Johann Coaz - Erstbesteiger des Piz Bernina. Sonderschau im Museum Alpin in Pontresina

Im Anschluss an den kurzen Klettersteig auf den Piz Trovat besuchte ich am Nachmittag des 4. Juli 2023 im "Museum Alpin" in Pontresina die Sonderschau zu Johann Coaz (1822 - 1918), die einen Besuch sehr lohnt. Der Bündner Forstingenieur und Naturforscher war ein rastloser Geist und Vordenker. Die Erstbesteigung des Piz Bernina im Jahre 1850 war nur eine der vielen Tätigkeiten des vielseitig begabten Mannes, der als Eidg. Oberforstinspektor sage und schreibe 32 Bundesräte erlebt hat!

Es gibt Biografien, die im 18. und 19. JH möglich waren, heute aber kaum mehr denkbar sind. Erinnert sei etwa an den deutschen Naturforscher Alexander von Humboldt oder auch an den Schweizer Hans Conrad Escher von der Linth, den Geologen und Schöpfer des Linthwerks. Johann Wilhelm Fortunat Coaz ist ebenfalls einer dieser aussergewöhnlichen Persönlichkeiten, die seinerzeit über den Gartenhag "hinaus gegrast" haben und dem die Schweiz viel zu verdanken hat. Nach einer Ausbildung an der Königl. Sächs. Forstakademie in Tharandt bei Dresden arbeitete er als Gebirgstopograf bei der Erstellung der Dufourkarte, dem ersten amtlichen Kartenwerk der gesamten Schweiz. Dabei kartierte er vor allem im Engadin. Als ausdauernder Berggänger bestieg Coaz als Erster über 20 Berge, u.a. im Jahre 1846 den Piz Kesch und den Piz Lischana. Seine alpinistische Glanzleistung war die erste Besteigung des Piz Bernina am 13.9.1850 zusammen mit den beiden Messgehilfen und Führern Jon und Lorenz Ragut Tscharner über den Ostgrat, eine heute wegen dem Gletscherrückgang nicht mehr mögliche Route in einem 20-stündigen Gewaltsmarsch von den Berninahäusern aus. Am 3. Okt. 1858 wurde die Route durch den Hotelier, Naturforscher und Politiker Gian Saratz (1821 - 1900) mit Peter Jenny und dem Gemsjäger Jann Rüedi erstmals wiederholt. Der Ostgrat auf den Piz Bernina wurde bis 1914 als Normalroute bezeichnet, wird heute jedoch nur noch wenig begangen.

Coaz wurde 1851 kantonaler Forstinspektor des Kt. GR. Der Wald war damals übernutzt und in einem sehr schlechten Zustand. Coaz baute den Bündner Forstdienst von Grund aus auf und verhalf der Schweiz zu den noch heute gültigen gesetzlichen Regelungen (Eidg. Forstgesetz von 1876). Nach einer kurzen Episode als Forstinspektor im Kt. SG wurde er 1875 erster Eidg. Oberforstinspektor in Bern. Coaz initiierte im Jahre 1868 die ersten Lawinenverbauungen der Schweiz aus frei stehenden Bruchsteinmauern im Unterengadin bei Martina. Ähnliche Bruchsteinmauern in Form von Schwergewichtsmauern wurden später auch am Schafberg in Pontresina und an weiteren Orten in der Schweiz erstellt. Weiter war er als Gletschervermesser und als Naturforscher tätig. Coaz betreute nicht nur den Wald, sondern auch die Jagd und die Fischerei. 1911 konnten mit seiner massgeblichen Hilfe die ersten Steinböcke im Weisstannental im Jagdbanngebiet der Grauen Hörner wieder angesiedelt werden. Coaz zog auch bei der Gründung des Schweiz. Nationalparks im Jahre 1914 die Fäden. Er wirkte 39 Jahre in der Bundesverwaltung und kehrte mit 92 Jahren nach Chur zurück, wo er vier Jahre später verstarb.

Auch ohne die Sonderschau zu Johann Coaz ist das "Museum Alpin" in der "Chesa Delnon" in Pontresina sehr sehenswert. Gezeigt werden u.a. Alpinismus im 19./20. JH, der Bergbau im Oberengadin, die Zauberwelt der Mineralien, SAC-Hütten, die sehr schöne Vogelsammlung des Gian Saratz, Jagd, Wild und Umwelt.

Literatur: Coaz, Pionier seiner Zeit (1822 - 1918), Bündner Wald, Jahrgang 71, Juli 2018