Zum einzigen Felsenkloster nördlich der Alpen


Publiziert von Nik Brückner , 27. Februar 2023 um 12:02. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Deutschland » Westliche Mittelgebirge » Saar-Nahe-Bergland
Tour Datum:27 Februar 2023
Wandern Schwierigkeit: T1 - Wandern
Wegpunkte:
Zeitbedarf: 2:00
Aufstieg: 200 m
Abstieg: 200 m
Strecke:9,7 Kilometer
Unterkunftmöglichkeiten:Nicht in der Felseneremitage - Leider!

Die Eremitage Bretzenheim ist eine Einsiedelei, die als einziges Felsenkloster nördlich der Alpen gilt. Das allein genügte schon, um das Interesse der Waldelfe und meiner Wenigkeit zu wecken. Es gibt aber seit einigen Jahren hier auch einen Rundwanderweg, der nicht nur zu dem mittelalterlichen Felsenkloster führt, sondern auch zu vielen anderen landschaftliche Highlights der Gegend. Also "Dominion", das neue Album von Zoop eingelegt, und nichts wie hin.


Losgezpunkt der Tour ist der Parkplatz an der Kronenberghalle (124m), am Ende der Winzenheimer Straße in Bretzenheim.

Der Ort trägt zwar eine Brenz'n im Wappen, die wurde aber bekanntlich vom Frieder aus Bad Urach erfunden. Heute ist der Ort für seinen Wein bekannt. 17 Weinbaubetriebe sind hier tätig, die Rebfläche umfasst 112 Hektar.

An einer Metallstele, die den Eremiten zeigt, überquert man die Straße und wandert auf einem Feldweg durch - nun ja - Felder. Bald geht's dann aber nach links in die Weinberge und hier wieder rechts weiter, einen sanften Hügel hinauf. An der Hangkante rechtst man auf einem grasigen Weg entlang der Oberkante eines alten Steinbruchs ab, zwischen Buschwerk (links) und Weinbergen (rechts). An einem Feldkreuz endet der Abstieg. Hier zweigen zwei breite Wege scharf links ab. Der Eremitenpfad folgt dem linksesten.

Nach etwa 300 Metern wartet der nächste spitze Winkel. Wieder geht's nach links und durch ein Wäldchen mit einem geschlossenem Blätterdach hinauf zu dem alten Bretzenheimer Steinbruch, an dessen Oberkante wir einige Minuten zuvor entlang gewandert sind. Hier lädt eine Sitzgruppe zur Rast ein.

Entlang einer roten Sandsteinfelswand geht's nun weiter nach Westen. Man umrundet einen Weinberg, bevor es entlang einem Weidezaun steil links hinauf geht, zuletzt auf Treppenstufen. Oben im Hang angelangt, wendet man sich erneut nach Westen. Hoch im Hang über dem Guldenbachtal geht's nun weiter, begleitet von Galloway-Rindern und Schafen.

An Weggabelungen bleibt man auf der gleichen Höhe, bis man die schönen, naturbelassenen Graswege hinter sich lässt, den Wald betritt und sich der Pfad dort rechts hinunter wendet. Durch dichtes, tunnelartig freigeschnittenes Gehölz geht es nun hinunter ins Tal des Guldenbachs.

Dort stehen einige Gebäude, die heute im Besitz der Wohnungslosenhilfe der Kreuznacher Diakonie sind. Früher gehörten sie zum Jagdschloß der Familie Puricelli. Nach dem letzten Haus halten wir uns halb links, und schon nach wenigen Metern stehen wir vor der eindrucksvollen Felseneremitage (126m), die für Jahrhunderte den Einsiedlern und Mönchen Heimstätte war.

Das einzige Felsenkloster nördlich der Alpen! Generationen von Eremiten und Mönchen haben hier in mühevoller Handarbeit mit Hammer und Meißel diese eindrucksvolle Anlage in den Fels hinein- und aus ihm herausgehauen.

Die christlichen Baumeister, die ab dem 6./7. Jahrhundert hier tätig gewesen sein dürften, waren allerdings nicht die ersten: Spuren in der Felswand und ein unter der heutigen Anlage nachgewiesener Felsenraum lassen Rückschlüsse auf eine Entstehung bereits in vorchristlicher Zeit zu, möglicherweise durch Kelten und Römer. Vermutlich wurde die Stelle bis zum 5. Jh. als Mithräum genutzt.

In frühchristlicher Zeit, vermutlich seit dem 6. bis 8. Jahrhundert, erfuhr die Anlage dann eine christliche Umwidmung. Urkundlich wird sie allerdings erst im Jahre 1043 ersterwähnt. Damals wurde hier ein Altar geweiht. Eine aus jener Zeit stammende sowie eine später errichtete Kirche, die im Jahre 1567 Opfer eines Erdrutsches wurden, existieren heute allerdings nicht mehr. Damals, im 16. Jahrhundert, hatte die Eremitage ihren größten baulichen Umfang erreicht, mit besagter Kirche, einer Felsenwohnung (Konvent), zusätzlichen an die Felswand angefügten Gebäuden sowie Stallungen und Wirtschaftsgebäuden. Mögen Eremiten die ersten (und die letzten) christlichen Bewohner gewesen sein, bestand damals an dieser Stelle ein regelrechtes Kloster. Unter anderem lebten hier Angehörige des Wilhelmiten-Ordens, Beginen und Zisterzienser-Mönche.

Nach einer Vakanz von ca. 150 Jahren (1559-1710) wurden dann Einsiedler des Hl. Johannes des Täufers, die in der Kurmainzer Eremitenkongregation organisiert waren, hier ansässig. Sie lebten für die nächsten 117 Jahre im Fels, legten aber auch die verschüttete Antoniuskirche wieder frei.

Ab 1717 wurden Wunderheilungen bekannt und weckten das Interesse vieler Christen aus der Umgebung. Bald entwickelte sich ein regelrechter Wallfahrtsbetrieb, dem Papst Clemens XI. im Jahre 1719 schließlich seinen Segen erteilte.

Zur seelsorgerischen Betreuung der Pilger wurde 1718 die heute noch begehbare Felsenkapelle auf 4,30 m Höhe erweitert, mit einem neuen Altar ausgestattet und für gottesdienstliche Zwecke hergerichtet. Bis heute erinnern aber die umlaufenden steinernen Bänke an die Zeit, in der dieser Raum als Kapitelsaal des Klosters diente. 1723/24 entstand dann eine neue Kirche, in die die Felsenkapelle mit ihrem Altar als Chor einbezogen wurde.


Die Eremiten lebten zu jener Zeit in der Felsenwohnung, bis zu vier Personen teilten sich die 90 Quadratmeter großen Räumlichkeiten. Ihre Aufgabe war es, die Besucher und Wallfahrer zu betreuen und die Anlagen zu erweitern und zu erhalten. Ihren Lebensunterhalt bestritten die Eremiten durch eine kleine Landwirtschaft und Viehzucht.

Über die nächsten 117 Jahre hinweg lebten insgesamt 23 Eremiten in der Felseneremitage. Einige von ihnen verbrachten 20, 30, 40 und mehr Jahre hier.

1802 wurde die Wallfahrtstätigkeit dann durch Dekrete Napoleons untersagt, aber in Bretzenheim erst 1806 endgültig eingestellt. Die Antoniuskirche musste 1819 wegen Baufälligkeit abgetragen werden. Als dann 1827 auch noch der letzte Eremit, Andreas Zahn (Bruder Abraham), nach 51 Dienstjahren im Alter von 82 Jahren vom Felsen über der Eremitage stürzte, starb mit ihm auch der letzte Vertreter der Kurmainzer Eremitenkongregation. Die säkularisierte Anlage wurde daraufhin zu Gunsten der katholischen Kirchengemeinde Bretzenheim für 356 Taler versteigert. Heute befindet sie sich im Besitz der Gemeinde Bretzenheim.


Akute Felssturzgefahr und die drohende Zerstörung der gesamten Anlage veranlassten 1997/98 das Landesamt für Denkmalpflege in Mainz, gefährdete Felsbereiche durch 19 Felsanker, die 30 Meter tief im Felsmassiv befestigt sind, zu sichern. Den überwiegenden Teil der Kosten in Höhe von 700.000.- DM trug das Land Rheinland-Pfalz. Heute ist die Felseneremitage jederzeit frei zugänglich und zu besichtigen. Schautafeln informieren die Besucher über alle interessanten Einzelheiten. Die Felsenwohnung dagegen ist nur im Rahmen einer Führung zu besichtigen.


Der Weg zur Felseneremitage ist ein Stich, man muss wieder zurück auf den Talweg. Auf diesem geht es noch ein kleines Stück westwärts, dann quert man rechts hinüber zum Damm des Guldenbachs. Dort setzt sich die Route fort. Linkerhand in der roten Felswand kann man nach einigen Minuten noch einmal Reste einer Einsiedlerklause entdecken, dann geht's weiter Richtung Guldental.

Kurz vor dem Campingplatz Lindelgrund biegt man dann links in den Wald hinauf. Der schmale Pfad wendet sich bald endgültig nach Osten und passiert dabei den Guldentalblick (167m), einen weiteren Rastplatz mit schönem Ausblick übers Tal. Danach zickzackt sich der Pfad in unnötig häufigem Zickzack den Waldhang hinauf. Oben am Waldrand trifft man erneut auf eine Bank, dann geht's wieder nach links (Osten), zunächst am Waldrand entlang, dann in den nächsten waldigen Abschnitt hinein. Auf schmalen Pfaden durch die urige Vegetation des Lindels mit seinen knorrigen Eichen und alten Buchen wandert man nun weiter Richtung Osten, bis man den Wald endgültig verlässt, an einer Stelle, an der sich ein herrlicher Ausblick nach Süden und Osten eröffnet.

Der Blick schweift  über das Nordpfälzer Bergland zum Donnersberg und weiter über den Kreuznacher Stadtwald, die Gans, der Rotenfels bis hin zum Lemberg, der höchsten Erhebung zwischen Mittel- und Unterlauf der Nahe. Und in der anderen Richtung sieht man das Niederwalddenkmal am Rhein und mit dem Feldberg die höchste Erhebung des Taunus.

Hier geht's nun auf dem Bergrücken weiter nach Osten, die Reben rechts, den steilen Abhang links. Beim Rheingaublick (200m), mit der letzten Sitzgruppe der Tour, hat man erneut einen herrlichen Fernblick in den Rheingau und nach Rheinhessen. Niederwaldddenkmal, Kloster Eibingen und die Binger Rochuskapelle sind zu sehen.

Dann wendet sich die Runde langsam ihrem Ende zu. Es geht hinunter in die Ebene und auf dem schon bekannten ersten Abschnitt wieder der Kronenberghalle (124m) zu.


Fazit:

Kleine, überraschend schöne Tour! Die Wegeplaner haben das Maximum aus dem Gebiet herausgeholt, durch das dieser Weg führt, und jede schöne Ecke, jeden schönen Weg, jede Aussicht und (fast) jedes sonstige Highlight eingebaut. Hat uns sehr gefallen.


Infos:

..., einschließlich Karte und Wegbeschreibung, gibt es hier, auf der offiziellen Seite der Vitaltour Eremitenpfad. Und ein Video der Tour (ganz ohne Eso-Schmarrn) gibt es hier.


P. S.:

Auf der offiziellen Seite des Weges findet sich der großartige Satz "Das Deutsche Wanderinstitut bewertete den Premiumweg mit 68 Erlebnispunkten!". Mal ganz abgesehen davon, dass "Wanderinstitut" eine fantastische Wortbildung ist, dass ein Erlebnis etwas subjektives ist, das man nicht messen und bepunkten kann, und 68 eine ebenso absurde wie lustige Erlebnisbeschreibungszahl - was ist das mit dem Ausrufezeichen? Ein Ausrufezeichen? Ein Ausrufezeichen! Ou män...

Tourengänger: Nik Brückner, Waldelfe


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