgrad I-II. Absturzgefahr besteht nur auf den Grasschrofenbändern oberhalb von der Rinne sowie bei der oberen Kletterstelle. In der Rinne selbst herrscht Steinschlaggefahr, deshalb sollte man auf alle Fälle einen Helm tragen. Eine Seilsicherung ist nicht notwendig.

2. Diesen Weg sollte man nur von Mitte August bis Mitte September begehen, weil die Route dann aper ist. Liegt Schnee in der Gipfelflanke, wird die Tour schnell ungenießbar.

3. Der Zustieg vom Oberhaus ist sehr lang. Der Aufstieg ist nicht unter 6 Stunden zu bewältigen, auch der Abstieg dauert seine Zeit. Daher braucht man einen ganzen Schönwettertag, um diese Tour durchzuführen. Nach der Jagdhausalm gibt es keine Schutzhütte mehr, um sich vor einem Wettersturz zu schützen.

4. Ein alternativer Zustieg zur SW-Flanke führt von der Lenkjöchlhütte über das Rotenmannjoch. Dann sollte man auf jeden Fall in der Hütte übernachten, da dieser Zustieg als Tagestour noch länger ist, als jener vom Oberhaus.

5. Der Aufstieg durch die SW-Flanke ist wegen des vielen Schuttes äußerst anstrengend. 

6. Der Einstieg in die Rinne ist schwierig zu finden. Deshalb umrundet man den SW-Sporn am besten von Süden nach Norden. Dabei hält man stets nach einer begehbaren, schmalen Felsrinne Ausschau. Dann sollte man sie finden.

7. Die anderen, schwierigeren Anstiege auf die Rötspitze werden alle häufiger begangen. Dabei müssen spaltenreiche Gletscher überquert werden, die Kletterschwierigkeiten betragen am NO-Grat III-, der Südgrat ist wegen der Ausaperung des Wellitzkees auch relativ schwierig.

8. Man sollte nicht versuchen, vom Schwarzachtal zur Wellitzscharte aufzusteigen. Da wird man an einer brüchigen Schrofenwand scheitern.

9. Wenn man dieser Tour gewachsen ist, erwartet einen ein tolles Bergerlebnis. Auf dieser Route ist man sehr wahrscheinlich allein unterwegs, und schon während des Aufstieges ist das Panorama fantastisch. Je höher man kommt, desto besser wird es. Bei klarer Sicht kann man vom Gipfel aus von der Presanella über den Ortler bis zur Hochalmspitze alles sehen.

Tourengänger: BigE17


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Kommentare (2)


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Cubemaster hat gesagt: Glückwunsch!
Gesendet am 14. März 2020 um 00:16
Coole Tour habt ihr da gemacht! Ich habe damals auch versucht, einen Weg auf den Rücken zu finden, aber unten die Rinne habe ich nicht gefunden und weiter oben geht das wohl nicht mehr so gut...
Ob eure Route wirklich so viel weniger mühselig ist, würde ich mal dahingestellt lassen, dein Bericht klingt jedenfalls auch nach ziemlich viel Anstrengung und Kampf :-)

Weiterhin schöne Touren!
Cubemaster

BigE17 hat gesagt:
Gesendet am 14. März 2020 um 08:45
Also ich hab immer wieder vom Rücken hinuntergeblickt. Es ist ganz sicher nicht möglich, diesen weiter oben noch zu erklimmen. Dabei habe ich auch ungefähr deine Route gesehen. Also die sah dann doch noch einmal viel steiler und mühsamer aus.

Ich wünsche dir ebenfalls weiterhin schöne Touren und freue mich auf interessante Berichte!
LG


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