Das Loch von Lochezen


Publiziert von PStraub , 29. Oktober 2023 um 20:51.

Region: Welt » Schweiz » St.Gallen
Tour Datum:29 Oktober 2023
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-SG 
Aufstieg: 180 m
Abstieg: 180 m

Wer dem Walensee entlang unterwegs ist, kann die teils riesigen Löcher in der Felswand nordwestlich von Walenstadt nicht übersehen. Dass es sich um einen ehemaligen Steinbruch handelt, ist offensichtlich. Von denen gab es entlang des Sees einige, schliesslich war der Transport der Steine auf dem See einfach und billig. Und andere Transportarten standen am Nordufer sowieso keine zur Verfügung, noch heute gibt es da weder Eisenbahn noch Strassen.


Doch von vorn:
Von Irènes Wohnung sieht man Lochezen am gegenüberliegenden Ufer - es lag nahe, einmal an einer der bei der Ortsgemeinde Walenstadt "käuflichen" Führungen teilzunehmen. Und siehe da: Irène bekam einen Gutschein für eine solche Führung als Geburtstagsgeschenk.

So traf sich an diesem föhnigen Sonntag eine Gruppe von Freunden, um sich von einem der dafür ausgebildeten Führer in die Geheimnisse der Anlage einweihen zu lassen.

Die Führung beginnt im Kaliforni, wo heute ein Rebberg ist. Früher stand hier die Fabrik der «Marmorbrüche & Cementfabrik Wallenstadt». Kaliforni kommt von "calcis furnus" = Kalkofen, man nimmt an, dass schon zur Römerzeit hier Kalk gebrannt wurde.
Die in diesem Werk verarbeiteten Steine wurden im Bergwerk Seemühle gebrochen. Und zwar bergmännisch, also mit Stollenvortrieb.

Der erste Teil der Route führte durch einige dieser Stollen, welche sich dort, wo die Schicht der begehrten Zementstein-Formation dick war, auf viele Meter hohe Hallen ausweiten. Der ganze Berg ist hier von einem Labyrinth von Gängen durchzogen, da die Steine nicht nur gebrochen, sondern durch Fallstollen zum See hinunter transportiert werden mussten.

Am Eingang dieses Teils des Bergwerks hatte die Armee im Zweiten Weltkrieg ein Feldspital aufgebaut, welches erst für ein paar hundert Verwundete geplant war, am Schluss aber über 1000 hätte aufnehmen können. Diese Anlagen wurden nach dem Krieg zurückgebaut, es sind nur noch ein paar Fundamente der unterirdischen Baracken zu finden.

Im Ersten Weltkrieg verkaufte der damalige Eigentümer seine Fabrik an die Schmidheinys, welche die Produktion nach Unterterzen verlegten. Ab dann wurde das in Lochezen gebrochene und aufbereitete Gestein per Ledischiff über den See gebracht. Dafür wurden Verladeanlagen gebaut, deren "Nachfahren" noch heute am Ufer zu sehen sind.

Später ging man vom Stollenvortrieb zum Tagbau über, die jetzt sichtbare Mulde im Hang zeigt, welche gewaltigen Mengen an Stein hier abgebaut worden sind. Und die von weitem sichtbaren Löcher darüber sind vom Tagbau freigelegte, ältere Stollen.

Heute betreibt in dieser Mulde die Firma Geobrugg-Fatzer AG zusammen mit dem Bundesamt für Umwelt ein Testzentrum für Steinschlagnetze.

Eine Führung dauert rund drei Stunden, das Gelände entspricht streckenweise einem T3. Die vorgeschriebenen Helme sind kein Luxus, immer wieder hört man Steine fallen. Das Areal ist im Besitz der Ortsgemeinde (= privat), das Betreten der Anlage ohne Führer ist verboten.

Besonders anstrengend ist die Route nicht. Da man am Schluss entlang dem Trassee der Schrägseilbahn absteigt, welches man mehrmals kreuzt, ist eine gewisse Trittsicherheit vorteilhaft.

Tourengänger: PStraub, mami6


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Kommentare (3)


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Kik hat gesagt: Kaliforni
Gesendet am 29. Oktober 2023 um 22:11
Danke für diese Herkunftserklärung. Das könnte auch für das Californie oberhalb Belprahon zutreffen.
Viele Grüsse
Kik

mb4 hat gesagt:
Gesendet am 30. Oktober 2023 um 11:29
Interessanter Bericht. Einmal mehr!

Erhält man während der Führung Wissenswertes und Einblick in die Techniken zum Abbau und das Kalkbrennen (von den Römern bis heute)? Oder ist es einfach eine Wanderung auf spannenden und für Privatpersonen gesperrten Wegen?
Anders gefragt: ist die Führung den Preis wert?

PStraub hat gesagt: Führung
Gesendet am 30. Oktober 2023 um 13:27
Eine Führung kostet pauschal CHF 300, eine Gruppe kann etwa 20 Personen umfassen.
Bei unserem Führer darf man sagen, es war den Preis wert. Ob bei allen, weiss ich natürlich nicht.

Wir gingen eher auf den Abbau und den Abtransport des Gesteins und nicht auf die Weiterverarbeitung ein. Brauchte ich auch nicht, es gab eine Zeit, da kannte ich jedes zweite Zementwerk in Westeuropa ;)


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