Rötspitze 3495m - Abgründe tun sich auf


Publiziert von georgb , 28. Juli 2015 um 23:43.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum:28 Juli 2015
Wandern Schwierigkeit: T5+ - anspruchsvolles Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS+
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A   I 
Zeitbedarf: 11:00
Aufstieg: 2000 m
Abstieg: 2000 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Ahrntal-Kasern
Kartennummer:tabacco Ahrntal

Auf dem Weg zur Rötalm tun sich heute schon die ersten Abgründe auf, beim Blick in die alten Bergwerkstollen. Doch weiter oben auf den Gletschern fanden wir weit bedrohlichere Abgründe in Form von ausgeaperten Spalten.
Eigentlich wird der Aufstieg zur Rötspitze nur mit kurzer, annähernd spaltenfreier Gletscherbegehung beschrieben. Doch der schneearme Winter und der tropisch heiße Sommer haben Spuren hinterlassen.
Selbst der Wirt auf der Lenkjöchlhütte beschreibt die Verhältnisse noch vor ein paar Tagen als perfekt. Aber schon kurz unter der Rötschulter schimmert die erste Spalte durch den Schnee, in wenigen Tagen wird sie sich komplett öffnen. Auf dem Grat zur Rötspitze gilt es zwei Schneeschultern zu queren und schon vor dem ersten Felsaufschwung stellt sich uns eine offene Randspalte in den Weg. Mit einem beherzten Sprung ist sie gerade noch zu überwinden, nächste Woche wird sie ein unüberwindbares Hindernis sein!
Danach steilt sich bald ein Kamin auf und wir sichten drei Eisenstifte. Bei näherer Betrachtung helfen sie wenig und wir entscheiden uns für die Umgehung Richtung Osten. Der Untergrund ist dort zwar etwas rutschig, aber immer noch sympathischer als glitschiges Metall in 3er Gelände!
Auch die zweite Schneeschulter führt an bedrohlichen Randspalten entlang, zudem apert es aus und wir sind gezwungen, die Steigeisen erneut anzulegen. Auch hier wird es in kurzer Zeit sehr eisig und heikel werden. So mancher schnallt die Steigeisen erst gar nicht ab, bis zum Gipfel!
Es folgt der legendäre Schlussgrat. Die Felsen sind hier eigenwillig abgerundet und bieten wenig Grip, bei Nässe kann es richtig gefährlich werden. Wir nähern uns von Westen über sandige Schrofen. Besser, weil objektiv sicherer ist der Zustieg auf den Grat von Osten über einen kurzen Aufschwung im oberen 2.Grad. Glücklich am Gipfel angelangt warten wir vergeblich auf ein paar Auflockerungen und beschließen zeitig abzusteigen. Für den Nachmittag sind zudem Regenschauer angesagt!
Der Rückweg gestaltet sich erstaunlich gut, in dem schottrigen Geläuf folgen wir immer unseren deutlich sichtbaren Trittspuren und die diversen Kletterstellen kennen wir schon. Nur an der besagten Rand-Querspalte rutscht uns das Herz ein wenig in die Hosen. Vor ein paar Tagen konnte man noch einfach darüber steigen und bald wird sie zum echten Problem, selbst mit Seilsicherung kommt man dann nicht weiter. Da bräuchte es schon die Icefalldoctors mit Leitern ;-)
In diesem Jahr war es heute vielleicht der letzte vertretbare Tag für eine Besteigung der Rötspitze, auch gegenüber die Dreiherrenspitze ist jetzt nur noch mit entsprechender Ausrüstung und Sicherungsmaterial zu empfehlen. Der angesagte Schneefall bis unter 3000m macht es nicht einfacher! So lassen wir uns müde, aber entspannt zum Kaiserschmarrn auf der sympathischen und urigen Lenkjöchlhütte nieder. Sie ist als Hüttenstützpunkt für die Rötspitze sehr zu empfehlen, am besten mit zwei Übernachtungen, denn es gibt in der Umgebung viel zu sehen. Wir dagegen werfen nur ein paar kurze Blicke in die von den Bergleuten gegrabenen Abgründe und schlendern mit weichen Oberschenkeln zurück zum Auto, die Kräfte reichen nichtmal mehr für den kurzen Abstecher zum Rötwasserfall ;-)

Tourengänger: georgb


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen

WS+ II
21 Sep 18
Rötspitze · Matthias Pilz
T4+ WS I
T5 WS- II
11 Jul 23
Rötspitze - von Kasern · Dandl
WS II
31 Aug 08
Rötspitze, 3.496 m · mali
T6 ZS- III
20 Sep 23
Hochtour ab Clarahütte über NNO-Grat zur Rötspitze, danach... · Heidelberger Gipfelsammler Ötzi II

Kommentare (9)


Kommentar hinzufügen

Menek hat gesagt:
Gesendet am 29. Juli 2015 um 11:14
Oooo adesso ti riconosco! :)

gero hat gesagt: Eindrucksvoller Bericht .....
Gesendet am 29. Juli 2015 um 14:25
..... wieder einmal ein Fall, bei dem die Fotos harmloser aussehen, als es die Realität ist!

Gruß vom Namensvetter

georgb hat gesagt: Danke gero
Gesendet am 29. Juli 2015 um 14:40
ich find die Fotos schaun gar nicht so harmlos aus, wenn man genau hinschaut, wie z.B. bei der schreckenerregenden Teufelskralle ;-)
Grüße Georg

gero hat gesagt: RE:Danke gero
Gesendet am 29. Juli 2015 um 14:56
Ja, hast schon recht ... ich hätte schreiben sollen "im ersten Moment". Z.B. Nr. 7 sieht so aus, als könnte man einfach raufmarschieren. Erst wenn man weiß, daß Randklüfte / -schründe häßlicher sein können, wird's realistischer.

georgb hat gesagt:
Gesendet am 29. Juli 2015 um 15:36
die Steilheit des Geländes kommt auf Fotos meistens nicht so rüber wie in Wirklichkeit, noch weniger die Schwierigkeit der Kletterpassagen. Hast du da einen fototechnischen Rat?

gero hat gesagt: RE:
Gesendet am 29. Juli 2015 um 15:52
Nicht wirklich - frontale Ansichten verzerren meistens - sowohl in der einen wie in der anderen Richtung: manchmal ist das Gelände in Realität steiler, manchmal flacher. Es ist zweckmäßig (aber nicht immer möglich), im Vordergrund eine Bezugsflucht mit ins Bild zu nehmen (dies kann ein senkrecht stehender Baum, ein Steinmanderl, eine Hüttenwand oder irgend sowas sein).
Oft ist es auch ganz gut, die Kamera im Fall steilen Geländes NICHT zu sehr nach oben zu richten.

Gut sieht man meist die Steilheit SEITLICH abfallenden Geländes (wie auf Deinen Fotos 9 und 10).
Aber - wie einleitend gesagt - man bekommt so einen Bezug zur Realität nicht immer her. Gelegentlich kann man auch tricksen, indem man ausgesetzte Passagen so aufnimmt, daß seitlich drunter viel Luft zu erahnen ist (das führt umgekehrt zu der grotesken Situation, daß 1m drunter Wiese ist, die man aber nicht sieht und deshalb meint, es geht 1000m runter). In so einem Fall darf man dann natürlich keinen vordergründigen Bezugspunkt im Bild haben (der den Fake verraten würde).

Gute Fotos - ein Thema, das viel Zeit und Muße bedarf. Und experimentelle Erfahrung ....

Nochmals Gruß !

Chiemgauer hat gesagt: Wollte Ende August rauf,
Gesendet am 17. Oktober 2015 um 20:21
aber da soll der Übergang vom oberen Firnfeld in den Fels nicht ohne gewesen sein (erst Eis, dann III). Jetzt muss ich halt noch mindestens ein Jahr warten, habe aber auch noch die Möglichkeit eine Frage zur Tour zu stellen.
Nach meiner Info kann der Gletscher seilfrei begangen werden, da am linken Rand keine Spalten. Kannst du das bestätigen, bzw. seit ihr seilfrei rauf und wieder runter?
Danke
Hans

georgb hat gesagt:
Gesendet am 17. Oktober 2015 um 22:47
Tja, es tun sich inzwischen doch Spalten auf. Eine Querspalte durchzieht den ganzen unteren Gletscher. Früher ging man in der Regel seilfrei, doch ich würde es nicht mehr empfehlen, vor kurzem gab es wieder einen tödlichen Spaltensturz! Geh bei guter Schneeauflage nächstes Jahr im Frühsommer! Wenn du den Kamin links umgehst, wirst du max. 2er Gelände vorfinden!
Grüße Georg

Chiemgauer hat gesagt: RE:
Gesendet am 18. Oktober 2015 um 11:38
Danke Georg für deine Einschätzung! Mal sehen was der nächste Sommer macht und ob es endlich klappt.
Gruß
Hans


Kommentar hinzufügen»