Hochtour ab Clarahütte über NNO-Grat zur Rötspitze, danach am Grat zu Virgilkopf und Ahrner Kopf


Publiziert von Heidelberger Gipfelsammler Ötzi II , 22. September 2023 um 13:46.

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Venedigergruppe
Tour Datum:20 September 2023
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: ZS-
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A   I 
Aufstieg: 1900 m

Anmerkung:
Vor vielen Jahren hatte ich im AV-Führer nach einer Aufstiegsroute zur Rötspitze geschaut und bin dabei zur Überzeugung gekommen, sie über den NNO-Grat solo besteigen zu können. Abgesehen davon, dass sich in Alpenvereinsführern Fehler finden, haben sich die Verhältnisse seit damals auch durch Gletscherschwund bedingt natürlich verändert. 
Ich hatte vor der Tour die Vorstellung, man müsste diese Grattour am Vorderen Umbaltörl beginnen. Am Vorabend fragte ich in der Clarahütte nach, worauf mir gesagt wurde, vom Kleinen Philipp Reuter Biwak würden Steinmänner zum Grat hinaufführen. Später entdeckte ich bei "hikr.org" den Bericht von Matthias Pilz, der in Begleitung von dieser Scharte aus einen Versuch unternommen hatte, über den Grat zur Rötspitze zu gelangen, der jedoch nicht gelang. Ein ähnlicher Versuch, der vielleicht ebenfalls zum Scheitern verurteilt gewesen wäre, blieb mir also erspart!

Es war mir nicht möglich, am Vortag ab meinem Wohnort Garmisch früher in Prägraten Hinterbichl als um 15.15 Uhr anzukommen, während ab dem nur 22km entfernten Scharnitz eine Ankunft um 10.10 Uhr möglich wäre! Die Grenze zwischen Bayern und Tirol ist offenbar noch stark verfestigt, mindestens was den ÖPNV betrifft. Man kann auch sagen, dass die Verkehrsverbindungen von Garmisch ins nahe Tirol nicht sonderlich für Bergtouren dort geeignet sind!

Diese Tour sollte die vielleicht anspruchsvollste Solo-Hochgebirgstour meines Lebens werden, wenn man zu den Schwierigkeiten, die ich zu bewältigen hatte, noch ihre Länge miteinbezieht! Deshalb ist es mir ein Bedürfnis, davon zu berichten!

Bericht:
an der Endhaltestelle Hinterbichl Edelweiß angekommen, bot der Busfahrer mir an, da er eine Leerfahrt weiter ins Tal hinter vorzunehmen hätte, mich noch ein Stück mitzunehmen. Nach dem Ausstieg aus dem Bus marschierte ich flott zum nächsten Wegweiser, auf dem die Wanderung zur Clarahütte mit 3 Stunden angegeben wird (in der Schweiz stünde sicherlich 2h!). Anschließend stieg im gesteigerten Tempo zur Clarahütte in einer reinen Gehzeit von kaum mehr als 1h45min. auf. Die Umballfälle konnte ich ohne Beachtung passieren, da ich sie mir im September 22 schon ausgiebig angeschaut hatte.
Auf der Hütte wurde mir gesagt, dass der Anstieg zum Kleinen Philipp Reuter Biwak ca.1,5h daueren würde. Jedoch hatte dann wider Erwarten keine Lust mehr, an diesem Abend noch dahin aufzusteigen, auch weil es im Biwak etwas unkomfortabel werden würde. So blieb ich in dieser Nacht auf der Clarahütte.

Am nächsten Morgen brach ich kurz nach 06.00 Uhr auf. Weiter oben gibt es eine Abzweigung: offenbar verlief die frühere Route weiter oben, wo ich weiterging. Beim Rückweg am nächsten Tag fielen mir die Steinmänner mit Markierungen auf, die weiter unterhalb verlaufen. Vor einem schwierig zu überschreitenden Tobel führten links davon Begehungsspuren hinauf. Dort stieg ich soweit auf, bis der Tobel von einer geringen Vertiefung mit Blockwerk und Geröll abgelöst wurde. Unterwegs hatte ich auf der anderen Seite des Tobels einen Steinmann entdeckt, wollte aber nicht wieder absteigen. Weiter oben querte ich noch ein Stück die grasbewachsene Flanke, aber hinter der nächsten Geländekante ging es nicht weiter. Ich konnte den weiter unten querenden Steig sehen. So stieg ich etwa 40hm zu ihm ab. Am Biwak kam ich dann um 08.29 Uhr an. Die reine Gehzeit mit Abzug für den Verhauer betrug mindestens 2h, also deutlich länger, als nach Angabe auf der Hütte. Am Abend wäre ich also mit diesem in die Dunkelheit geraten! Nach dem Frühstück am Biwak brach ich wieder um 09.00 Uhr auf. Ich folgte den Steinmännern über ehemaliges Gletschergelände, das mit Gesteinstrümmern bedeckt ist. Zuletzt ging es sehr steil zum Grat hinauf. Über Blockwerk gelangte ich zur ersten anspruchsvollen Passage: eine plattige Felsflanke führt über mehr als 50hm zum Grat hinauf. Hier finden sich genügend Risse und Furchen, um schräg zum oberhalb verlaufenden Grat hinaufzuklettern (II-II+). Dort ging es etwas einfacher weiter. Es folgt ein Steilaufschwung (I-II) zu einem Felskopf. Nach einer flachen Passage musste ich über den nächsten Steilaufschwung hinaufklettern. Dort gibt es nur die Möglichkeit, durch einen kurzen kaminartigen Spalt hinaufzuklettern. Die Kletterstelle darin ist etwas knifflig! Es vergingen vielleicht 3 Minuten, bis ich die Lösung fand: Wegen der Enge dort ließ ich unterhalb den Rucksack mit Pickel und Steigeisen zurück. Leider dachte ich nicht daran, dass ich diese Ausrüstungsgegenstände weiter oben noch gebrauchen könnte u. dass ich, nachdem sich die Stelle nicht als allzu schwierig herausgestellte hatte, den Rucksack holen und ein zweites mal hinaufklettern könnte!
Mit der linken Hand muss man sich nach einem weit oben liegenen Griff strecken, der nicht gleich ins Auge fällt und an dem man sich gut festhalten kann. Man zieht ein wenig den Körper hoch, um dann den rechten Fuß nachzuziehen u. ihn auf eine ganz schmale Leiste zu setzen. Diese Stelle ist vergleichbar mit der Schlüsselstelle des NO-Grates der Trettachspitze, die ich letzter Jahr überwand, die mit III- bewertet wurde.

Oberhalb geht der Grat wenig schwierig weiter. Man erreicht eine Erhebung, die im Internet erwähnt wird und mehr als 3140m hoch ist, deren Name ich aber leider nicht mehr weiß. Sie fällt auf der anderen Seite höchstens 15m ab, weshalb sie keinen Gipfel darstellt. Anschließend geht es weiter zu einer Gratschulter. Es folgt die Untere Rötspitze. In ihre Richtung führt die Wegspur durch die etwas erdig-schuttige Flanke. Dort traf ich zwei junge Alpinisten, von denen einer ein Seil umgehängt hatte. Ich sprach sie auf den kurzen, aber steilen Eishang weit oben an, den ich unterwegs entdeckt hatte. Für ihn sollte man doch Pickel und Steigeisen brauchen! Gleich darauf verließ ich die Wegspur und machte den kurzen Abstecher zum Gipfelsteinmann der Unteren Rötspitze, bevor ich von dort etwa 30hm in die folgende Scharte abstieg. Danach ging es über eine flache Passage zwischen Grat und dem aperen Welitzkees auf der Ostseite. Die Route führt direkt neben einer Gletscherspalte vorbei. Es folgt der nächste Felsaufschwung, bevor eine kurze, flache Passage im Eis folgt, die zu dem o.g. kurzen Eishang führt. Unterhalb von ihm zog eine Fußspur in der dünnen Schneeauflage nach rechts zu einer Felsplatte mit rauer Oberfläche. Darüber beginnt der Spalt zwischen Eis und Fels, in den die Spur führte. Ich folgte ihr u. begann dort hinaufzuklettern. Eine schwierigere Stelle erforderte Geschicklichkeit und etwas Kraft. Oberhalb lag etwas Schnee, in den mein Vorgänger gegriffen hatte. Es war nicht das erst Mal, dass ich in Ermangelung von Steigeisen in einem, allerdings breiteren Spalt hinaufgeklettert war. Es folgt der oberste, sehr steile Felsaufschwung. An einer II+ Stelle brauchte ich etwas Zeit: Tritte in schmalen Rissen sind etwas geneigt, die Schuhspitze passt nicht ganz hinein. Für geübte Kletterer natürlich kein Problem, kann man sich immerhin gut mit den Händen festhalten, selbst wenn man vom benutzten Tritt abrutschen sollte. In diesem Schwierigkeitsgrat ist das aber schon unwahrscheinlich! Na gut, diese Stelle war dann wieder einmal leichter zu packen, als ich mir das vorher vorgestellt hatte! Eine blöde Angst macht es mir etwas schwer! Ein Stück weiter oben musste ich über eine zu beiden Seiten aufgrund von Felsabstürzen hin ausgesetzte Gratstelle klettern (II), bevor der Grat wieder breiter wird. Über Felsen geht es zum Gratabschnitt aus Schiefergestein, das durch Verwitterung abgerundet ist. Teils geht man auf der Westseite des Grates entlang, wo kleine, wannenartige Auswaschungen im Gestein gute Tritte bieten. Ich befand mich im Nebel, aber bald konnte ich das Gipfelkreuz sehen. Die Freude war groß, als ich kurz darauf dort stand! Eine Aussicht hatte ich jedoch keine! 

Nach der Gipfelrast trat ich den Abstieg über den Grat ab. Die Stelle mit II+ überwand ich langsam und mit Bedacht. Die Rinne war für mich im Abstieg leichter abzuklettern als im Anstieg. Dabei stemmte ich mich teilwiese einfach zwischen Fels am Rücken und Füßen am Eis. Im Riss kam ich auch gut hinunter, um gleich darauf den Rucksack wieder aufzunehmen. Etwas unangenehm gestaltete sich das Abklettern in der Plattenflanke. Nachdem unterhalb von meinem Standort eine schmale Furche, in die man die Füße setzen kann, nach unten abfällt, also geneigt ist, kletterte ich doch lieber ein klein wenig weiter oben zur Gratkante hin, die ich wenige Meter oberhalb der Scharte erreichte. Über den Grat bewegte ich mich dorthin, wo ich ihn erreicht hatte. Dort enden auch die Begehungsspuren. Ich blieb am zerklüfteten Grat. Erst musste ich zu einer Scharte absteigen, um dahinter in Kürze auf eine ca. 3040m hohe Erhebung zu klettern. Dahinter folgt eine ähnlich hohe Erhebung. Etwas unterhalb von ihr erblickte ich unerwarteterweise einen großen Mann, der etwa in meinem Alter war. Er rief mir etwas zu, was ich nicht verstand. Ich ging weiter in seine Richtung. Er fragte mich, wo ich herkäme, was ich beantwortete. Ich fragte, ob das ein Gipfel sei, wo er gerade abgestiegen ist, was er bejahte. Er nannte den Namen dieses Gipfels, den ich nicht verstand oder wieder vergaß. Es handelt sich um das Virglköpfl, wie ich später feststellte. Er sagte mir, dass auf seiner Rückseite schwierige Kletterei zu bewältigen wäre, da es mit einer Felswand abbricht. Er würde auf der anderen Seite in der Flanke etwas ausgesetzt queren, ich könnte seiner Spur folgen, die zu sehen wäre. Nachdem ich über Blockwerk das kurze Stück zum höchsten Punkt des Virglköpfls aufgestiegen war, folgte ich ihm in T6-Gelände. Eine ausgesetzte Kletterstelle mit II empfand ich etwas unangenehm, jedenfalls war wegen teils brüchigen Gesteins Vorsicht angesagt! Vor der nächsten Kante sah ich ihn noch einmal. Ich stieg erst einmal zur kleinen Scharte vor dem nächsten Felskopf auf u. schaute auf ihre Ostseite. Über ein paar Felsen über vielleicht 15hm könnte man abklettern, vermutlich nicht schwieriger als II+, um die mit Gesteinstrümmern bedeckte, nicht sehr steile Flanke zu erreichen, in der man unterhalb des Grates wenig schwierig queren könnte. Ich zog es dann allerdings vor, auf der anderen Seite des Grates zu queren. Der Mann war verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt! Er war wohl zügig unterwegs. Bald erreichte ich eine Felskante mit einer Steilflanke dahinter! Ich schaute sie mir ganz genau an, brauchte eine Weile, um den heiklen Abstieg (T6) anzutreten! Genau muss ich ihn nicht beschreiben, denn er ist nicht empfehlenswert u. wird auch kaum jemals gemacht! Jedenfalls hatte ich Entscheidungsschwierigkeiten, ob ich besser links oder rechts absteigen sollte. Rechts lag rötlicher, etwas rutschiger Schutt, weshalb ich nach links querte, um dort auf der Innenseite der Felskante abzuklettern (II), auf deren Außenseite eine Felsflanke abstürzt. Weiter unten ging es über kleine Felsstufen. Auf einem schmalen, etwas ausgesetzten Band. dessen Begehung deshalb vorsichtig vorzunehmen war, konnte ich nach rechts, also Richtung Grat queren. Zuletzt musste ich ca. 20hm über Blöcke zu ihm hinaufklettern. Am zerklüfteten Grat suchte ich mir meinen Weg Richtung Vorderen Umbaltörl. Dabei überschritt ich eine schwach ausgeprägte Erhebung, Die nächste zeigte sich ziemlich schroff, weshalb ich den Grat zur Ostseite hin verließ. Dabei musste ich etwas mehr als 50hm absteigen, wobei ich das zuletzt in nördliche Richtung querend zum Steig hin tat. Unten ging ein Bergläufer vorbei, den ich fragte, wohin er ginge. Er nannte die Clarahütte, worauf ich ihm zurief, er solle dort Bescheid geben, dass ich im Biwak übernachten würde! Über den Steig strebte ich der genannten Scharte zu. Dort oben stand bei meiner Ankunft ein junger Mann, der mir sagte, er wolle irgendwo im Zelte schlafen. Er wusste gar nicht, dass es bereits deutlich vor 20 Uhr dämmern würde!  Mein Vorschlag, er könnte im Biwak übernachten, begeisterte ihn nicht! 
Von der Scharte stieg ich dann über riesige Blöcke, auf denen immer wieder Steinmänner zu sehen waren auf, bis ich darüber auf splittrigem Untergrund aus dünngeschichteten, verwitterten Felsplatten wenig steil weitergehen konnte. Auf der folgenden Graterhebung, die auf der Rückseite abstürzt, steht ein Steinmann. Ich war wenige Meter zu hoch, musste diese zur nächsten unausgeprägten Scharte wieder absteigen. Dahinter führt ein Steig ohne Markierungen auf den Ahrner Kopf. Auf ihm kam ich ca. 18.50 Uhr an. Gleich nach dem Gipfelfoto trat ich den Abstieg an. Ich folgte dem Steig, geriet aber zu tief. Er führte nicht in Richtung des Vorderen Umbaltörls, weshalb ich ihn verließ. Über große Blöcke querte ich noch ein wenig Höhe verlierend in seine Richtung. Zuletzt musste ich höchstens 30hm aufsteigen, denke aber etwas mehr Zeit zur Scharte gebraucht zu haben, als wenn ich über dieselbe Route abgestiegen wäre. Es folgte der Weg zum Biwak, der etwas mehr als 30min. erforderte. Über den größeren Teil der Strecke marschierte ich mit eingeschalteter Stirnlampe. Knapp 14h nach Abmarsch war ich froh, mich schließlich hineinbegeben zu können!



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