Croda dei Toni 3094m - High noon


Publiziert von georgb , 25. August 2023 um 07:45.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum:23 August 2023
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: ZS+
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 12:00
Aufstieg: 1850 m
Abstieg: 1850 m
Strecke:22km

Beinahe hätten wir es exakt zum Zwölfuhrläuten auf den Hohen Zwölfer geschafft, zum Höhepunkt der Sextner Sonnenuhr. Doch der Höhepunkt seiner Besteigung ist sowieso erst das Läuten der Zwölferglocke nach geglücktem Abstieg am Nachmittag.
Wir starten früh, sehr früh, denn bei so einer Unternehmung sollte man Zeitreserven haben. Sogar Manuel ist erstaunt, als ich ihm meine Startzeit vorschlage ;-) Als Begleiter haben wir wieder Dandl dabei, die Dreierseilschaft hat sich bestens bewährt ecco. Wir haben allerlei Topos gespeichert und den Bericht vom Bergteufel studiert und trotzdem werden wir später Probleme bekommen...
Zunächst geht es ohne Probleme und ohne Tageslicht vom Fischleinboden Richtung Zsigmondyhütte und Zwölferscharte. Mit den ersten Sonnenstrahlen stehen wir unter der gewaltigen Zwölferwestwand und lassen sie wirken, was für ein Koloss. Der Einstieg ist offensichtlich und die Route (II bis III) mit Steinmännern gut markiert bis zum Abzweig der Draschvariante.
Wir haben uns für den alten, klassischen Normalweg entschieden und der wird kaum noch begangen, bzw. nicht mehr gepflegt oder markiert. Die Draschvariante ist heute Standard, aber irgendwie gefällt sie mir nicht, sportliche Kletterrouten im 4. Grat sind nicht mein Revier. Mich zieht es in die Normalführe, sie ist abwechslungsreicher und nebenbei kommt man hier auf das obere Ringband zur spektakulären Kriechstelle.
Meine Begleiter fügen sich, auch wenn Manuel den Direktaufstieg über die Drasch bevorzugt hätte. Nicht ohne Grund, wie wir bald feststellen werden. Denn von Markierungen ist auf unserer Variante keine Spur mehr, von den einst vielen Steinmännern ist einer! übriggeblieben. Früher gab es auf der Normalroute sogar rote Punkte, davon ist heute rein gar nichts mehr zu sehen!
Damit sind wir gefordert und auf uns alleine gestellt. Die Fotos von Rudi haben wir zwar dabei, aber in der Realität schaut das Gelände immer anders aus. Trotzdem treffen wir die Route gut, bis zur großen Höhle kommen wir, queren unterhalb links vorbei, steigen im Dreiergelände an und plötzlich wissen wir nicht mehr weiter. Links zweigt eine steile Rinne mit einem unüberwindbaren Klemmblock ab und über uns eine senkrechte Wand im sehr hohen Dreier, das kann kein Normalweg sein!?
Ein kurzer Anflug von Panik kommt auf, es gibt keinen Hauch von Hinweisen, sind wir komplett falsch? Wir queren hin und her auf der Suche nach einer vertretbaren Linie und verlieren viel Zeit dabei, hoffentlich bleibt das Wetter stabil! Dandl steigt versuchshalber doch zu dem Klemmblock und von rechts lässt er sich tatsächlich etwas akrobatisch in die Schotterrinne übersteigen. Wir folgen mit fragender Miene, bis zu dem befreienden "Da hängt eine Schlinge!" Wir atmen auf, durchsteigen die Geröllrinne, steigen über einen IIIer Absatz aus und stehen auf dem Ringband.
Bis high noon werden wir es jetzt zwar nicht mehr zum Gipfel schaffen, aber ab hier ist das Entscheidende geschafft. Wir folgen dem spektakulären Schotterband, kriechen auf allen Vieren unter der Engstelle durch und queren auf die Ostseite zum Gipfelaufbau. Die letzten Felsen im Zweiergelände und ein kurzer Absatz III- sind nach dem was hinter uns liegt nur noch Formsache und wir stehen am Kreuz.
Noch will kein rechtes Glücksgefühl aufkommen, es dauert ein wenig, bis die Entspannung einsetzt. Unser "Normalweg" war ein sehr anspruchsvolles Unternehmen, so gut wie ohne Markierung oder Begehungsspuren, mit schwieriger Orientierung und mehreren Stellen im hohen 3. Grad!
Erst jetzt wird mir richtig bewusst, dass ich mit dem Zwölfer alle Gipfel der Sextener Sonnenuhr komplettiert habe, "Willkommen im Kreis der Uhrmacher!", gratuliert Manuel.
Aber bis zum Höhepunkt des Tages, zum Läuten der Zwölferglocke dauert es noch und wir rüsten zum Abstieg. Die ersten Felsen steigen wir frei ab, queren über das Band in die Nordflanke und dort setzt die legendäre Draschabseilroute an. Bestens eingerichtet zieht sie in die Tiefe, immer leicht von der Eisrinne weg nach rechts!
Natürlich ist der Blick auf den Himmel gerichtet, ein paar dunkle Wolken verziehen sich aber bald und wir stehen in der Sonne an der Zwölferscharte. Alle drei Zwölferkandidaten dürfen jetzt die Glocke schlagen und ich kann ein paar Tränen nicht unterdrücken. Heute war der Höhepunkt meiner bergsteigerischen Laufbahn, vor Jahren hätte ich es mir noch nicht erträumt, irgendwann auf allen Gipfeln der Sextener Sonnenuhr zu stehen.
Spontan beschließen wir als Zuckerl den Abstieg über die Büllelejochhütte, den kleinen Umweg gönnen wir uns, das Wetter hält und die Hütte ist wohl die schönstgelegene und sympathischste der Gegend. Der "kleine Umweg" gestaltet sich zu einer spektakulären Wanderung über den Kriegssteig, allein das wäre ein Höhepunt für sich, wären wir nicht vorher auf dem Zwölfer gestanden.
Zufrieden lassen wir uns ein paar Kaltgetränke und leckeren Strudel schmecken, aber dann müssen wir nach Hause, bevor wir in die Dunkelheit geraten. Die Beine werden schwer am Ende des Tages, aber die umherziehenden Gewitter beschleunigen unseren Schritt. Glücklicherweise bleiben wir von Blitzen verschont, nur in der Ferne grollt der Donner, sehr passend zum Namen Croda dei "Toni".


Tourengänger: Manuel, georgb, Dandl


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Kommentare (10)


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Sarmiento hat gesagt: Spannend!
Gesendet am 25. August 2023 um 10:25
Ein packender Bericht, passend zu einer packenden Bergfahrt - gewaltig!

Als kleine Randnotiz. Ich bin hier aus dem Elbsandstein auch so einiges gewohnt, was sich III schimpft - daher hätte ich beim Anblick des Klemmblocks wahrscheinlich auch erstmal geschluckt, aber mir dann gedacht "Die früher waren so verrückt, das wird wahrscheinlich wirklich da hoch gehen." :-D

Es ist schon immer wieder zwischen erstaunlich und verrückt, was unsere Vorfahren so alles geklettert sind, ohne Kenntnis dessen, was sie dann obendran erwartet.

Stefan_F hat gesagt:
Gesendet am 25. August 2023 um 11:16
Herzlichen Glückwunsch zum Uhrmacher-Patent! Jam der Zwölfer ist schon eine gewaltige Tour - egal auf welchem Weg. Leicht hat man es nie, aber man erlebet eben auch sehr viel!

beste Grüße
Stefan

georgb hat gesagt:
Gesendet am 25. August 2023 um 11:36
Danke Stefan,
einer wie du fängt die Sonnenuhr ja gleich mit dem Zwölfer an. Da bleibt fast keine Herausforderung mehr ;-)
Grüße

Stefan_F hat gesagt: RE:
Gesendet am 25. August 2023 um 11:41
Doch, Georg. Dafür hat Manuel gesorgt als er mir sagte, den Elfer könnte ich gut solo machen. Da habe ich nach den teils gruseligen Berichten schon Respekt davor!
Überhaupt finde ich die Tradition der Sonnenuhr eine fabelhafte Sache! Pflegt das weiter!

Ab kommenden Donnerstag schleiche ich wieder durch euer Revier. ;) Da freue ich mich schon sehr drauf!

beste Grüße
Stefan

Andy84 hat gesagt:
Gesendet am 25. August 2023 um 19:46
Sehr coole Tour vom Dolomiten-Trio.
Da würd ich mich sehr gerne mal anschließen :-)

georgb hat gesagt:
Gesendet am 29. August 2023 um 19:51
Ich schicke dir ein Anmeldeformular ;-)))

Emanuela hat gesagt:
Gesendet am 6. September 2023 um 13:14
Che ambiente, ragazzi!

A tratti sembrano Dolomiti di Brenta.

Anche da noi ci sono cime con terreno simile, soprattutto nella zona Stelvio / Livigno - alcune sono veramente raccapriccianti e nello stesso tempo affascinanti.

Terreni che non fanno per me...purtroppo....

Per salirli serve anche tanta tanta delicatezza e leggerezza, come voli di farfalla.

L'ultimo pensiero di Sarmiento è anche il mio: che avventura per i primi salitori, chissà quanti tentativi andati a vuoto e quante rinunce.

Complimenti al trio degli orologi !

ciao,
Emanuela

georgb hat gesagt: RE:
Gesendet am 7. September 2023 um 20:33
Grazie Emanuela!

Nyn hat gesagt:
Gesendet am 31. Dezember 2023 um 12:41
Gratulation zum vollständigen Uhrmacher-Patent

georgb hat gesagt: RE:
Gesendet am 31. Dezember 2023 um 22:57
Danke Markus! Wenn Träume wahr werden...


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