Zwölferkofel und Mittlerer Zwölfer // Croda dei Toni e Croda Antonio Berti


Publiziert von Stefan_F , 3. November 2022 um 13:49.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum:11 September 2022
Hochtouren Schwierigkeit: ZS
Klettern Schwierigkeit: IV (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 10:00
Zufahrt zum Ausgangspunkt:über Misurina zur Auronzohütte (Parkplatz)
Unterkunftmöglichkeiten:Auronzohütte, Lavaredohütte, Canducihütte, Büllelejochhütte, Zigmondy-Comici-Hütte

Schon bei unserer Tour im letzten Jahr zur Hohen Gaisl verabredete ich mich mit Manuel für eine Tour in diesem Jahr. Bald war das Ziel des Zwölfers gefunden. Da diskutiert man nicht lange, auf den Zwölfer wollten wir beide. Das ist ein großer Dolomitenberg, eine kollosale Gestalt und mit dem nötigen Anspruch versehen um sich auf eine herzhafte Bergtour zu freuen. Eigentlich wäre damit schon das Menü für einen tollen Tag bereitet. Eigentlich, denn der geneigt Gipfelsammler möchte je effektiv vorgehen und sich noch sozusagen den kleinen wilden Bruder des Zwölfers, den Mittleren Zwölfer ins Tourenbuch schreiben dürfen. Immerhin überschreitet auch er die 3000er-Marke. Aber der Grund warum die Croda Antonio Berti - nach dem "Sänger der Dolomiten" benannt - so reizvoll ist, ist natürlich der Umstand, dass man kaum Berichte dazu findet und hier wohl fast Erstbegehergefühle aufkommen. Nach kurzer Überredeung war auch Manuel zumindest nicht mehr gegen diesen Umweg. Ich glaube er hielt nie sehr viel von dieser Idee und nach der Tour wissen wir beide warum das so gewesen sein könnte. Aber der Reihe nach.

Die eigentliche Planung auf der Zygmondi-Comici-Hütte zu übernachten wurde bald über den Haufen geworfen. Wir waren beide von diversen Touren in den Westalpen fit und auch irgendwie zu faul für viele Höhenmeter. Dafür wollten wir mit den e-Bikes von der Auronzohütte starten und so weit es geht Richtung Zwölferscharte fahren. Mein "früheres Leben" im MTB-Rennzirkus würde mir eigentlich die Benutzung eines solchen Gefährts verbieten, aber um es doch mal zu probieren und um die Tour effektiv zu gestalten, stimmt ich der Idee zu.
So holt mich Manuel 5:30 in Olang ab und wir fahren zur Auronzohütte. Ein kalter Wind pfeifft hier und der Parkplatz ist kurz nach 6:00 schon gut besucht! Mit den Rädern sind wir sehr schnell am Rifugio Lavaredo und Manuel will zum Sonnenaufgang noch schnell auf den Paternsattel. Warum nicht - das Rad fährt ja von allein. Als die wunderbare Stimmung eingefangen ist, zieht es uns doch Richtung Zwölfer. Es kann der Respekt vor diesem Gipfel oder der abweisende Anblick sein - mein inneres Gefühl zeigt mir eine seltsame Distanz zu diesem Gipfel.
Als der Weg 104 auf seinen Kumpel mit der 107 trifft, deponieren wir die Räder und gehen zu Fuß weiter zur Zwölferscharte. Zügig geht´s voran, Ausblicke sind nicht wichtig, denn der Zwölfer stielt hier jedem Gipfel die Show. Immer mächtiger zeigt er seine breite Westflanke und natürlich mustert man diese Wand auf der Suche nach der Aufstiegsroute. Sie wirkt komplex und wenig gegliedert.
Über die weiten Schotterhänge queren wir zum Band, welches zum Einstieg leitet. Es ist klar mit einem großen Steinmann gekennzeichnet. In leichter Kraxelei von Steinmann zu Steinmann geht es unter der "Eisschlucht", welche von der Hohen Zwälferscharte hinabzieht, hindurch. Man steigt hier an und quert bald wieder unter der Eisschlucht zurück auf einen großen Absatz westlich der Schlucht. So, nun ist man schon fast in der Wand. Das Material wird sortiert, Einigkeit über den Routenverlauf hergestellt und los gehts. Manuel wird erstmal vorsteigen. Ich merke zwar schnell, dass mir das Gelände keine Schwierigkeiten, aber sehr viel Genuss bereitet. Die Wegführung ist hier nicht schwer. Leicht rechtshaltend geht es voran. Natürlich bleibt man immer links der Rinne. Es finden sich immer wieder ältere Haken, neue, glänzende Stände und bunte Fixschlingen. Auch der untere Aufschwung in einer Verschneidung ist schon von unten zu sehen. Das Gelände bis dahin ist fast beliebig. Haltet einfach drauf zu - es warten keine Fallen. Am Riss beginnen wir zu sichern. Ein Friend, dann der Haken und dann ist auch schon die "Schlüsselstelle" überwunden. Das ist alles nicht wild, eher genussvolle Dolomitenkletterei. Der IV. Grad wird erreicht, da man hier eh sichert, ist das natürlich keine Hürde. Wäre es leichter, würde es nicht zu diesem Gipfel passen. Etwas Anspruch darf schon sein!
Jetzt gehen wir zur Wechselführung über und kommen so schnell voran. Auch die zweite schwierigere Rissverschneidung stellt uns nicht vor Probleme. Wir erreichen einen größeren Absatz recht nah der Rinne und das Gelände zeigt einen letzten Aufschwung bis man dann doch schon das Ringband erreicht. Je nachdem wo man anfängt zu sichern, sind es 5 - 8 Seillängen bis hier hin. Zur Linken sieht man den "Katzengang" im Normalweg. Ich denke jedoch, dass die Draschvariante dem alten Normalweg den Rang abläuft. Sie passt eher in die Zeit, bietet mehr Genuss und in Gänze bleibt doch noch reichlich ursprüngliches Dolomitengelände übrig.

Ein erster Blick schweift nach rechts in die Stirnseite des Mittleren Zwölfers. Fast erschrocken ist man bei dem ganzen Bruch und den absolut nicht einladenden Gelände. Ich befasse mich nicht näher damit. Unser Ziel ist klar - der Zwölfer. Auch die Wolken kommen näher und so versuche ich mir einzureden, dass auch "nur" der Zwölfer ein tolles Tagesziel wäre und die Gipfelsammelei eh nicht so wichtig ist.

Man quert also auf einem breiten Band in die Nordseite des Zwölfers, durchquert dabei eine weite Mulde und kommt zu einem Sporn oder einer Rippe die vom Gipfel heraubzieht. Hier stehen deutliche Steinmänner, die uns sagen hier in die Flanke einzusteigen. Links der Rippe geht es also hoch und bald quert man etwas nach rechts direkt auf die Rippe. Sie leitet in einfacher Kletterei (Stellen max. III) zu einem Band ganz knapp unterhalb des Gipfels. Das Kreuz ist nicht weit und über dieses Band ist man schnell dort. Da sind wir also - auf dem Zwölfer. Das ist schon besonders und die Aussicht erst recht! Alle sind zu sehen: die Sextener Sonnenuhr, Dreischutsterspitze, Hohe Gaisl, Zinnen, Sorapis, Antelao ... traumhaft!!
Leider ziehen von Norden immer dichtere Wolfen auf und verhängen mal den einen, mal den anderen Gipfel. Wird es uns auch erwischen? Wir sind unsicher wegen des mittleren Zwölfers. Erstmal wieder zur Hohen Zwölferscharte absteigen ist der Plan. Das geht auch ohne größere Probleme. An der Rippe findet sich ein Stand an dem wir abseilen. Etwas Kletterei bis runter zum Band und wenig später stehen wir in der Scharte. Jetzt sind wir schon hier, das Wetter scheint gnädig - also los!
Die ältere Literatur beschreibt diverse Anstiege in der Nordseite zu denen man aus der Scharte hinqueren soll. Mir sieht das ganz schön verwegen und brüchig aus. Ich kenne aber nur eine Beschreibung neueren Datums die den Anstieg über die offensichtliche Schlucht aus der Scharte beschreibt. Als "Kamin mit überhängendem Einstieg" wird diese Schlucht beschrieben. Naja, überhängend ist hier natürlich nichts und so steigen wir an. Eine Schlinge solle man finden - wir finden nichts. Keine Schlinge, keine Haken und überhaupt keine Spuren. Als "unbenutzte Landschaft" beschreibt Goedeke den Mittleren Zwölfer absolut treffend. Das krasse Gegenteil zu seinem großen Bruder! Immer brüchiger, nie schwer, eher sehr heikel geht es aufwärts. Es bröselt und rutscht und auch unsere Nerven erodieren. Weit oben verzweigt sich der Kamin. Ich tendiere zur rechten Variante und finde dort sogar einen Haken, der uns aber nichts nützt. Eine Verzweiflungstat? Über ein letztes Steilstück erreichen wir den Gipfelgrat und müssen noch über diverse Gipfelkuppen zum höchsten Punkt gehen. Wenn man am Grat oder auf den Bändern in der Nordseite bleibt ist das nie schwer. Bleibt aber bitte konzentriert! Wir überschreiten alle Gipfelkuppen und sind der Meinung die östlichste hohe Erhebung müsste der Gipfel des Mittleren Zwölfers / Croda Antonio Berti sein. Was für ein Gefühl! Man wähnt sich an einem exklusiven Ort. Wer steigt hier schon hin? Ein befreundeter Bergführer aus dem Gadertal meint, das seien max. 5 Leute im Jahr! Wir essen und trinken etwas und machen uns dann doch wieder auf dem Abstieg. Wieder rätseln wir über die beste Route. Über die Flanke irgend eine Rinne runter wie in der älteren Literatur beschrieben ist? Wir sind nicht sicher ob das Steinmänner oder einfach Steine sind. Wir probieren, queren, verwerfen und kommen doch wieder auf den Aufstiegsweg.

Oben an der Kaminschlucht habe ich gehörigen Respekt vor dieser Bruchschlucht. Manuel ist da kaltblütiger. Was wollen wir auch machen? Runter müssen wir - also los. Extremst vorsichtig und immer Stück für Stück klettern, steigen, rutschen wir ab und sind dabei hoch konzentriert. Das ist kein Gelände für Fehler! Hoffen, Stoßgebete und Flüche wechseln sich ab. Mit jeden Meter werden wir aber ruhiger und sehnen uns nach der Scharte, die wir dann auch glücklich erreichen. Einige Meter muss man hier wieder aufsteigen um zum großen Band zu kommen. Über dieses gehts schnell zum obersten Stand der Draschvariante. Das Glück den Mittleren Zwölfer überstanden zu haben, ist bei mir riesig!
Die Abseilfahrt verläuft relativ problemlos. Nur die Längen der Abseiler ergeben irgendwie wenig Sinn. Wir haben 60m Einfachseil dabei. Damit sollte man JEDEN Abseilstand nutzen, denn die sind unterschiedlich lang! Findet man alle Stände, was man gut schafft, kommt man bis auf das große Einstiegsband. Über dieses dann durch die Eisschlucht gequert, genüsslich abgekraxelt und schon queren wir wieder nach Westen und sind auch bald in der Zwölferscharte. Hier findet sich die Zwölferglocke und es ist uns eine ehrfürchtige Freude sie nun läuten zu dürfen. Jetzt haben wir es geschafft!
Zu Fuß und später mit den Rädern geht es zum Auto zurück und ein wunderbarer erlebnisreicher Kletter- und Abenteuertag an einem großen Gipfel mit seinem fies-brüchigen Bruder geht zu Ende.

Danke Manuel - es ist mir immer wieder eine große Freude mit dir!

Fazit:

Der Höhe Zwölfer über die Draschvariante ist eine herrliche Tour wenn man mit Kletterei bis IV und typischem teilweise brüchigem Dolomitengelände keine Probleme hat. Ein kleines Sortiment Friends, ein Bündel Schlingen und 60m Seil reichen für die Tour. Die Tour ist nicht zu kurz und sollte nicht unterschätzt werden.
Wer den Mittleren Zwölfer als Ziel hat, sollte schnell sein, denn damit wird es knapp an einem Tag. Überhaupt ist dieser Gipfel enorm brüchig - deutlich heikler als die Innerkoflerführe an der Hohen Gaisl.
Daher mein Tipp: belast es bei Hohen Zwölfer, der Mittlere ist nur was für Sammler mit erhöhter Bruchrestenz und sehr strapazierfähigen Nerven!

Tourengänger: Manuel, Stefan_F


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