Mittlere Vogesen: Inversions-Sonnenaufgang, Gefrorenes, Kraxeliges und Historisches


Publiziert von Schubi , 30. Januar 2024 um 14:14.

Region: Welt » Frankreich » Vogesen » Alsace » Vosges Alsace
Tour Datum:14 Januar 2024
Wandern Schwierigkeit: T4- - Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: F 
Aufstieg: 606 m
Abstieg: 606 m
Strecke:16 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:An der D 130 kann man auf dem Seitenstreifen gegenüber des Beginns des Pfads hoch zum Neuntelstein parken.
Zufahrt zum Ankunftspunkt:s.o.

Inversions-Wetterlagen sind was tolles. Besonders eindrücklich sind sie, wenn man während einer Tour auf ihre Wolkendecke mit Perspektive zur Sonne hin, im Gegenlicht, blicken kann. Für Inversionen über der Oberrheinebene bietet sich in meiner Region dafür in den Abendstunden der Schwarzwald an, für morgendliche Touren jedoch sind die Vogesen besser geeignet, drüben bei unseren französischen Nachbarn. Aber wie im Schwarzwald sind dort die meisten Gipfelkuppen und -Hänge, auch hoch gelegene, leider bewaldet. Es braucht daher etwas Kartenstudium, um offene Stellen zu finden mit einigermassen unverstelltem Blick ostwärts in die Rheinebene. Und so bin ich in den Mittleren Vogesen auf den Aussichts-Felsen Neuntelstein (971 m) gestoßen sowie auf den davon nicht weit entfernten, unbekannt-unbedeutenden Steinhubel (894 m) mit einer offenen Stelle an seiner Gipfelkuppe. Im Waldgebiet zwischen-unterhalb von ihnen wiederum sehe ich auf der Amtlich Topographischen Karte einige Symbole für (namenlose) Felsformationen, die mal erkundet werden könnten und auch eine Ruine ist dort versteckt: Château du Kagenfels. Aus diesen Zutaten nun habe ich mir eine Rundtour zusammengestrickt.

Für golden aufgehende Sonnen hat George Duke Morning Sun eingespielt und also ist dies der Berichts-Soundtrack.


Start von der D 130 weg, sie führt unterhalb des Neuntelsteins entlang und ein Pfad von ihr zu ihm hoch. Anders als sein Name suggeriert ist er alles andere als eine kompakte Felswand, sondern reich zergliedert mit einigen Zacken und Türmen. Soprtkletter-Routen gibt es darin, und bestimmt auch einige Kraxelmöglichkeiten. Ich jedoch muss auf die Uhr schaun und spare mir dies für die wärmeren Monate auf. Wegen eines umgestürzten Baums kürze ich durchs Gelände ab, dabei bereits schöne Sicht über die seitlichen Ausläuf-Felsen des Neuntelsteins hinweg auf die weite Wolkendecke, noch eine Viertelstunde vor Sonnenaufgang. Schliesslich durch ein paar Schrofen ganz herauf zum Aussichtspunkt auf dem Neuntelstein (971 m), grandios ist hier der Blick übers Wolkenmeer, das am Horizont begrenzt wird von dem schönen gelben Streifen der Dämmerung, kurz bevor die Sonne sichtbar wird. Man hat hier einen beachtlichen 180-Grad-Blick, der die ganze Linie des jenseits der Rheinebene liegenden Schwarzwalds einschliessst. Die Luft ist noch klar und so kann ich im fernen Süden auch erstaunlich deutlich die Zacken der Berner Alpen bewundern. Dazwischen die zur Rheinebene abfallende Ostflanke der Vogesen und einige ihrer südlichen Gipfel. Nun ist es soweit, die Sonne steigt über den Schwarzwald-Horizont und breitet ihre Strahlen über die Wolkendecke der Inversion aus. Ein rundum prächtiges Schauspiel, auch wenn Kälte und Wind inzwischen etwas in die Glieder kriechen. Kurz hintereinander finden sich noch zwei Wanderer ein. Nach ausführlicher Foto-Doku des Tagesbeginns nun weiter gen Nordwest, auch entlang der bald folgenden offenen Hochfläche La Soutte (P. 941). Eine große Artenvielfalt findet sich auf diesem geschütztem Gebiet laut einer Infotafel. Heute ist hier alles zugeschneit, aber der Blick kann erneut weit schweifen, diesmal gen mittlerem und nördlichem Schwarzwald. Der dortige Hauptkamm hebt sich schön aus der Wolkendecke heraus mit der Hornisgrinde (1164 m) als höchstem Berg und Blickfang mit ihrer prägnanten Sargdeckel-Silhouette. Etwas absteigend dann zur Querung der Landstraße D 214 und dahinter leicht ansteigend über P. 845 zum Steinhubel (894 m). Wenige Meter östlich seiner höchsten Stelle ist ein Hochsitz und gleich anschliessend findet sich die gen Rheinebene steil abfallende offene Fläche, die ich beim Kartenstudium entdeckt hatte. Das ist offenbar die Abschuß-Schneise des Jägerstands, Happy Hunting. Aber Dank der Jägerschaft hier also eine weitere tolle Fernsicht.

Auf einem etwas zugewachsenem Weg nordwestwärts weiter, absteigend ins Gewann Wildbretsrain (sic!). Meine Hoffnung war, dort die Nebelgrenze zu erreichen und ggf. etwas zu unterschreiten. Aber für mein Weiterkommen heute machen nach Karten-Konsulation und auch leichter Routen-Änderung nur Wege Sinn, die "leider" oberhalb des Nebels verlaufen. Sehr herrlich jedoch bringt die Sonne die frost-überzogenen Äste der hiesigen Buchen zum Brillieren, davon werden natürlich auch ein paar Foto-Studien gemacht. Weglos durch herabrieselnden Frost runter zum markierten Weg GR 531, ihn gequert und hier im Gewann Eisenbachhang weiterhin abwärts abkürzend eine Rückegasse genutzt, um dann noch tiefer erneut auf die D 214 zu treffen. Auf ihrem Asphalt zum Glück nur 200 m hoch gelaufen, dabei den Eisenbach überquert und dann den nächst links abzweigenden Weg genutzt, südostwärts gen P. 534. Recht eben, aber abwechslungsreich kurvig nun zur Querung des Ruisseau l'Ehn. Dieses Bächlein ist heute geschmückt mit vielen Kunstwerken aus Eis, Ursache dürfte wohl der neuliche Temperatursturz mit gleichzeitig großen Niederschlagsmengen gewesen sein. Jedenfalls staune ich nicht schlecht, was es an diesem Bach und einem namenlosen Zufluss an kristallenen Preziosen zu entdecken gibt und mache viele Fotos. Den dahinterliegenden Fahrweg rechts hoch parallel zum Bachlauf genommen und weiter oben abzweigend gen Südost geschwenkt, hier auch den Ruisseau Moosbach sowie nochmals den Ruisseau l'Ehn gequert und weitere Eiskunst bestaunt.

Zwischen den Gewannen Wolfsbruck und Weisenmuenchen nun verzeichnet die Karte namenlose Felsformationen im Gehülz, also mal weglos dorthin gestapft. Nicht allzu hoch sind diese zwei in Linie liegenden Blockhäufen und schnell erkraxelt. Seltsamerweise ist das sie umgebende Terrain fast flach/kaum abfallend. Denn aus dem Waldboden heraus-verwitternde Felsen finden sich ja allermeistens an Hängen... Aber vielleicht wurden diese Blöcke halt einfach von gelangweilten Wildschweinen aufgeschlichtet. Oder von einem fleissigen Obelix? Beides sollte man im Zeitalter des Postfaktischen in Betracht ziehen. Vom zweiten Haufen aus ostwärts einen Bachlauf gequert und hoch zum nächsten Fahrweg. Dieser führt nordostwärts, circa parallel zur 600-Meter-Höhenlinie. Damit steuere ich die nächste Felsformation an, die ich mir auf der Topo-Karte vorgemerkt hatte und diese nun (direkt rechts des Wegs) ist deutlich größer. In schöner Kraxelei und freier Linienwahl also mal herauf. Die Schneeauflage stört kaum, da nur dünn. Bergseitig wieder herab und kurz durchs Waldgelände weglos höher, da winkt mir auch schon ein weiterer Granithaufen durch die Bäume hindurch zu. Er weist eine interessante Wollsack-Verwitterung auf und schaut abweisender aus als seine Vorgänger. Auch wenn seine höchste Stelle nicht erkraxelbar ist, führt mich eine schmale Rampe und bissel Handeinsatz fast bis ganz nach oben, nämlich in eine kleine Scharte neben dem "Gipfel". Von dort aus entdecke ich, dass es direkt dahinter schönerweise felsig weitergeht, ein vertikal mehrfach gegliederter Turm folgt. Also runter in den Sattel gekraxelt und mal nach einem Aufstieg geschaut. Im rechten Bereich gibt es eine steile Rinne mit offenbar ein paar Absätzen drin. Ich komme aber nur bis ins obere Drittel, finde da für's Finale keinen rechten Hebel mehr, auch die Schneeauflage wird hier heikel. Also leider wieder runter, aussenrum und von hinten auf den Turm drauf. Für einen Fernblick reicht die Höhe nicht, aber ich freu mich über den Rückblick, diese beiden Felsgruppen sind sicher ein weiteres Highlight der Tour. Nun noch kurz weglos durch die Bäume und einen nächst-querlaufenden Forstweg angepeilt.

Der Weg (ich gehe in links/nordwärts) führt nun schon unterhalb entlang vom Château du Kagenfels (670 m). Diese mittelalterliche Burg entstand im 13. Jh. und wurde vermutlich im Dreissigjährigen Krieg aufgegeben. Wie so viele Ruinen im Elsass wird sie (seit 1999) nach und nach in ehrenamtlicher Arbeit restauriert und teil-rekonstruiert. Bald schon geht rechts hoch ein unauffälliger, nicht kartenverzeichneter Pfad zum Château. Einige Bereiche der Ruine sind für's Publikum gesperrt, in anderen darf man sich umschauen. Das mache ich ausführlich und komme sogar bis ganz nach oben. Dort auch ein schöner Blick über die umliegenden Wälder. Eine virtuell drehbares 3D-Modell der Anlage kann man hier aufrufen und eine tolle Zeitraffer-Zeitreise in die Kagenfels-Baugeschichte hier.

Und weiter: meine Gehrichtung wendet sich nun wieder zurück gen Ausgangspunkt. Der dunkle Tann wird oft sehenswert von der Sonne aufgeheitert. Ein Jäger bringt mit seinem übergroßen Pickup Unruhe in den Forst. Soll ich mir auch so was kaufen und den Jagdschein machen?  Später komme ich in einem welgosen Abschnitt an einem Futterautomaten vorbei, in der Nähe eines Hochsitz. Die Jägerei heute entspricht wohl auch nimmer dem Romantik-Ideal ... Auf markiertem Abschnitten gen Kreuzweg P. 687 und westwärts geschwenkt auf den Fahrweg. In der Mitte seiner später folgenden S-Kurve verlasse ich ihn links/hangaufwärts und steuere weglos die letzte für heute markierte Stelle an, erneut was Felsiges. Schöner Wollsack-Granit liegt auch hier, nicht allzu hoch, im Forst und wird neugierig durchkraxelt. Ausnahmsweise ist diese Formation bergseitig mal nicht easy abzuklettern, deswegen seitlich herab und dann P. 791 angesteuert, wo ich wieder auf einen markierten Pfad treffe. Auf ihm Schlussaufstieg gen P. 973 südwestwärts. Interessanterweise ist dieser Vermessungspunkt namenlos, obwol er die höchste Stelle des Bergs darstellt, an dessen Südflanke der Neuntelstein klebt. An ihm komme ich zum Abschluss der Tour nun erneut vorbei. Jetzt ist hier mehr Leben, Besucher kommen und gehen. Ich bewundere auf ihm erneut die tolle Fernsicht über's (zwischenzeitlich etwas geschrumpfte) Hochnebel-Wolkenmeer und mache mich schliesslich auf zum letzten kurzen Abschnitt, herunter zum wartenden Wagen an der D 130.

Fazit: die Tourenidee hat sich unterm Strich gelohnt. Minuspunkte sind jedoch die langen Hatscher auf Fahrwegen/Forstwegen. Pfadige Abschnitte nur zu Beginn und Ende sowie rund um die Ruine. Ein Vorteil wiederum ist, dass die weglosen Abschnitte zwischendurch zu den Felsen hin recht fix gehen, der Waldboden ist nicht sehr verblockt ist und die Bäume stehen locker-weit.  T4-/I nur für die Felskraxeleien, Rest T1-2.

Tourengänger: Schubi
Communities: Photographie


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