Zum sagenumwobenen Querkelesloch im Veitenstein
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Los ging's mit "The Descent" von Cydemind im Player. Start ist im winzigen Örtchen Lußberg (304 m). Hm? Wo das ist? Na, zwischen Kottendorf und Rudendorf. Kennt Ihr nicht? Yep, ich weiß, warum.
Lußberg ist nicht nur der Name des kleinen Örtchens, sondern auch der eines ca. sechs Kilometer langen, von West nach Ost sich erstreckenden Höhenzugs östlich vom Dorf. Kein hoher Berg: Der höchste Punkt des Lußbergs liegt bei 461 Metern. Über den Lußberg führte einst eine Hochstraße, die in einer Urkunde von 804 als "Rennweg" erscheint.
Die Ableitung des Namens aus dem heute nur noch dialektal gebräuchlichen Wort "lusen" für "schauen" ist sicherlich nicht verkehrt.
Es gibt in Lußberg einen kleinen Wanderparkplatz (306 m), von wo aus die meisten zum Veitenstein aufsteigen. So auch wir. Los geht's auf dem befestigten Feldweg, der ostwärts aus dem Ort hinausführt. An der ersten Gabelung links, und bald an einer schönen Baumreihe entlang hinauf zum Wald.
Dort stimmt die Karte nicht. Am Besten, man folgt der Beschilderung Richtung Jungfernkreuz. Der Weiser weist im Wald nach links, und bald kurvt der Weg nach rechts, hinauf zu einer Lichtung. An deren oberem Rand geht's wieder in den Wald, dort kurz rechts, und bald links zu einer Wegkreuzung auf der Höhe. Hier befindet sich das Jungfernkreuz (373 m).
Das Jungfernkreuz ist ein altes Steinkreuz, das allerdings stark im Waldboden eingesunken ist. Es ist auch deshalb schwer zu erkennen, weil der obere Teil des Kreuzsteins fehlt.
Ab jetzt gibt es keine Orientierungsprobleme mehr. Wir folgten weiter der Beschilderung zum Veitenstein, einem breiten Weg, der halbrechts (ungefähr in östlicher Richtung) weiter zu einem Wegedreieck führt. Dort angekommen, hielten wir uns scharf rechts, und wanderten südwärts bergan, bis nach einer Linkskurve ein beschilderter Pfad zum Veitenstein (444 m) hinaufführt.
Am Westsporn des Lußbergs befindet sich der Veitenstein, ein bis zu 15 Meter senkrecht abfallendes Sandsteinplateau, von dem aus eine weite Aussicht ins Umland möglich ist. Naja, zumindest auf Kottendorf, Lußberg und Rudendorf. Der Name ist 1469 als "feyelstein", 1556 und 1590 als "Feihelstein" belegt, hat also nichts mit dem Regionalheiligen Veit zu tun, sondern verweist auf einen blaugrauen Felsen mit rötlichem Moosbewuchs - oder einfach auf Veilchen.
Hier gibt's ein Schutzhüttl (444 m), ich das wir uns erst einmal verzogen, denn es fing an zu regnen. Ein bissl unentschlossen allerdings, denn nach zehn Minuten hörte es wieder auf. Und so sahen wir uns ein wenig auf dem Felsplateau um.
Der ganze Fels ist überzogen von Hinterlassenschaften zahlloser Besucher. Stichwort: Auch ich war hier. Das meiste ist kaum von Interesse (außer für den jeweiligen Hobbysteinmetzen). Allerdings fallen in den Fels gehauenen Hufspuren und Bocksfährten auf. Diese gelten als vermeintliche Belege für eine lokale Sage:
Nach dieser Sage lebte hier einst ein „Veit vom Veitenstein“, ein Ritter. Als dessen Tochter eines Tages von einem nicht standesgemäßen Jüngling entführt wurde, tötete er diesen. Das arme Mädchen jedoch verstarb darauf an gebrochenem Herzen. In seinem Schmerz wurde der Ritter rasend und stürzte sich mit seinem Pferd über den steilen Felsen des Veitensteins. Ihr ahnt es schon: Die Hufspuren des Tieres sind heute noch in dem Stein zu sehen. Und Ihr ahnt auch das: Seitdem wandelt seine Gestalt in mondhellen Nächten um den Veitenstein und findet keine Ruhe...
Die Hufspuren sind nur leider nicht wirklich als Absprungmarken zu interpretieren. Wer immer sie in den Fels gehauen hat, hatte mit Pferden wohl nicht so viel zu tun: Er hat sie zum Bergrücken hin ausgerichtet...
Wir stiegen nun rechts am Fels hinunter, und gelangten unten in eine kleine Felskluft. An deren Ende befindet sich zur Zeit eine verschlossene Brettertür: der Eingang zu einer zweistöckigen Klufthöhle.
Die Felswände dieses "Vorplatzes" sind erneut überzogen von zahllosen Inschriften. Auffällig sind daneben einige Löcher in gleicher Höhe, in denen einst wohl drei Holzbalken lagen, die eine Art Dach trugen. Die Höhle und ihr Vorplatz wurden demnach einst als Behausung genutzt. Aber von wem?
Als Hinweis dient die interessanteste der Inschriften: An der linken Felswand, nahe dem Höhleneingang, befindet sich der Schriftzug "nazarenus ihs" in gotischen Lettern. Zusammen mit einem Wiederkreuz wird diese ins 14. Jahrhundert datiert. Das ein wenig höher gesetzte Christusmonogramm "IHS" wurde wohl erst in der zweiten Halfte des 15. Jahrhunderts oder Ende des 16. Jahrhunderts hinzugefügt. In der Höhle gefundene Keramikreste helfen bei der Datierung: Sie stammen aus dem 15./16. Jahrhundert, und vermutlich aus einer von mehreren mittelalterlichen Töpfereien hier ganz in der Nähe, am Lußberg (Mitte 13. Jh. bis frühes 14. Jh.). Der Name der Waldabteilung "Brennofen" nahe Priegendorf verweist noch auf diese alten Handwerksbetriebe.
Die Höhle selbst entstand auf natürliche Weise infolge einer Rutschung und Erosionsvorgängen. Hinter der Tür befindet man sich in einer kleinen Kammer, neben der sich ein weiterer Hohlraum befindet: die sogenannte "Wächterzelle". Nach einem sich verjüngenden Schacht folgt ein Abstieg über gut fünf Meter in den unteren Höhlenbereich. Dieser wurde einst durch Querhölzer erleichtert. Diese sind natürlich längst nicht mehr vorhanden, aber die Auflager, die in den Fels geschlagen wurden, sind noch zu sehen.
Der untere Teil der Höhle besteht aus zwei Räumen, die von einer Engstelle getrennt sind. Hier befindet sich auch eine Art Sitzplatz, der, aus einem natürlichen Felsvorsprung herausgearbeitet wurde. Der erste Raum wirkt heute wie eine Zisterne, war einst aber wohl eine trockene Kammer. Der zweite Raum ist eher ein Gang. Auf beiden Seiten sind hier kleine, aus dem Felsen gearbeitete Nischen zu sehen. Sie dienten möglicherweise dazu, Kerzen aufzustellen, um den Raum zu erhellen.
Am Ende des Ganges befindet sich rechts die sogenannte "Kapelle", deren Zugang in Form eines Bogens aus dem Felsen geschlagen wurde und die sich als kleiner, teils künstlich ausgearbeiteter Raum mit einer weiteren Lichtnische präsentiert.
Wie gesagt, heute leider geschlossen, die Höhle kann an bestimmten Tagen aber besichtigt werden.
Und wer gar nicht hinfahren kann, kann sich hier von Roland Wolf durch die Höhle führen lassen. Er hat einst beim Freiräumen der Höhle mitgearbeitet.
Vom Vorplatz aus ging es nun links hinunter zum niedrigsten Punkt des Felsfußes. Hier befindet sich das eigentliche Querkelesloch (439 m).
Das Querkelesloch ist ein ca. zehn Meter langer Felstunnel mit rundem Querschnitt, das zwischen 40 und 45 Zentimetern im Durchmesser misst. Es mündet nach etwa zehn Metern in die größere Klufthöhle. Vielleicht diente es den Bewohnern der Höhle als Versteck, oder als Fluchttunnel.
Angeblich weist der kleine Tunnel nur an seinem Ausgang Bearbeitungsspuren auf, allerdings ist vor Ort (und auf diesem Foto) unschwer zu sehen, dass der Tunnel künstlich bearbeitet wurde, soweit man mit der Handylampe hineinleuchten kann. Es gibt auch die Erklärung, dass ein im Rhätsandstein eingeschlossener Baumstamm verwitterte und durch Wassererosion oder menschliches Zutun aus dem Felsen gelöst wurde.
In das Loch passen ich heute nicht mehr - das ist Kindern und Zwergen vorbehalten (siehe weiter unten). Interessant sind aber zahllose Ritzzeichnungen rund um den Eingang des kleinen Tunnels.
Darunter sind vier unterschiedlich große Wiederkreuze und vier Drudenfüße. Oberhalb der Öffnung befindet sich ein Wellenzeichen, links unterhalb davon eine Ritzung, die als Überrest einer Inschrift oder als eine Art Maskensymbol interpretiert wird. Direkt über dem Loch befindet sich ein Y-ähnliches Zeichen, ein großes Wiederkreuz und rechts davon die Buchstaben "I.R.E'' mit einem weiteren, einzeln darunter stehenden "R". Links unterhalb der Öffnung ist ein Drudenfuß zu sehen, darüber das größte Wiederkreuz. Links abseits noch eine "h"-förmige Ritzung und ein florales Symbol. Recht einfach deuten lassen sich die Buchstaben "IP" (= Judaeorum Rex) und "IPX" (=Judaeorum Rex Christus). Rechts unterhalb des Felslochs zeigt sich neben einem einfachen Kreuz ein größerer, gekreuzter Drudenfuß. Über dem Kreuz einige weitere Zeichen: die Buchstaben ,,MM. P. X" ("Maria Mater Peperit Christum").
Die große Anzahl der Wiederkreuze und Drudenfüße lassen die Vermutung zu, dass hier etwas gebannt werden sollte. Vielleicht fürchteten Ortsansässige, dass hier unter der Erde Dämonen hausten, die dann von gottesfürchtigen, aber ansonsten unerschrockenen Männern in den Fels gebannt wurden? Ein Kultort aus vorchristlicher Zeit war hier jedenfalls nicht, das hätten entsprechende Funde belegt. Der Irrglaube hält sich allerdings hartnäckig, weil man so mit esoterischen Führungen und halbseidenen Buchpublikationen seinen Lebensunterhalt verdienen kann.
Stattdessen verweist alles, was hier zu sehen ist, auf das Mittelalter, und damit auf das Christentum. Aufgrund der gotischen lnschrift "nazarenus jesus", den Scherbenfunden und den Kreuzen vermutet man, dass hier einst eine gebildete Person, möglicherweise ein Geistlicher, als Eremit lebte. Vielleicht war es ja der Burgkaplan der nahegelegenen Burg Stiefenberg?
Oder?
In Wirklichkeit hausten einst Waldgeister in der Höhle; kleine Waldmännlein, die man Querkel nannte. Sie waren womöglich verwandt mit den Querkeln vom Staffelberg. In uralten, längt vergangenen Zeiten halfen sie den Menschen der Umgebung fleißig bei ihrer harten Arbeit. Zum Lohne holten sie sich Klöße aus den Töpfen der umliegenden Dörfer. Aber immer nur so viele, dass die Köchinnen dies nicht bemerkten.
Eines Sonntags, als die Frauen vom Gottesdienst nach Hause kamen, fiel ihnen dann aber doch auf, daß die Klöße weniger geworden waren. Sie bestimmten eine Aufpasserin aus ihrer Mitte, und diese kam dann den kleinen Klößdieben auf die Spur. Und so beschlossen die Frauen, schwere Deckel auf ihre Töpfe zu legen. Die Querkel aber waren zu klein und zu schwach, um diese anzuheben. Und so mussten sie hungern. Da Hunger wehe tut und die Zwerge erzürnt waren über diese Ungastlichkeit, beschlossen sie, fortzugehen. Von Hunger geplagt trippelten sie mit Sack und Pack durch den Wald davon, einer nach dem anderen, auf der Suche nach einer neuen Bleibe. Bei Hausen ließen sie sich vom Fährmann in einem Boot über den Main fahren und verschwanden danach im Banzer Wald. Keiner weiß, wohin sie gezogen sind und bis heute hat sie niemand mehr gesehen. Und so gibt es auf dem Veitenstein heute keine Zwerge mehr. Und die Leute müssen ihre Arbeit wieder selbst verrichten.
Eine Inszenierung dieser Sage gibt es hier zu sehen. Sie ist allerdings nicht an diesen Ort gebunden. Es gibt sie häufig, in der Region, aber auch in anderen Gegenden. So hat zum Beispiel Karl Spiegel, ein Lehrer und Volkskundler, im Jahr 1912 berichtet, die Querkeln vom Veitenstein hätten ursprünglich in einer Höhle am Staffelberg gehaust, und seien von dort aus ganz ähnlichen Gründen hierher geflohen. Uns hat die Geschichte auch an die Geschichte der Zwerge von Ferrette erinnert.
Wir nahmen nun langsam Abschied vom Veitenstein und den Querkeln. Eigentlich hatten wir eine größere Runde geplant, doch nun hatte Dauerregen eingesetzt, und so entschieden wir, aus Zucker zu sein, und wählten den direkten Abstieg nach Lußberg: südwestlich vom Felsplateau hinunter, und immer geradeaus.
Beide Routen könnt Ihr auf dem letzten Bild einsehen. Die eigentlich geplante Tour hätte 8,5 Kilometer und 180 Hm gehabt.
Fazit:
Höchst interessante kleine Runde in einer Gegend, die im Umkreis von Bamberg und in der Nähe der Fränkischen Schweiz leicht übersehen wird. Wer das Glück hat, einen Tag zu erwischen, an dem die Höhle geöffnet ist, hat Glück, und einen Tag erwischt, an dem die Höhle geöffnet ist. Mehr Esoterik gibt's einstweilen hier.
Oh, und liebe Meteorologen, bitte klopft euch nicht so oft selbst auf die Schultern. Kommt nicht gut, draußen im Wald.


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