Heiliggeist 1621m - Finisher


Publiziert von georgb , 22. Oktober 2023 um 16:41.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum:21 Oktober 2023
Wandern Schwierigkeit: T1 - Wandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 11:00
Aufstieg: 1100 m
Abstieg: 1100 m
Strecke:48km

Zu Fuß von Bruneck nach Kasern!? Das klingt für mich überhaupt nicht verlockend, lange, flache Wanderungen sind mir zuwider und ermüden mich unverhältnismäßig stark. So lässt mich der Vorschlag zunächst kalt und ich winke desinteressiert ab.
Trotzdem googel ich und bei der Streckenlänge zucken meine Augenbrauen: 42 Kilometer, da war doch was!? Ein Marathon fehlt mir noch in meinem Tourenbuch und sofort bin ich dabei. Es ist mir zwar ein Rätsel, woher die Faszination für diese Strecke rührt, aber auch ich kann mich der Magie der 42,195 km nicht entziehen.
Die Zahl ist übrigens nur zustande gekommen, weil es bei den Olympischen Spielen in London 1908 von Schloss Windsor bis zur königlichen Loge im Stadion mehr als die bis dahin üblichen 25 Meilen waren. Also hat man einfach die zusätzliche Strecke angehängt. 42,195 km sind es dadurch geworden und bis heute geblieben!?
Laufen, Gehen oder Kriechen ist als Fortbewegungsmethode erlaubt, das traue ich mir zu ;-) Unser Zeitlimit ist sehr großzügig, an die
Bestzeit werden wir, wie all die anderen maratoneti auch, sowieso nicht herankommen, uns genügt es zu finishen.
Wir rechnen mit mehr als 10 Stunden, inclusive Verpflegungspausen und starten weit vor Sonnenaufgang. Das Wetter ist bestens geeignet, nicht zu warm, nicht zu kalt und gelegentliche Schauer zur Erfrischung. Das entscheidende Kriterium werden die Beine und Füße sein, wir horchen in unsere Körper, wo könnte der erste Schmerz einsetzen?
Doch zunächst sind wir beschwerdefrei und voller Energie, das Stundenmittel ist hoch und bei Sonnenaufgang haben wir schon annähernd ein Drittel der Strecke geschafft. In Sand erlauben wir uns die erste Pause mit Cappuccino und Brioche, denn ab hier beginnt die Steigung durch den "Klopf" ins Ahrntal.
Der anfängliche Elan ist verflogen und die Schritte werden merklich langsamer trotz Koffeindoping. Nach der Engstelle betreten wir das zauberhafte Ahrntal und das setzt kurzfristig neue Energien frei. Bis Steinhaus schaffen wir es noch, doch dann brauchen wir eine längere Mittagspause mit neuerlicher Kalorienzufuhr. Die Hälfte der Strecke liegt schon weit hinter uns, aber sie hat auch ihre Spuren hinterlassen, langsam zwicken die Oberschenkel und Druckstellen an den Füßen machen sich bemerkbar.
Das Aufstehen wird zur Qual und es braucht ein paar Minuten bis zum normalen Gehrhythmus. Beim Bäck in St. Jakob ist unsere nächste Verpflegungsstelle, bevor die letzte Herausforderung ansteht, die Prettauer Klamme. An der Straße entlang durch die Tunnel ist keine gute Option, also steigen wir zur Kirche in St. Peter an und umgehen die Klamme etwas oberhalb auf dem markierten Steig im Wald. Das kostet uns beträchtliche Höhenmeter und die ersten Teilnehmer beginnen zu schwächeln, ist unser Ziel etwa in Gefahr?
Wieder zurück an der Straße lacht uns das Ortsschild Prettau an, jetzt sind wir nicht mehr aufzuhalten. Ich schaue aufs Display, die Strecke war weitaus länger als geplant und noch vor der Kirche von Prettau sind die 42,195 voll, "Gratuliere zum Marathonfinisher!" Noch können wir uns nicht richtig freuen und lassen uns leicht erschöpft bei Helmut und Cilli nieder. Was für ein netter Zufall, sie haben soeben den Almabtrieb beendet und wir stoßen mit ihnen an.
Die Versuchung ist groß, die Bushaltestelle ist nebenan und in 10 Minuten wären wir von allem Leiden erlöst ;-) Doch unser Ziel war und bleibt Kasern, wir raffen uns ein letztesmal auf und nehmen die fehlenden zweieinhalb Kilometer unter die wackligen Beine. Für mich gibt es kein Halten vor der Heilig-Geist-Kirche, ich gebe nicht nach, bis ich meine Sünden am Schliefstein abgestreift und ein Dankgebet in der Kirche gesprochen habe. Es ist vollbracht!
Doch jetzt bin auch ich an meine körperliche Grenze gekommen, die Füße tun weh und die Oberschenkel schmerzen. Ich laufe nicht mehr rund und quäle mich zurück nach Kasern. Der Bus wartet schon, wir sinken in die Sitze, was für eine Wohltat, gibt es etwas Schöneres als Busfahren? ;-)
Es ist mehr als nur ein Marathon geworden, am Ende stehen über 47 Kilometer auf dem Zähler und es war eine großartige Erfahrung. Kaum zuhause mit schmerzenden Beinen und erschöpft, steht fest, es war nicht das letzte Mal als Finisher in Kasern!


Tourengänger: georgb


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Kommentare (4)


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Bertrand hat gesagt:
Gesendet am 3. November 2023 um 15:01
>ich gebe nicht nach, bis ich meine Sünden am Schliefstein abgestreift und ein Dankgebet in der Kirche gesprochen habe

Bravo ! En plus zero-carbone...ça c'est la vraie classe à mes yeux...

Bertrand hat gesagt:
Gesendet am 3. November 2023 um 15:11
>Kaum zuhause mit schmerzenden Beinen und erschöpft, steht fest, es war nicht das letzte Mal als Finisher in Kasern!

Dis-moi quand tu y retournes, ça pourrait m'intéresser...

georgb hat gesagt: RE:
Gesendet am 4. November 2023 um 07:06
Der nächste Marathon geht von Bruneck nach Sexten!?

Bertrand hat gesagt: RE:
Gesendet am 6. November 2023 um 15:42
On viendra t'encourager ! On sera à Innichen du 27/1 au 3/2/2024...


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