Rund um's Fläschenloch (3): Besuch vom Luchs


Publiziert von konschtanz , 6. Juni 2023 um 19:17.

Region: Welt » Schweiz » Appenzell
Tour Datum: 3 Juni 2023
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Mountainbike Schwierigkeit: WS - Gut fahrbar
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-AR   Alpstein 
Zeitbedarf: 5:00

Von der Station Urnäsch geht‘s mit dem Velo die Passstrasse hoch bis zum Bushalt Steinflue. Unterwegs kommen mir zwei Pferdewägen entgegen. Auf der Ladefläche sitzen Männer in den leuchtend roten Appenzeller Liibli. Von Autos und Töffs werden sie um die Wette überholt. Sie grüßen freundlich zurück, als ich winke. Ich bin nicht der schnellste, sie auch nicht. Das verbindet. Oben lasse ich das Velo stehen und steige zur Urnäsch hinab, zur Feuerstelle des Lilly-Wegs. Die Holzhütte entpuppt sich als Lagerort für Brennholz.

Ich gehe im Kiesbett des Seitenbachs aufwärts, umgehe die Engstelle vor der Brücke und steige nach der Brücke wieder in den Bach ab, der ins Fläschenloch führt.

Ein Trauermantel begrüßt mich. Schön, dass er da ist.

Ich folge dem Bach. Der Wasserstand ist jetzt so niedrig, dass der Bach stellenweise unter der Oberfläche im Schotterbett fließt. An den Engstellen komme ich jetzt weitgehend ohne Turnübungen durch, die Felsen sind trocken und nicht mehr rutschig.

Ich nähere mich dem Wasserfall mit dem Seil. Etwas unterhalb finde ich eine gestauchte und zerbeulte dreistufige Alu-Leiter im Bachbett. Ich nehme sie mit, in der Annahme, dass sie etwas mit dem Seil zu tun haben könnte. Ich lehne sie an den Fuß der Nagelfluhwand neben dem Wasserfall, von wo das unten zerschlissene Seil herabbaumelt. War wohl nicht der richtige Platz. Denn die Leiter hat eine Verankerung, dazu muss es entsprechende Löcher im Fels gegeben haben. Falls der Fels noch an seinem Platz ist...

Mit Hilfe des Seils steige ich auf und sehe oberhalb des Wasserfalls eine Stufe mit einer schönen Steinwanne. Und weiter hoch. Nach wenigen Schritten habe ich vor mir den nächsten Wasserfall. Wieder steile Wände, aber ohne Seil. Links eine Nase, an der man vielleicht aufsteigen könnte, aber wie fest ist der Halt? Rechts wäre eine Umgehung oberhalb denkbar, aber eher für Gämsen...

Ich blicke mich um. Mein Blick fällt auf eine bewaldete Geländerinne, die oberhalb des Baums aufsteigt, an dem das Seil des unteren Wasserfalls festgebunden ist. Langsam steige ich im schottrigen Gelände auf, umgestürzte Baumstämme liegen quer da.

Weiter oben ist Licht und blauer Himmel. Ich nähere mich der Stelle. Und dann sehe ich:

vor mir der Abgrund. Eine tiefe Schlucht des Seitenbachs, der etwas weiter unten in den Hauptbach fließt. Gegenüber senkrechte, zerklüftete Felswände. Auf der anderen Seite der Schlucht eine Almweide, wohl vom Chli Fläschen.

Links neben mir türmen sich hohe, rötliche Nagelfluhfelsen auf, grün bewaldet, aber nicht sehr stabil. Man sieht entwurzelte Baumstämme, die abgestürzt sind. Hier geht es nicht weiter.

Ich drehe mich um. Und da:

Lautlos bewegt sich ein größeres Tier mit schwarzen Pinselohren und einem weißen Fleck auf der Rückseite des Ohrs den steilen Nagelfluhhang empor. Hellgelbes Fell mit Punkten. Die Rückseite der Beine sind weiß. Der Gang wirkt irgendwie hoppelnd. Das Tier ist größer als eine Katze – ein Luchs. Um 15 Uhr Sommerzeit. Am helllichten Tag. Der erste Luchs, den ich in meinem Leben sehe, und wohl auch der letzte. Schnell ist er verschwunden. Vielleicht war einer der entwurzelten Bäume seine Schlafstätte. Und ich habe ihn gestört. Tut mir leid, Luchs.

Ich kehre in der Rinne zurück, beäuge nochmal den oberen Wasserfall, der heute für mich unbezwingbar erscheint, und kehre zurück.

Es war eine Sackgasse, die mich um eine einzigartige Begegnung reicher gemacht hat. Danke.


Tourengänger: konschtanz


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