Scrigno di Poltrinone - Motto di Leveno - Monte Grande - Gazzirola


Publiziert von Ororretto , 30. Oktober 2022 um 10:51.

Region: Welt » Schweiz » Tessin » Bellinzonese
Tour Datum:28 Oktober 2022
Wandern Schwierigkeit: T5- - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-TI   I   Gruppo San Jorio-Monte Bar 
Zeitbedarf: 10:00
Aufstieg: 1768 m
Abstieg: 1720 m
Strecke:18.3 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Carena
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Colla, Paese

Schöne Grat-Tour mit einigen Kraxel-Einlagen und unbekannten Wegen von Carena im Valle Morobbia nach Colla im Val Colla. Mit dem Motto di Leveno 2022m konnte ich meinem Projekt der Jahreszahl-Berge einen weiteren Eintrag hinzufügen. Mehr Infos zu diesem Projekt und eine Liste der Jahreszahl-Berge gibt es in *diesem Bericht.

Meine Tour starte ich an der Endhaltestelle der Buslinie 212, welche von Giubiasco weit ins Valle Morobbia hineinfährt, bis ins schmucke kleine Dorf  Carena. Da der Bus unter der Woche häufiger fährt, bin ich an einem Freitag unterwegs statt am Wochenende. Das erste Gipfelziel, das ich mir für heute ausgesucht habe, ist der Scrigno di Poltrinone, welchen ich überschreiten möchte. Von Carena aus hat es einen markierten wrw-Wanderweg, der über Cascina Nova bis zum Fuss des Scrigno di Poltrinone führt. Mich aber faszinieren die auf der Karte eingetragenen, aber unmarkierten Wege in diesem Gebiet. Nur sehr spärlich wurden diese bisher auf Hikr dokumentiert und somit wäre mir ein schönes Erkundungs-Abenteuer zu Beginn dieser Tour so gut wie sicher. Also entscheide ich mich für den Weg, welcher von den alten Eisenöfen (Forni Vecchi) über die Monti di Pisciarotto zur Alpe Poltrinetto hochführt.

Dazu folge ich zuerst dem offiziellen Wanderweg taleinwärts, auf einer unbefestigten Strasse. Dies ist auch der Beginn des Themenwegs "Via del Ferro", welcher den Wanderer an Überbleibseln der früheren Eisen-Industrie vorbeiführt. So findet man an der Abzweigung zu den Forni Vecchi auch eine entsprechende Info-Tafel, und sogar einen Wegweiser, der, mit "Al Maglio" ("Beim Eisenhammer") beschriftet den Weg zu den Ruinen weist. Den Einstieg in den Weg zu finden ist also kein Problem.

Bei den  Forni Vecchi geht's zuerst einmal mittendurch und danach bei den letzten Gebäuden links auf deutlichen Wegspuren den Hang hoch und in den Wald. Der Weg zwischen Forni Vecchi und Monto di Pisciarotto ist in sehr gutem Zustand und stets einfach zu finden. Markierungen habe ich jedoch bis kurz vor den Monti di Pisciarotto keine gesehen. An einigen etwas ausgesetzteren Stellen hat es sogar einige Geländer angebracht (Schwierigkeit max. T3).

Ab den  Monti di Pisciarotto wird der Weg dann stellenweise deutlich anspruchsvoller (Stellenweise T3+ bis T4) und auch undeutlicher. Gerade kurz nach den Monti Pisciarotto verliere ich den Weg kurz und lande zu tief unten bei der in der LK eingezeichneten Ruine. Weglos korrigiere ich nach oben und finde mich dann schnell wieder auf der undeutlichen Wegspur. Danach quert der Weg mehrere kleine Bäche. Da der Weg sehr schmal und das Gelände sehr abschüssig ist, sind diese Stellen etwas knifflig. Die anspruchsvollste Stelle jedoch befindet sich auf etwa 1350m, wo die Route kurz fast weglos durch ein abschüssiges, felsdurchzogenes Gebiet führt (vgl. Bild). Hier war ich mir zuerst sehr unsicher, ob ich überhaupt richtig bin, aber mangels besserer Alternativen bin ich dort dann durch, und habe den Weg dann auch kurz danach wieder gefunden. Immerhin findet man auf diesem Weg immer wieder mal alte, verblasste wrw-Markierungen, die einem versichern, dass die Spuren, denen man folgt, von Menschenhand geschaffen wurden.

Auf ca. 1400m gelangt man in etwas offeneres Gelände und quert ein paar kleine Bäche. Hier habe ich die Wegspur abermals verloren, und die Fortsetzung auf die Schnelle auch Mithilfe von Karte und Handy-GPS nicht mehr gefunden. Da aber nicht mehr viel Höhe bis zur Alpe Poltrinetto gefehlt hat, und es einen steilen aber relativ gut gangbaren Grasrücken gab, bin ich einfach weglos über diesen hochgestiegen. Ab der  Alpe Poltrinetto gehts auf Wegspuren auf dem breiten Rücken weiter aufwärts und ich erreiche bald darauf den offiziellen wrw-Wanderweg. Für etwas abenteuerlustige Wanderer ist diese Route eine sehr lohnenswerte Alternative zum offiziellen Weg!

Nach nur wenigen Metern verlasse ich den Wanderweg wieder und steige weglos auf den breiten NW-Gratrücken des Scrigno di Poltrinone auf (T3). Oben auf dem Rücken lasse ich mich von ein paar Wegspuren dazu verleiten, ins buschige Gebiet auf dem Grat zu queren. Die Spuren schlagen jedoch keine sehr sinnvolle Richtung ein und ich bin bald wieder weglos unterwegs. Wahrscheinlich wäre es angenehmer gewesen, einfach rechts im grasigen Gelände zu bleiben. Ohne grosse Probleme gelange ich dann zum steileren Gipfelaufbau wo ich mal weglos, mal auf Spuren unschwierig zum Gipfel des  Scrigno di Poltrinone hochsteigen kann (T3). Von hier aus geniesst man eine wunderbare Aussicht in die Magadino-Ebene und auch auf das Gipfel-Trio von Cima d'Aspra, Cimetta und Gaggio, welches noch auf meiner To-Do-Liste steht.

Und ab hier beginnt jetzt auch der lange Grat-Spass. Zuerst gehts kurz auf nicht allzu steiler Wiese kurz runter und dann auf ausgeprägtem, teils grasigem und teils felsigem Grat zum  Südgipfel des Scrigno di Poltrinone. Die Hände braucht man in diesem Abschnitt praktisch nicht und man findet durchgehend eine gute Wegspur (T3+). Nach dem Südgipfel locken ein paar kecke Felszähne zum Kraxeln. Wirklich Klettern muss man eigentlich nie, die Route führt im Slalom durch die Zähne durch und die Hände braucht man fast nur für die Balance (T4).

Leider viel zu schnell ist dieser Abschnitt vorbei und es folgt die Frage: Wohin jetzt? Wegspuren sehe ich keine mehr, nur endlose Felder der kniehohen, nadelig-kratzigen Büsche. Von meiner Planung wusste ich, dass es gemäss Satellitenbild eine Wegspur auf der Westseite haben müsste, welche die Felszacken umgeht. Sehen tu ich die Spur zwar nicht, aber als mir beste Option erscheint es mir dennoch, etwas in die Westflanke abzusteigen. Das Gelände ist hier sehr steil (gefühlt nahezu senkrecht) und komplett weglos, und den Abstieg empfand ich als die anspruchsvollste Stelle der ganzen Tour (T5-). Mit Festhalten an Gras, Bäumen und Büschen komme ich heil ein paar Meter runter, aber sehe immer noch keine Spur eines Weges. Viel mehr wird die Botanik gegen unten nur noch undurchdringlicher. Aus diesem Grund entscheide ich mich dazu, nicht weiter abzusteigen sondern durch die Büsche die Höhe haltend Richtung Bocchetta di Poltrinone zu zielen. Ich erreiche so bald wieder die Grathöhe. Auf der Ostseite peile ich dann weiter unten einen Streifen Grasgelände an. Mit wundgescheuerten Unterschenkeln (hätte ich doch nur die langen Hosenbeine wieder montiert!) erreiche ich endlich die  Bocchetta di Poltrinone wo ich auf den guten Weg stosse, welcher von der Alpe di Poltrinone herkommt. Hier ist's dann höchste Zeit, mal die Schuhe auszuleeren!

Von hier an gibt es wieder einen gut ausgeprägten Weg, welcher zum Motto di Leveno hochführt (T3). Etwas unterhalb des Gipfels quert der Weg in die Ostflanke. Die Idee, den Gipfel weglos von Norden zu besteigen, um eine Überschreitung des Gipfels zu erreichen, verwerfe ich wegen dem unwegsamen Gelände sehr schnell wieder, und folge stattdessen dem Weg auf die Südseite und von dort auf den Gipfel des  Motto di Leveno, mein zweiter Eintrag der Jahreszahl-Gipfel 2022!

Beim Anstieg zum nächsten Gipfel, der Cima della Valletta frustriert mich ein bisschen, wie langsam ich in den Aufstiegen heute unterwegs bin. Allzu viele Höhenmeter habe ich eigentlich noch nicht in den Beinen, und so hoch oben bin ich jetzt auch nicht, dass mich die dünne Luft ausser Atem bringen sollte. Eigentlich wollte ich heute noch den Camoghè und den Pizzo di Corgella mitnehmen, aber wenn's so weitergeht wird das wohl nix mehr. Naja wie auch immer, nach einer kurzen Verschnaufpause gehts weiter. Und da mich der Weg sowieso schon sehr nahe an den Gipfel der  Cima della Valletta führt, gehe ich noch bis ganz nach oben.

Der Abstieg führt über einen sehr ansprechenden, etwas felsigen Grat in die  Bocchetta di Stabiello runter (T3+, Umgehung möglich). Da ich mittlerweile schon ziemlich entschieden habe, den Camoghè für heute auszulassen und stattdessen Plan B zu wandern, wollte ich zumindest all die kleinen Gipfelchen auf dem Weg zum Gazzirola noch mitnehmen. Der Aufstieg zum  Monte Stabiello ist grösstenteils wenig steil, das kleine Felsband ist auch kein grosses Hindernis. Auf dem Gipfel dann die Frage, welches genau der höchste Punkt ist. Zur Sicherheit gehe ich also die paar Meter zum Südgipfel weiter.

Für die Besteigung der  Cima della Segonaia dürfen die Hände wieder mal etwas Felskontakt erleben (T3+/I). Von der Cima della Segonaia an bleibe ich stets so nahe an der Gratkante wie möglich. Der deutlichste Weg verläuft meistens in der Flanke auf der italienischen Seite. Der Grat jedoch ist ein wunderbares Erlebnis, meistens Gehgelände und zwischendrin ein paar kurze Kraxelstellen. Fälschlicherweise hatte ich im Kopf, dass der Monte Grand überschritten werden muss und eine Umgehung nicht einfach möglich ist. Erst an dessen Fuss realisiere ich, dass es eigentlich genau anders rum ist... Da mir aber das Gratgekraxle sehr viel Spass macht, und meine Kondition seit dem Tiefpunkt nach dem Motto di Leveno stets besser geworden ist, nehme ich den Aufstieg zum Monte Grande in Angriff. Eine kurze Felsstufe sieht von Weitem sehr abweisend aus, bietet aber beim Näherkommen viele einfache Möglichkeiten, sie zu überwinden (T4/I). Die letzten Meter zum Gipfel des  Monte Grande sind dann wieder Gehgelände.

Auch auf dem Weiterweg zum  Monte Segor bleibe ich der Gratkante treu (T3+). Hier nun muss ich mich entscheiden, ob ich mit Plan A (Camoghé - Pizzo di Corgella - Camorino) oder Plan B (Gazzirola - Colla) weitermache. Rein zeitlich würde wohl beides noch drinliegen - in Camorino hätte ich bis 21:40 noch Verbindungen nach Hause. Schliesslich entscheide ich mich jedoch für Plan B. Auch wenn Kondition und Zeit wohl gereicht hätten, fühlte sich der Abschluss über den Gazzirola nach Colla einfach "schlüssiger" und sinnvoller an. Start- und Endpunkt wären damit auf etwa derselben Höhe und damit Auf- und Abstiege viel ausgeglichener (Plan A hätte laut GPS-Track total rund 2900m Abstieg beinhaltet). Zudem ist es aktuell ab 19:00 dunkel, und obschon ich die Stirnlampe eingepackt habe, hatte ich nicht besonders Lust darauf, die letzten 2-3 Stunden in kompletter Dunkelheit zu wandern. Also Plan B.

Zum weiteren Weg zum Gazzirola gibts nicht mehr viel zu sagen, das Gelände ist sehr einfach zu begehen (T2). Um 17:05 bin ich am  Gazzirola und kriege zum ersten Mal eine für mich relevante Wanderzeit-Angabe: 2 Stunden bis Colla. Hmm. Die Busse fahren um 18:50 und 19:50... Pressieren oder gemütlich? Ich entscheide mich mal dafür, etwas aufs Gas zu drücken, und dann beim Passo di Pozzaiolo nochmals zu überlegen. Dankbarerweise ist das Gelände hier sehr angenehm, nicht allzu steil und mit schön federndem Gras.

Am  Passo di Pozzaiolo um 17:50 heissts dann noch 1h 10min bis Colla. Okay, ich versuchs mit Pressieren. Ich studiere die Karte und sehe mehrere Möglichkeiten, ein wenig abzukürzen. Zuerst einmal gehe ich vom Pass weglos runter, den Umweg über P. 1549 / Alpe Pietrarossa schenke ich mir. Danach weiter weglos direkt runter, die tausend Serpentinen der Strasse würde ich mir wohl nicht mal antun, wenn ich es nicht eilig hätte... Leicht joggend dann auf der Alpstrasse bis zu den Häusern von Bárche, wo ich die in der LK eingetragenen aber unmarkierten direkten Wege statt die Strasse nehme. Perfekt um 18:45 komme ich in  Colla an, kurz bevor ich die Stirnlampe hätte montieren müssen. Pünktlich nimmt mich der Bus mit. Seit Carena bin ich keinem einzigen Menschen begegnet.

Entspannen kann ich mich leider aber noch nicht: Die Fahrt im stickig-heissen Bus über die kurvigen Strassen in der Dunkelheit stellen meinen Magen sehr auf die Probe. Nach Umsteigen in Tesserete komme ich dann aber endlich in Lugano an, und kann den Rest der Heimfahrt im gemütlichen Schnellzug geniessen.

Achtung: Militärisches Sperrgebiet!
Die hier beschriebene Tour führt unmittelbar am Rande des Sperrgebiets des Waffenplatzes Isone entlang. An Wochentagen ist das Betreten des Sperrgebiets verboten und gefährlich (habe am heutigen Freitag auch tatsächlich Schiessbetrieb gehört). In der Bildstrecke ist das entsprechende Informationsschild abgebildet. Die Ausdehnung des Sperrgebiets kann eingesehen werden, indem in der Schweizer Online-Landeskarte der Layer "Publizierte Schiessanzeigen und Gefahrenzonen" eingeblendet wird. Dort finden sich auch die Kontaktdaten für weitere Auskünfte. Zudem habe ich mich im Vorfeld der Wanderung per Email erkundet, hier die entsprechenden Fragen + Antworten:

Q: Können Wege am Rand des Sperrgebiets gefahrlos begangen werden?
A: Am Rande no problem!

Q: Die geplante Route ist: Carena - Cascina Nova - Alpe Pisciarotto - Scrigno di Poltrinone - Motto di Leveno - Cima della Valletta - Monte Segor - Bocchetta di Revolte - Camoghè - Corte di Mezzo - Pizzo di Corgella - Cucchetto - Cremorasco  Camorino
A: Dieser Weg stellt kein Problem dar - immer machbar!

Q: Sowie als alternativer Abstieg: Corte di Mezzo - Alpe di Corgella - Monti del Tiglio - Isone, Gròssa
A: Nur Sa/So möglich – Strasse führt durch unser Zielgebiet!

Zeiten und Schwierigkeiten
Hinweis: Die Wegzeiten und Schwierigkeiten beziehen sich auf die Strecke zwischen dem Checkpoint der vorhergehenden Zeile und dem Checkpoint der eingetragenen Zeile.
Zeit Checkpoint Höhe Angegebene Wegzeit Meine Wegzeit Pause Schwierigkeit
08:50 Carena 958m        
09:20 Forni Vecchi 945m 50 min ("Al Maglio") 30 min 10 min T1
10:00 Monti di Pisciarotto 1090m - 30 min   T3
11:10 Alpe Poltrinetto 1504m - 1h 10 min   T4
12:15 Scrigno di Poltrinone 1957m - 1h 5 min 20 min T3+
13:25 Bocchetta di Poltrinone 1849m - 50 min 10 min T5-/I
14:05 Motto di Leveno 2022m - 30 min 15 min T3
14:45 Cima della Valletta 2130m - 25 min   T2
15:15 Monte Stabiello 2115m - 30 min 10 min T3+
16:20 Monte Grande 2132m - 55 min 15 min T4/I
16:50 Monte Segor 2097m - 15 min   T3
17:05 Gazzirola 2115m - 15 min   T2
18:45 Colla, Paese 981m 2h 1h 40 min   T3

Wegzeit Total: 8h 35 min
Pausen Total: 1h 20 min
Zeitaufwand Total: 9h 55 min


Ausrüstung
- Wanderschuhe

Tourengänger: Ororretto


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Geodaten
 58173.kml Manuell eingetragener Track

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Kommentare (1)


Kommentar hinzufügen

Primi59 hat gesagt:
Gesendet am 30. Oktober 2022 um 14:22
Uff, weitläufig deine Tour, aber Gratulation dazu, schöne Bilder !

Gruss Priska


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