Bifertenstock 3419m - über die Eisnase


Publiziert von Cubemaster , 3. Juli 2023 um 21:15.

Region: Welt » Schweiz » Glarus
Tour Datum:25 Juni 2023
Hochtouren Schwierigkeit: ZS+
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GL   CH-GR   Bifertengruppe 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 1700 m
Abstieg: 1700 m

Als zweithöchsten Berg der Glarner Alpen nach dem Tödimassiv muss man den Bifertenstock natürlich mal gemacht haben. Neben der Normalroute über den Bänderweg gibt es mit der berühmten Eisnase auch eine sehr interessante Nordwandroute, die im machbaren Bereich zu liegen schien. Also fragte ich bei Raphael an und musste wie üblich nicht lange auf eine Zusage warten. Da wir mit Zelt gehen wollten, machte der direkteste Zustieg über den Limmerensee für uns am meisten Sinn.

1. Tag: Zustieg zum Limmerenfirn
Wir hatten uns schon länger dieses Wochenende ausgeguckt und das Wetter spielte perfekt mit. Also fuhren wir Samstag Nachmittag mit der Seilbahn hinauf zum Kalktrittli und marschierten durch den nasskalten knapp 3km langen Tunnel zum Limmerensee. An der Ostseite des Sees ist auf der Karte eine Wegspur eingezeichnet, welcher wir folgen wollten. Nachdem wir eine geeignete Stelle zum Überqueren des Flusses gefunden hatten, mussten wir noch kurz den Beginn der Spur suchen, aber dann war der Weg eindeutig.

Der Weg selbst war schon die erste Herausforderung der Tour: Viele ausgesetzte Stellen sind zwar mit Ketten entschärft, aber es gibt genug ausgesetzte Passagen ohne Ketten. An einer Stelle relativ zu Beginn war der Weg abgerutscht, hier mussten wir uns ein Stück durch abschüssiges, erdiges Gelände kämpfen. An einer weiteren Stelle war oberhalb des Wegs die Felswand abgebrochen, die frischen Trümmer bedeckten die Spur. Insgesamt ist der Weg aber auch sonst sehr spektakulär und anpruchsvoll. Ich denke, T5 ist nicht übertrieben.

Nachdem wir mit dem schweren Zeltgepäck diese Passage bewältigt hatten, ging es am Südufer des Sees erstmal gemütlich aufwärts zum Beginn des Felsbandes. Dieses stellte die nächste Schlüsselstelle der Tour da: Eine Kette verläuft durchgängig über das ganze abschüssige, teilweise brüchige und sehr ausgesetzte Band (in freier Kletterei bis etwa III, sehr kleingriffig). Auch wenn wir generell so gut wie möglich versuchen ohne Steighilfen auszukommen, haben wir hier die Kette an einigen Stellen benutzt, um unsere Sicherheit nicht zu gefährden.

Oberhalb der Felsstufe fanden wir dann auch sofort einen gut hergerichteten Zeltplatz nah beim Fluss (3 Std 15 min bis hier). Abgesehen von endlos viel herumliegender Munition ist der Platz sehr schön mit einer tollen Aussicht auf den Limmerensee. Wir stellten dann das Zelt auf und aßen an einem komfortablen Steintisch zu Abend. Nach ein paar Fotos im Abendlicht ging es dann ins Bett. Ich probierte das erste mal meine neue aufblasbare Isomatte aus. Auf jeden Fall ein deutlicher Komfortgewinn für nur 200g mehr.

2. Tag: Bifertenstock Gipfel und Abstieg
Am Sonntagmorgen ging es dann um 4:30 Uhr los. Noch im Halbdunklen stiegen wir Richtung Limmerenfirn hinauf, bis sich rechts das Gelände zurücklegt. Dann ging es immer weiter die Rippe nördlich des Limmerenfirns hinauf. Wir passierten die Hütte bei P.2472 und gelangten schließlich an den Rand des Griessfirns auf ca. 2700m. Hier seilten wir an und liefen über den flachen Gletscher auf die Eisnase zu. Wieder einmal fand ich es dann erstaunlich, wieviele Höhenmeter man im vermeintlich flachen Gelände zurücklegt.

Ab etwa 3000m steilt das Gelände dann stark auf und wir nahmen jeder zwei Pickel zur Hand. Unser Ziel war zunächst eine kleine Rinne auf etwa 3120m, wo der Schnee noch am höchsten hinaufging. Bis zum Beginn der Rinne hatte die Steilheit bereits 45 Grad erreicht, zu Beginn der Rinne war es für wenige Meter gut 55 Grad steil. Die Verhältnisse waren hier aber ausgezeichnet, so dass wir keine Schwierigkeiten hatten. Der Ausstieg ins Geröll war dann recht anspruchsvoll, der Schnee ganz zuoberst war sehr weich und das Gelände fürchterlich bröselig.

Über wieder etwas flacheres Geröllgelände querten wir dann nach rechts hinüber zum nächsten Schneefeld. In der Zwischenzeit hatte uns eine Zweierseilschaft über eine Rinne etwas weiter rechts überholt, so dass wir ihrer Spur folgen konnten. Obwohl wieder sehr steil, waren auch hier die Verhältnisse zunächst gut, doch dann kamen ein paar Meter, die sehr unangenehm waren: Der Schnee war hier nicht mehr dick genug und darunter kam das gefrorene Geröll zum Vorschein. Bei gut 50 Grad Hangneigung eine ernste Sache. Von den Schneebedingungen her ging es für den Aufstieg noch ganz gut, wir wussten aber schon, dass der Abstieg über diese Stelle schwierig sein würde.

Danach ging es wieder in gutem Firn weiter, doch die Spur führte links an den Gratfelsen vorbei sehr steil hinauf zur oberen Eiskuppe (mindestens 50 Grad). Da ich mir sicher war, dass ein Aufstieg am Grat leichter sein würde, stiegen wir einfach weiter gerade hinauf und kamen schnell in moderat steiles Gelände. Dann kraxelten wir einige Minuten den einfachen Grat hinauf (eine Stelle II, sonst leichter, wenig ausgesetzt) und erreichten den Fuß der eigentlichen Eisnase. Diese ist hier gerade noch etwa 20 Meter hoch und nur noch etwa 40 Grad steil. Mit etwa 10cm Firnauflage brauchten wir nicht einmal Eisschrauben zu setzen.

Auf dem flachen Gletscher oben angekommen, ging es dann hinüber zum einfachen Grat, über welchen wir schließlich den Gipfel erreichten (etwa 5 Std vom Zeltplatz). Zusammen mit einer anderen Seilschaft, die über den Normalweg gekommen war, genossen wir die top Aussicht bei bestem Wetter und beobachteten Bergsteiger am Tödi, darunter eine Zweierseilschaft in der Ostwand. Nach etwa 30 Minuten traten wir den Rückweg über dieselbe Route an. Zuerst unproblematisch über die Eiskuppe und den Grat hinab in die Nordflanke, kamen wir bald an die problematische Stelle, wo der Schnee inzwischen natürlich noch weicher geworden war.

Mit etwa 5 Meter Seilabstand (genug, dass nicht beide gleichzeitig in dem gefährlichen Gelände waren) stiegen wir parallel hinab, ich ging voraus. Der Schnee bot überhaupt keinen Halt mehr und ich musste die Frontzacken im Eis-Geröll-Gemisch darunter einsetzen und die Pickel in die Eisschicht einschlagen. Sobald ich unten wieder auf guten Schnee stieß, trat ich mir eine geräumige Plattform und versenkte beide Pickel tief im Schnee. So konnte Raphael gesichert über die problematische Passage absteigen. Auch weiter unten beim Übergang vom Geröll auf den Schnee erwies sich dieser Seilabstand als praktisch für ein paar "Mini-Seillängen", mit denen wir die heikelsten Stellen überbrückten.

Wieder zurück auf dem Firn, war der Rest sehr einfach. Wir stiegen komplett über den Gletscher hinab, bis zum untersten Rand des Limmerenfirns auf ca. 2300m, wo sich ein kleiner See gebildet hat. Dort packten wir das Seil weg und stiegen gemütlich zum Zeltplatz hinunter, wo wir noch eine längere Pause einlegten. Nun wieder mit schwerem Gepäck nahmen wir die Kettenhilfen am Felsband dankbar an. Dann kämpften wir uns den langen und anspruchsvollen Weg am Limmerensee entlang, inklusive einiger Gegenanstiege, welche unsere letzten Kraftreserven forderten.

Der eintönige Tunnel war dann nochmal eine richtige Ausdauerprobe. Mit schmerzenden Schultern und sehr niedrigem Energielevel kam uns die Zeit ewig vor, während uns fröhlich schwatzende Wandergruppen und eine Joggerin überholten. Wir redeten kaum mehr und quälten uns, jeder für sich, Meter für Meter vorwärts. Als wir endlich die Seilbahnstation erreichten, liefen wir in das Ende einer langen Schlange hinein und mussten noch etwa 45 Minuten warten, bis wir endlich nach unten fahren konnten.

Tourengänger: Cubemaster, Raphy


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Kommentare (2)


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DonMiguel hat gesagt: Gratulation
Gesendet am 4. Juli 2023 um 12:06
Coole Tour habt ihr da gemacht und ein schöner Biwakplatz habt ihr ausgewählt. Dachte schon bei meinem Abstieg dass dies ein wunderbares Plätzchen ist. Interessant dass ihr auf der Rippe aufgestiegen seit, ich habe bei meinem Abstieg ganz schön fluchen müssen über den vielen losen Schutt auf den Gletscherüberresten. Von der vorderen Eisnase scheint nicht mehr viel übrig zu sein..:/ Gruss Don

Cubemaster hat gesagt: RE:Gratulation
Gesendet am 4. Juli 2023 um 21:46
Danke dir! Der Biwakplatz war wirklich toll.

Ich bin ziemlich sicher, dass die Rippe die einfachste Variante ist. Da oben ist das Gelände ziemlich flach, der Teil war sehr unproblematisch. Linksherum ist auf jeden Fall viel steiler.

Probleme mit losem Schutt hatten wir nur ein kurzes Stück beim Ausstieg aus der Schneerinne, aber wir sind ja auch zu einer ganz anderen Jahreszeit gegangen. Frühsommer-Bedingungen sind natürlich sehr vorteilhaft für diese Tour.

Krass, dass du die hintere Route bei all dem Blankeis hochgekommen bist. Da hatte es jetzt übrigens durchgängig Schnee bis oben. Ich habe mir das kurz angeschaut, aber es wird schon sehr steil oben raus...

Vielen Dank auch für deinen Bericht, es gab ja nur ganz wenige aktuelle Infos...


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