Auf den Spuren von Alpin_Rise: Überschreitung des Westlichen Alpsteins zwischen Stein und Stoss


Publiziert von marmotta , 22. November 2009 um 22:09.

Region: Welt » Schweiz » St.Gallen
Tour Datum:21 November 2009
Wandern Schwierigkeit: T6- - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: Alpstein   CH-SG 
Zeitbedarf: 9:00
Aufstieg: 2500 m
Abstieg: 2450 m
Strecke:Stein - Rotensteinwald - Schlofstein - Neuenalpspitz - Gmeinenwishöchi - Windenpass - Lütispitz - Stöllen - Schafwisspitz - Schwarzchopf - Alp Schrenit - Stoss - Alp Schrenit - Alp Mutteli - Alp Altstofel - Laui - Chüeboden - Unterwasser
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Stein SG
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Unterwasser, Post
Kartennummer:LK 2514 Blattzusammensetzung "Säntis-Churfirsten" (1:25.000)

Betrachtet man die drei Ketten des Alpsteingebirges, fällt auf, dass sich in der nördlichen Kette vom Säntis aus ein einzelner Arm nach Südwesten erstreckt, der im Süden keine Entsprechung hat. Die Überschreitung dieses Arms von Stein im Toggenburg bis zum Säntis stellt eine anspruchsvolle, aber wunderschöne Grattour dar. Seit ich diesen Bericht von Alpin_Rise gelesen hatte, war es mein Wunsch, die Überschreitung dieses westlichen Teils der nördlichen Alpsteinkette auch einmal zu versuchen. Zum Einen reizte mich die Idee, der logischen Linie des Gratverlaufs zu folgen, zum Anderen hatte ich -mit Ausnahme der Lütispitz- bis anhin noch keinen einzigen der Gipfel zwischen Stein und Säntis bestiegen. Dass die Realisierung des Projekts auch noch Ende November möglich sein würde, hätte ich allerdings nie gedacht. Nun ist mir an einem schönen und aussergewöhnlich milden Novembertag die Überschreitung zumindest bis zum Stoss (2110 m) gelungen.

Der sehr guten und detaillierten Routenbeschreibung von Alpin_Rise ist nicht viel hinzuzufügen, ein paar persönliche Eindrücke und Einschätzungen zu Charakter und Schwierigkeit der einzelnen Gratabschnitte möchte ich dennoch wiedergeben:

Stein SG - Schlofstein - Neuenalpspitz (T3)

Start in Stein (834 m) um kurz nach 7.00 Uhr, der Tag bricht gerade an. Angesichts der Länge der geplanten Tour und des frühen Eindunkelns wäre ein noch früherer Start durchaus angebracht (der erste Abschnitt bis zur Abzweigung P. 1327 im Rotensteinwald  könnte problemlos im Dunkeln bzw. mit Stirnlampe bewältigt werden), jedoch gibt es für mich leider keine frühere öV-Verbindung. Über Schlofstein (1600 m) gelangt man auf schmalen, sich teilweise verlierenden, aber gut markierten Pfaden auf den Neuenalpspitz. Schöner Sonnenaufgang über den Churfirsten! Zeitbedarf: ca. 1h 45 min

Neuenalpspitz - Gemeinenwishöchi - Windenpass - Lütispitz (T3+)

Ein besonders schöner, aber durch das ständige Auf und Ab und das etwas anspruchsvollere Gelände mit kleinen Felsstufen auch recht anstrengender Gratabschnitt, auf dem man bereits das weit entfernte Ziel, den Säntis, vor Augen hat. Auf dem Abstieg vom höchsten Punkt der Gmeinwishöchi kamen wir aus unerfindlichen Gründen vom markierten Steig ab und bestiegen so unfreiwillig noch das kleine Gipfelchen östlich von P. 1755. Etwas heikler Abstieg nach Norden Richtung "Alpli" (T5).

Auf dem Lütispitz (1987 m), auf den man vom Windenpass (1630 m) auf gutem Bergweg über die steile Südwestflanke gelangt, trafen wir zum ersten Mal an diesem Tag auf andere Wanderer - es sollte bis zum Schafwisspitz das einzige Mal sein. Zeitbedarf für diesen Abschnitt: ca. 2 h

Lütispitz - Stöllen (T5)

Nun verliessen wir das markierte und ausgeschilderte Wanderwegenetz. Der Abstieg vom Lütispitz über den sehr steilen und felsigen Nordostgrat stellte im Vorfeld das erste grosse Fragezeichen dieser Tour dar: Geht das überhaupt bei den vorherrschenden Verhältnissen mit schattseits teilweise hartgefrorenen Schneeresten und rutschigem Gras? Mit etwas Vorsicht und dem Einsatz des Pickels ging es dann problemlos, der darauffolgende, teils scharfe Grat wird am besten direkt auf der Schneide begangen. Dieser Abschnitt ist stellenweise sehr luftig, stellt aber für den geübten Berggänger kein wirkliches Hindernis dar. Dennoch war es für mich der anspruchsvollste Gratabschnitt bzw. der Abschnitt, auf dem man am meisten aufpassen muss.

Kurz vor der Alp Oberwis weitet sich der Grat wieder und man gelangt über den grasigen Rücken zu den felsigen Stöllen, deren Felstürme von weitem ziemlich unnahbar aussehen. Aus der Nähe betrachtet ist es halb so wild, rote Markierungspunkte leiten auf der Nordseite in blockigem Gelände um die Wände der Stöllen herum, bis auf der Ostseite unschwierig über Schrofen zum höchsten Punkt (1967 m) hochgekraxelt werden kann. Das sich in ziemlich desolatem Zustand befindliche Gipfelbüchlein weist für dieses Jahr gerade einmal 6 Einträge auf. Eine Überkletterung der Stöllen von Westen ist möglich (ca. II), eine Felsrinne vermittelt einen Zugang durch die Wand des Westgipfels, von dem in die Scharte vor dem Hauptgipfel abgeklettert und von dort auf den höchsten Punkt geklettert werden kann. Die Erkletterung der Wand über die Rinne bzw. den Kamin (kleine, leicht überhängende Verschneidung im oberen Drittel) sah für mich machbar aus, zu diesem Zeitpunkt wusste ich jedoch nicht, ob es eine einfachere Abstiegsmöglichkeit gibt, und liess es bleiben.

Stöllen - Schafwisspitz (T3+)

Dieser Gratabschnitt bietet keine nennenswerten Schwierigkeiten, man kann durchweg der Gratschneide folgen, einige luftige Stellen könnten in der Südflanke umgangen werden. Langsam machte sich die Wärme bemerkbar (und das Ende November!) und die aus Gewichtsersparnisgründen knapp kalkulierten Getränke (2,5 l) neigten sich bereits dem Ende zu - noch stand aber ein letzter, anspruchsvoller und spannender Gratabschnitt bevor!

Schafwisspitz - Schwarzchopf - Alp Schrenit (T6-)

Nachdem wir auf dem Schafwisspitz (schönes Gipfelkreuz und Gipfelbuch) zum zweiten Mal an diesem Tag auf andere Menschen getroffen waren, entschloss sich ein sympathischer Wanderer, mit uns die Südflanke des Grats bis unter den Schwarzchopf (1949 m) zu queren, um den Aufstieg auf diesen Gipfel zu rekognostizieren. Nachdem ich die Ausführungen von Alpin_Rise und 360 über eine direkte Begehung des Grats zwischen Schafwisspitz und Schwarzchopf gelesen hatte, zog ich es vor, nach Abstieg zu einer kleinen Scharte nördlich P. 1851, die Südflanke zu queren, um dann wieder zum Fuss des Schwarzchopfs aufzusteigen. Die Südflanke kann auf einer Höhe von ca. 1800 m leicht traversiert werden, es hat dort einen Pfad, der allerdings momentan schneebedeckt ist. 

Obwohl der Aufstieg über die grasige Flanke auf den Südgrat des Schwarzchopfes nicht schwierig aussah, hatte ich Zweifel, ob eine Besteigung bei den derzeitigen Verhältnissen gefahrlos durchzuführen sei. Die grasige, mit einzelnen Felsen durchsetzte Flanke unterhalb des Südgrats ist sehr steil (ca. 60 °) und verlangt günstige Verhältnisse: Im Frühsommer bzw. Herbst, insbesondere unmittelbar nach Abschmelzen des Schnees sind die plattgedrückten Grasplanggen tückisch glatt und bieten dann kaum Halt, was vor allem im Abstieg fatal wäre. Ich probierte es zunächst über die vermeintlich einfachste Route in einer seichten Rinne, welche entlang eines felsigen Sporns verläuft. Nach wenigen Metern traute ich der Sache nicht, zu glatt und unzuverlässig waren die Grasbüschel, auf denen ich mich zwar hätte hocharbeiten können, die mir aber für den Abstieg (ohne Sicherung) zu heikel erschienen. So schnell wollte ich mich aber nicht geschlagen geben, also versuchte ich es -nach vorsichtiger Querung auf fast senkrechtem Gras- in einer Gras-Schrofen-Rinne, die zwar noch steiler als die erwähnte seichte Grasrinne war, aber einen entscheidenden Vorteil hatte: Man konnte sich an Felsen, die eigenartige, warzenähnliche Knubbel (gibt es eine geologische Erklärung für dieses Phänomen?) aufweisen, perfekt hochziehen und im Abstieg auch wieder herunterlassen. Auf dem Grat angekommen, folgte ich diesem -einen äusserst luftigen Aufschwung mit unangenehm brüchigen Felsen (T5+) übersteigend- bis zum grasigen Gipfel, der völlig unspektakulär ist: Kein Gipfelsteinmann, geschweige denn ein Gipfelbuch - nur ein Stein mit Vermessungspunkt. Umso eindrücklicher ist der Blick hinüber zu den senkrechten Wänden der Scherenspitzen!

Wieder auf den Weideböden unterhalb des Schwarzchopfs angekommen, setzten wir unsere Querung bis zu der Scharte nördlich von P. 1843 fort, von der in einem (teilweise schneegefüllten) Couloir direkt zur Alp Schrenit abgestiegen werden kann. Die ersten steilen Meter heikel über glattes, plattgedrücktes Gras, dann problemlos über Schnee und Geröll, wo ich mir mehr Sorgen um meine Schuhe als um uns machte, zu den Alphütten von Schrenit (1646 m).

Alp Schrenit - Stoss (T4, I)

Nachdem die Zeit nun doch schon weit vorangeschritten war, war klar, dass es allenfalls noch für eine Besteigung des Stoss-Gipfels (2110 m) reichen würde. Die Fortsetzung der Überschreitung bis zum Säntis mit Besteigung der restlichen "Wander-Gipfel" Silberplatten, Grenzchopf und Grauchopf war völlig utopisch, zudem war ich mit meinen Kräften ziemlich am Ende und hatte keinen Tropfen mehr zu Trinken (um diese Jahreszeit gibt es auch keine Möglichkeit, seine Getränkevorräte aufzufüllen, ausser vielleicht Schnee schmelzen...) - die ungewöhnliche Wärme an diesem Tag hatte mir mehr zu schaffen gemacht, als ich mir jemals hätte vorstellen können!

Von der Alp Schrenit zügig in 45 min auf den Gipfel des Stoss. Zunächst auf dem markierten Wanderweg über den Lauchwissattel (1830 m) und die grasige und völlig schneefreie Westflanke, bis der markierte Steig in die steile Nordflanke Richtung Stosssattel leitet. Nach einigen Metern wurde mir die Sache in der abschüssigen Flanke auf hartgefrorenem Schnee und somit ohne Wegtrassee zu heikel. Zurück ging´s aber auch nicht mehr gefahrlos, also kraxelte ich etwas heikel über moosiges, sehr steiles Schrofengelände direkt auf den Westgrat des Stoss (T5). Von dort ohne Schwierigkeiten auf Rasenbändern in eine steile Gras-Schrofenrinne queren (T4), die direkt unter den felsigen Gipfel des Stoss führt. Die letzten Meter durch einen Kamin (I) auf den kleinen Gipfel mit Blechfahne und Gipfelbuch. Ich genoss in völliger Einsamkeit die wunderschöne und unbeschreibliche Stimmung, welche die untergehende Sonne erzeugte, bevor ich eilig den Abstieg antrat zur Alp Schrenit, wo meine Tourenbegleitung wartete.

In der hereinbrechenden Dämmerung stiegen wir dann von der Alp Mutteli (1564 m) direkt über steile Grashalden (Viehpfade bzw. vereinzelte Wegspuren) zur Alp Altstofel (1297 m) ab. Von dort in völliger Dunkelheit auf der eintönigen Fahrstrasse über Laui nach Unterwasser, wo uns das Postauto nach Nesslau-Neu-St. Johann gerade vor der Nase wegfuhr. Dies war uns jedoch gar nicht so unrecht, konnten wir so doch noch auf ein feines (und wohlverdientes) Nachtessen einkehren und auf die gelungene Tour anstossen. :-)

Fazit: Eine wunderschöne und eindrückliche Gratwanderung, die mit zum Schönsten gehört, was ich im Alpstein bislang erlebt habe. Die Gesamtüberschreitung des Westlichen Alpsteins bis zum Säntis mit Besteigung aller Gipfel, die ohne Kletterei erreichbar sind, ist jedoch -will man sie an einem Tag durchführen- auch konditionell eine echte Herausforderung. Zudem muss beachtet werden, dass -insbesondere ausserhalb der Alp-Saison- alle Getränke und Essen für den Tag mitgenommen werden müssen. 
 

  

Tourengänger: marmotta


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Kommentare (4)


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alpstein hat gesagt: Gratulation zu dieser großartigen Tour !
Gesendet am 23. November 2009 um 06:54
...und das Ende November.

Vom westlichen Alpstein kenne ich bisher nur die Lütispitz. Es wird Zeit mal diese Pendenz abzubauen.

Grüße
Hanspeter


marmotta hat gesagt: RE:Gratulation zu dieser großartigen Tour !
Gesendet am 23. November 2009 um 18:57
Danke! Ich kann Dir diese Tour nur wärmstens empfehlen - das dürfte genau nach Eurem Geschmack sein. Und wenn Ihr es gemütlicher nehmen wollt, könnt Ihr ja einfach 2 Touren daraus machen.

Seltsamerweise war auch für mich der Westliche Alpstein bis dato ein weisser Fleck auf der Landkarte -irgendwie hatte ich mich all die Jahre auf den östlichen Teil bzw. die südliche Kette eingeschossen. Hikr sei dank, bin ich auf die Idee gekommen, dies zu ändern! :-)

Herzliche Grüsse

Michael

Alpin_Rise hat gesagt: Den Traumtag auch dort genutzt
Gesendet am 23. November 2009 um 18:08
Schöner Bericht, weit gekommen Ende November!
Während du über den Grat gekraxelt bist, sind Berglurch, Bergzottel und ich unten an Schattenwand und Unghür geklettert - vielleicht haben wir euch sogar gesehen? Bericht folgt.
Bei meiner Begehung im Hochsommer hatte ich auch mit Wassermangel zu kämpfen, die Quellwolken fehlten.
G, Rise

marmotta hat gesagt: RE:Den Traumtag auch dort genutzt
Gesendet am 23. November 2009 um 19:03
Danke auch Dir, Rise! Hab schon erfahren, dass Ihr die Wände unterhalb des Schwarzchopfs unsicher gemacht habt. Hätt ich´s gewusst, hätt ich mit dem Fernglas nach Euch geschaut - offenbar haben wir uns ja auch in Unterwasser nur um Minuten verpasst (wir hätten uns im "Sternen" ja fast die Klinke in die Hand geben können!)

Bin gespannt auf Deinen Bericht!

Herzliche Grüsse

Michael


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