Gambarogno TI: Monti di St. Abbondio-Caviano
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Welch ein schöner Spätherbst-Tag! Und doch liegt der ganze Gambarogno bis mittags im Schatten. Das stört mich vorerst wenig. Der Lago Maggiore schillert in der Morgensonne und die Brissago-Inseln grüssen herüber. Darüber majestätisch der zerrissene Abhang des Gridone im gleissenden Licht. Etwas bleich wegen dem abziehenden Morgennebel.
Ich steige zum hübschen Dörfchen St. Abbondio über alte Steinpfade und – treppen durch die weiten Kastanienwälder hinauf. Beim Parkplatz zweigt gut signalisiert die „Via Croce“ bergwärts ab. Trotz mit Laub überdeckten nicht immer sichtbaren Steinen komme ich dank den Stecken relativ schnell vorwärts. In Kehren führt der „gepflästerte“ Weg an den Bildstöckchen vorbei. Kunst und Wandern passen gut zueinander. Zwischen den Bäumen erscheint sie: Die „Chiesa del Lauro“, auf etwa 510m. Ein schmuckes Kirchlein mit zwanzig Plätzen in den beidseitigen Kirchenbänken, Vorbau und Balkon hoch über dem Lago. Mit seinen weiss getünchten Wänden ist sie sogar von Ascona aus sichtbar! Neuerdings mit kleiner Glocke mit Blech vom Regen geschützt.
Nach einer kleinen Rast steige ich weiter, von apern Stein zum andern hüpfend und so ein Ausrutschen verhindernd, immer noch in den Kastanienhainen, gegen die Monti empor. Wenn ich mir die Mühsal der Leute vorstelle, welche diese sechshundert Höhenmeter täglich absolviert haben, die Kinder noch barfuss in den Kastanien-Igeln herum hopsend, dann scheint sich die Welt stark verändert zu haben. Denn heute ist es Vergnügen, ja ein Luxus, ein Rustico in den Monti zu besitzen. Plötzlich lichtet sich der Kastanienwald und eine etwa zwei Quadratkilometer grosse Ebene breitet sich aus. Am oberen Rand von Steinhäusern gesäumt, darüber wieder Wald. Gewächshaus. Pergola. Kastanienholz wird verheizt. Ein Esel trompetet sein „Iaahh-Iaahh“ in die heile Welt hinaus, herzzerreissend. Monti di St. Abbondio auf 800m.
Oberhalb des „Dorfbrunnens“ – er hat immer fliessendes Wasser – führt das rot/weiss markierte Weglein weiter zu einem Hauptwegweiser: Dort Monti di Gerra, da Monti di Caviano, hinauf zum Paglione. Wegen den feuchten und rutschigen Pfaden wähle ich den angenehmsten. Und der führt nach Caviano. Leichter Anstieg, dann mehr oder weniger horizontal durch das Medee di Caviano. Medee kommt von Heuwiesen her. Wildheuen als grosses Privileg: mit Sicheln und auch Sensen diese zu mähen, bündeln und zu Tale zu tragen. Heute alles bewaldet. Knapp ist der Pizzo Vogorno & Friends durch die Kastanienstämme zu erkennen. Blau schimmernd der Lago Maggiore in der Tiefe. Noch keine Sonne. Kalt. Sau kalt. Ziehe mir noch die Handschuhe an.
Nach dem Valle di Nio rutsche ich langsam gegen die Monti di Caviano, 675m, hinab. Stöcke voraus. Eingangs Dorfs wird ein neues Drahtmaschengitter montiert. Gegen die eindringenden „Cervi“ (Hirsche), welche nicht nur Rosenknöpfe fressen. Nein, sogar ganze Büsche. Eine Plage. In der Pfanne und dazu einem guten Glas Merlot taugten sie besser. Aber der Garten gehört keinem Jäger.
Monti di Caviano –früher auch „Cento Campi“ genannt – befindet sich Nähe der Grenze nach Italien, welche südlich des Dorfes durch einen Bachgraben von Dirinella/Zenna zum Sasso Torricello hinauf führt. Schmugglerdorf? Heute kann man darüber sprechen. Noch vor dreissig Jahren stand eine Tafel am Wegrand nach Caviano: Attenzione. Text in Italienisch mit Hinweisen auf das Grenzgebiet und wie man sich zu verhalten habe. Heute steht nur noch die Halterung und die Zollstation Dirinella ist 24 Stunden geöffnet. Alles fliesst!
Saftige Wiesen mit Kühen und Schafen. Hier lebt eine Bauernfamilie mit teils Wurzeln jenseits des Gotthards. Das muss eine Riesenarbeit gewesen sein, aus dem vergandeten Kulturland neues zu roden und bebauen! Ein Lebenswerk, das Beachtung verdient.
Ich erreiche Caviano, 274m, mit seinen engen und verschlungenen Gässchen. Da kann man sich Stunden verweilen. Auch im Restaurant. Entlang den Markierungen gelange ich auf einen Kehrplatz. Von dort horizontales Strässchen an Ferienhäusern vorbei in den Graben des Valle di St. Abbondio. Nach der massiven Steinbogenbrücke steige ich rechts hoch zu den Ruinen der ehemaligen Mühle. Abenteuerparadies für grössere und kleinere Kinder. Nicht ungefährlich. Ich stelle mir die Bauten vor, als sie noch in Betrieb waren. Wie hat so eine Mühle mit den riesigen Mahlsteinen getönt, wie roch das frisch gemahlene Mehl? Kastanienmehl? Ich komme mir vor wie im achtzehnten Jahrhundert. Wie waren damals die Leute gekleidet? In meiner Phantasie bewegt sich plötzlich das Wasserrad. Jemand flucht im Innern. Rrrrrr….Rrrrrr knarrt das Umlenkrad. Der obere Stein beginnt sich zu drehen. Höhe anpasssen. Mahlgut einführen…Der Siebrahmen klappert. Mehlsäcke werden angehängt, abgesackt, in die Diele hinaufgetragen. Korn hinuntergebracht. Jäh werde ich aus meiner Tagträumerei gerissen: Bei der massiven Bogensteinbrücke liegt ein zerbrochener Mahlstein. Mit Moos überwachsen.
Zurück nach St. Abbondio. Die Sonne erreicht den Glockenturm.
Oh Wonne – die Sonne. Morgen soll es bis auf 1600m hinunter schneien. Das kann nicht wahr sein!
Tourengänger:
Seeger

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