Strahlhorn 4190m - Nordostgrat mit Schneeschuhen


Publiziert von Cubemaster , 10. März 2023 um 18:35.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Oberwallis
Tour Datum: 5 Juni 2022
Hochtouren Schwierigkeit: ZS-
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 2000 m
Abstieg: 2000 m

Die Idee einer 4000er-Besteigung außerhalb der Hauptsaison hatten Raphael und ich schon häufiger diskutiert. Schnell war dabei eine Schneeschuhtour aufs Strahlhorn ins Gespräch gekommen, aber die Strapazen einer echten Winterbesteigung schreckten uns dann doch ab. So entschieden wir uns für das lange Pfingstwochenende, was für uns durchaus noch als "Spätwinter" durchging, da die Schneeschuhe ja noch notwendig waren.

Das erste Problem war nun, dass die Britanniahütte geschlossen hatte und auch kein Winterraum zur Verfügung stand. Also stand fest, dass wir das Zelt nehmen mussten, aber angesichts der langen Wegstrecke, welche auf dem Normalweg zurückzulegen ist, stellte dies schon wieder ein logistisches Problem dar. Aufgrund der für diese Jahreszeit relativ geringen Schneelage kam aber eine andere Möglichkeit in Frage, welche bei sinnvoller Routenwahl deutlich weniger Wegstrecke beinhalten würde: der Nordostgrat.

1. Tag: Zustieg zum Schwarzberggletscher
Wir fuhren am Samstag ins Saastal und hinauf bis zum Mattmark-Stausee. Hier gab es noch eine ordentliche Mahlzeit im bereits geöffneten Restaurant und um 16:00 Uhr ging es mit mordsmäßig viel Gepäck (Zelt, Schlafsäcke, Essen, Schneeschuhe, Gletscherausrüstung) los in Richtung Schwarzberggletscher. Wir folgten in gemütlichem, kraftsparendem Tempo dem schneefreien Wanderweg bis zum Aussichtspunkt P.2693, wo der Wanderweg endet. Eine Spur führt von dort aus weiter über die Moräne des Schwarzberggletschers. Auf etwa 2810m verließen wir diese Spur Richtung Westen. Über eine geröllige Flanke stiegen wir weiter hinauf, wandten uns auf etwa 2940m nach links und erreichten eine kleine Mulde nördlich des Sees bei P.2962.

Auch hier lag nur teilweise Schnee und so suchten wir uns einen trockenen Zeltplatz, steinschlaggeschützt hinter einem großen Felsen (der Felsen ist auf der Karte sogar eingezeichnet). Zuerst musste dort in mühsamer Arbeit der Boden von Geröll befreit und begradigt werden. Etwa 1Std benötigten wir dafür (die Höhe machte sich hier schon bemerkbar) und als wir endlich unser Zelt aufgestellt hatten, freuten wir uns beide sehr auf eine heiße Suppe. Aber als Raphael immer verzweifelter in seinem Rucksack kramte, dämmerte es mir schon: Feuerzeug vergessen!

Tja, das mussten wir nun schnell abhaken, ändern konnten wir es eh nicht mehr. Nur ein Problem gab es dabei: Wegen des schweren Gepäcks hatte ich mein Essen recht genau kalkuliert und hatte nicht genug dabei, um die fehlende Suppe zu ersetzen. Also holte ich mir Wasser (0 Grad kalt aus dem Gletscherfluss) und bröselte meine Nudelsuppe hinein. Erstaunlicherweise war das durchaus essbar, nur die Nudeln waren recht "knurpsig". Nach diesem etwas improvisierten Abendessen spielten wir bis zum Anbruch der Nacht noch eine Partie Schach, danach hieß es, ein wenig Schlaf bekommen vor der gewaltigen Tour am nächsten Tag.

2. Tag: Strahlhorn Gipfel und Abstieg
Am Sonntag ging es um 4:00 Uhr los, wir querten zunächst in nordwestlicher Richtung unterhalb des Felssporns, welcher von P.3266 hinabzieht, dann stiegen wir bergan in Richtung Hangende Gletscher Joch. Dies war auch ursprünglich unser angepeiltes Zwischenziel. Durch die schon weit fortgeschrittene Ausaperung sah uns dieser Weg bei näherer Betrachtung allerdings zu mühsam aus und so kraxelten wir stattdessen über steiles Geröll hinauf zu P.3306. Auf der anderen Seite mussten wir etwa 30m wieder hinunter auf den Gletscher. Schon nach wenigen Schritten war klar, dass jetzt die Schneeschuhe zum Einsatz kommen würden.

"Auf großem Fuß" ging es nun also weiter. Zuerst umrundeten wir den großen Windtrichter mit dem kleinen See darin, dann stiegen wir am kleinen Gratgipfel Innere Turre vorbei über die endlosen, relativ flachen Hänge in Richtung Fluchthorn hinauf. Am flachen Nordgrat des Fluchthorns drehten wir auf ca. 3700m schließlich nach Südwesten ab in Richtung Fluchtpass. Der anschließende Hang war dann schon etwas steiler und entsprechen anstrengend. Immer wieder wechselten wir uns mit dem Spuren ab und um ca. 9:00 Uhr erreichten wir schon ziemlich erschöpft das große Plateau unterhalb der Nordostwand des Strahlhorns.

Wir überquerten das Plateau und stiegen in den steilen Nordhang ein. Das unterste Stück (auf ca. 4000m) war das steilste: etwa 35 Grad, eine kurze ansteigende Querung auch um die 40 Grad. Raphael übernahm hier die Führung und arbeitete sich Stück für Stück durch den tiefen Schnee hinauf. Die Querung war dann teilweise recht hartgefroren, aber wir schafften es trotzdem einigermaßen problemlos mit den Schneeschuhen. Raphael hatte sein Pulver in dem Steilstück komplett verschossen und ich ging nun wieder voraus.

Aufziehende Wolkenfetzen behinderten stark die Sicht und die Orientierung in der steilen, zerrissenen Flanke war nicht leicht. Ich hatte mir vom Plateau aus aber alles schon gut eingeprägt und fand zielgenau den angepeilten Ausstieg knapp westlich von P.4141. Auf diesem letzten Stück waren wir unglaublich langsam. Raphael meinte irgendwann: "Hey, wir müssen langsamer machen, ich schaffe nur noch alle zwei Atemzüge einen Schritt." Wir stellten also auf diesen Rythmus um, was auch für mich immer noch anstrengend genug war, und so war es schon 10:40 Uhr als wir die Felsen des obersten Ostgrates erreichten.

Ab etwa 13 Uhr waren Gewitter angesagt, noch sah es aber gut aus. Wir entschieden uns dann, das schwere Seil zu deponieren und das letzte Stück ungesichert zu klettern. (Das machen wir bei Klettereien bis II meistens so, aufgrund unseres enormen Erschöpfungszustandes diskutierten wir das aber kurz.) Im einfachen IIer-Gelände kraxelten wir langsam hinauf bis zu einem Eck, welches die klettertechnische Schlüsselstelle darstellt und nordseitig umklettert wird (II+, ausgesetzt, Sicherungsmöglichkeit an einer Schlinge). Vorsichtig bewältigten wir nacheinander diese Stelle.

Nun fehlten keine 10m mehr zum Gipfel, aber der schmale, sonst vermutlich nur moderat schwierige Grat war noch schneebedeckt. Raphael brachte eine Umkehr ins Gespräch, aber so kurz vor dem Gipfel wollte ich nun wenigstens die Schneebedingungen einmal antesten. Unter großen Anstrengungen zog ich mir auf dem schmalen Grat meine Steigeisen an und tat einen ersten Schritt auf den Schnee: perfekter Trittfirn! Mit großer Vorsicht, immer den Schwerpunkt mittig haltend krabbelte ich vorwärts und bewältigte so die letzten Meter zum Gipfel auf allen Vieren. Es war ungefähr 11:00 Uhr, also 7 Std. ab Zeltplatz!

Während Raphael sich ebenfalls Steigeisen anzog und langsam in meiner Spur hinterherkam, machte ich noch einen kurzen Abstecher zum Gipfelkreuz, welches etwas hinter dem höchsten Punkt auf der Seite des Normalwegs angebracht ist. Wir trafen uns dann wieder am höchsten Punkt, gratulierten uns zu dieser Energieleistung, aßen kurz etwas und machten ein paar Bilder. Dann ging es zügig wieder hinunter, wir wollten unbedingt vermeiden, auf über 4000m in ein Gewitter zu kommen.

Das verschneite Gratstück war natürlich nochmal anspruchsvoll und dauerte eine Weile. Wir gingen hier nacheinander, so konnten wir uns gegenseitig Hinweise beim rückwärts runterkrabbeln geben. Am Fuß der Felsen seilten wir wieder an und die Schneeschuhe kamen auf den Rucksack. So konnten wir super die Flanke "abfahren", jetzt ging es endlich mal schnell! Am Beginn des Plateaus zog ich mir die Schneeschuhe wieder an, Raphael stapfte sogar noch bis weit hinter dem Fluchthorn unverdrossen durch den Tiefschnee.

Während des Abstiegs durch die Nordflanke des Fluchthorns tauchte dann hinter dem Allalinpass eine dunkle Wand auf, welche sich schnell in unsere Richtung bewegte. Um ca. 13:30 Uhr (wir waren gerade auf etwa 3400m) war es dann soweit: das angekündigte Unwetter setzte ein. Der Sturm peitschte den Eisregen horizontal über den Gletscher, wovon meine linke Gesichtshälfte ekelhaft weh tat. Hin und wieder hörte ich Raphael hinter mir fluchen, aber natürlich mussten wir trotzdem weitergehen. Etwa um 14:00 Uhr erreichten wir wieder P.3306, wo wir endlich die Schneeschuhe wegpacken konnten.

Nach kurzem Abstieg Richtung Zeltplatz kam dann auch schon wieder die Sonne heraus und der Spuk war vorbei. Bei durchweg trockenen Bedingungen liefen wir hinunter zum Zeltplatz, packten alles zusammen und schleppten das schwere Gepäck wieder zu Tal. Auf Höhe der Schwarzbergalp begegneten wir noch ein paar Steinböcken und Murmeltieren, die sich gerne fotografieren lassen wollten, ein schöner Ausklang der Tour. Gegen 18 Uhr erreichten wir stehend KO wieder den Parkplatz am Mattmark-Stausee.

Fazit:
Auf jeden Fall eine coole Tour, aber mit den Schneeschuhen und ohne Akklimatisation auch an der Grenze unserer körperlichen Belastbarkeit. Die Route ist interessant und sehr zu empfehlen, eine Überschreitung mit Abstieg über die Normalroute wäre so natürlich auch möglich. Die optimale Zeit für die Route dürfte vermutlich so Ende Juni/Anfang Juli sein, also ein paar Wochen später. Bei guten Bedingungen (Gipfelgrat schon trocken, Steilflanke noch schneebedeckt) übersteigt der Schwierigkeitsgrad ein WS+ sicher nicht, ich habe aufgrund des verschneiten Gipfelgrates auf ZS- aufgewertet.

Tourengänger: Cubemaster, Raphy


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Kommentare (2)


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ma90in94 hat gesagt:
Gesendet am 11. März 2023 um 17:15
Die doch recht aufwendige Tour war wettermäßig sehr kühn geplant, aber es hat grad so geklappt. Der Wetterbericht für die Nacht und Sonntag (kann man auf srf.ch nachschauen) war alles andere als vielversprechend und am frühen Vormittag war es auch nur noch im Wallis einigermaßen sonnig.
War aber trotzdem eine gute Tourenidee und Hilfsmittel für Feuer werdet ihr sicher nie wieder vergessen. Streichhölzer hatte ich früher immer auch im Verbandspäckchen das ja nie aus dem Rucksack kommt. Die schmelzwasserkalte Suppe und die schweren Rücksäcke bis zum Biwak möchte ich mir nicht vorstellen.
Gruß Günter

Cubemaster hat gesagt: RE:
Gesendet am 11. März 2023 um 19:57
Hi Günter, vielen Dank für deinen Kommentar.
Wir hatten den Wetterbericht von meteoblue als Grundlage, der im Wesentlichen auch genauso eingetroffen ist. Dass solch eine knappe Wetterplanung nicht immer hinhauen muss, haben wir letzten Sommer am Aletschhorn erlebt. Bei einer sehr ähnlichen Vorhersage war dort morgens um 7 Uhr bei Blitz und Donner Schluss...
Das mit dem Feuer ist echt dumm gelaufen, aber ich war wirklich erstaunt, wie gut die Eissuppe dann doch essbar war.
Die schweren Rucksäcke sind immer ein hoher Preis für das eigene Biwak, aber wenn dann nachts keiner neben einem schnarcht, ist es 100mal besser als in der Hütte. Man schläft meistens sogar ein bisschen und holt so die zusätzlich verbrauchte Power wieder rein. ;-)


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