Hinteres Sonnwendjoch - N-Wand-Rippe


Publiziert von kardirk , 15. September 2022 um 22:12.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Bayrische Voralpen
Tour Datum:13 September 2022
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Mountainbike Schwierigkeit: L - Leicht fahrbar
Wegpunkte:
Geo-Tags: A   D 
Zeitbedarf: 8:30
Aufstieg: 1100 m
Abstieg: 1100 m
Strecke:13,5km

Die mächte N-Flanke des Hinteren Sonnwendjoch-Massiv hat mich schon immer fasziniert. Der alpine Charakter und die Abgeschiedenheit ist für die Bayrischen Voralpen schon etwas besonderes und so hab ich hier auch schon ein paar abenteuerliche Routen begehen dürfen. Die mächtige, pfeilerartige Gratrippe, die die Flanke und das darunterliegende Grundkar in eine östliche und eine westliche Hälfte teilt, ist mir dabei immer wieder ins Auge gefallen, so wurde es Zeit eine Begehung mal zu wagen.

Start war wieder beim Zipflwirt (mittlerweile leider geschlossen wegen Unreliabilität) mit dem Radl und Fahrt wie vor ein paar Wochen bis zum Abzweig des Wanderweges zum Wildenkarsattel.
5 km, 0:25, L.

Nun auf der Piste weiter zur Grundalm und dem Viehsteig weiter folgend bequem bis zu dessen Ende auf ca. 1200m.
2,5 km, 0:45h, T1, 190hm.

Es wird nun anstrengender,denn es geht  über die freien Weidehänge linkerhand steiler hinauf zum Ausläufer der N-Wandrippe und ins östliche Kar. Auf der Rückenhöhe leicht ins Grüne, gute Latschengassen leiten nun flach hinauf ins Kar. Ich hielt mich dabei links des nun schon ausgeprägteren Grates, der aber noch mit dichtem Latschendickicht bedeckt ist. Etwas weiter oberhalb sah ich erste lichte Stellen und ich erklomm sehr unangenehm den Grat über seine kurze, aber sehr steile grieslige Flanke.
1,7km 1:05h, T3-4, 300hm

Die Hoffnung, das am Grat ein gutes Durchkommen durch die Latschen möglich sein könnte, erfüllte sich schon auf den ersten Metern nicht. Ein erster Latschenkampf bis zur nächsten Scharte erreichte LK 4. Zu der Scharte wäre es auch möglich aus dem Kar links steil hinaufzusteigen.
Nun folgten die ersten felsigen Aufschwünge, abwechselnd mit dichten Latschen bestandenen Flachstücken. Die felsigen Stellen waren brüchig und mit Vorsicht zu kraxeln, die Latschen dicht und unangenehm, I-II und LK 4-6, an einer Stelle extremen Latschening mit Krauchen, Krabeln und Hindurchzwängen. Das kostete viel Kraft und Zeit. Dann folgte eine erste haarige Kletterstelle, eine ausgesetzte Querung im brüchigen Fels, dann steil hinauf über Gras- und Geröllschrofen, dann die 1. Schlüsselstellen, eine Steilstufe im oberen II-Grad, abschüssige Tritte, leicht Feucht, ausgesetzt, meine Nerven waren zum Zerreissen angespannt, vielleicht ist die Sache objektiv betrachtet gar nicht so schwer, aber unter dem Eindruck des Nicht Wissens, wie und ob es weiter geht - vielleicht muß man ja wieder zurück und abklettern - war das für mich am Rande des Möglichen. Schließlich stand ich glücklich auf dem großen Turm, der das erste Drittel beendet. Ich hatte mich allerdings etwas zu früh gefreut, denn der Abstieg in folgende Scharte hatte es nochmals in sich, steil, fast senkrecht über grieslige kaum gestufte Geröllschrofen, ich atmete spürbar auf, als ich unten war. Die Scharte ist aus dem östl. Kar heraus steil zu erreichen und bietet so die Option eines Notausstieges, bzw Zustieges, denn das erste Drittel ist kaum zu empfehlen, weniger wegen dem Klettern, als dem unendlichen langen und anstregenden Latschkampf den man zu absolvieren hat.
T6, I-II+ (III-), LK 5-6, 1:05h, nur 150hm!!

Die restlichen Zweidrittel des Grates sahen nun zunächst recht abweisend aus, allerdings machten sich die Latschen spürbar rarer und dienten nur noch als gut Haltepunkte im steilen Geschröff und zudem legte sich das Gelände etwas zurück.
Nach einer Erholungspause machte ich mich wieder auf den Weg. Es folgte nun dauerhaftes Kraxeln im Ier, ab und zu mal eine flachere Stelle, aber immer wieder steile felsige Aufschwünge bis II.
Dort wo der Grat schmal wurde , war seine Brüchigkeit erhöht und erforderte zusätzliche Aufmerksamkeit. Jeder Stein und Griff ist zu prüfen, ein paarmal brachen mir Stücke heraus, logisch außer ein Paar Gemsen geht hier sicherlich niemand, insofern unaufgeräumt ist die Route. Kurz vor Schluss stellte sich die 2te Schlüsselstellen in Form eines kompakten Felsaufschwungs in den Weg, direkt wohl ein IIIer, den ich im guten IIer im Bogen von links erklimmen konnte.
Dann stand ich vor den letzten 100hm in Form eines brüchigen steilen Geschröffs, rechts steile bröslige Schutthänge, hier rutschte ich einmal kurz weg, sodaß ich lieber die kleinen Felstufen direkt erklomm um endlich nach guten 3h Dauerkraxeln im I-II am Gipfelgrat glücklich ankam und alle Anspannung abfallen konnte, ich hatte es tatsächlich geschafft.
T6, I-II, LK2-3, 1:40h, 310hm.

Noch wenige Schritte und ich stand am Gipfel des Sonnwendjochs.
Lange Pause und nette Unterhaltung mit der Sennerin der Grundalm, die mit Ihrem Freund einen der letzten Tage nutzte, um sich den Berg mal von oben anzuschauen - sie waren allerdings mit dem Auto zur Ackeralm gefahren und von dort aufgestiegen.

Zunächst dachte ich als Abstieg den Weg über den Burgstall zu nehmen, da mein Bedarf an ausgesetzten Kraxelei eigentlich gedeckt war, aber mit der Pause kehrten auch die Kräfte wieder und da das Wetter so ausgezeichnet war, beschloss ich doch wieder über den schönen, aber anspruchsvollen O-Grat abzusteigen.
1:40, T4, I.
Von dort wieder über den Steig hinab zur Hintertoralm und zum Radldepot.
T2-3, 1:30h.

Nun konnte ich nach dieser tollen , aber nervlich  aufreibenden und kraftzährenden Tour es genüßlich ausrollen lassen.
L1, 0:20h.

Fazit:
Große alpine ernste Unternehmung - keinesfalls unterschätzen. Mentale Stärke ist unbedingt nötig. Andauernde Kletterei im I und II - Grad im absturzgefährdeten Gelände, brüchiges Terrain, von Trittsicherheit, Schwindelfreiheit und Orientierungsgespür für das Gelände muß man nicht groß reden, die sind Grundvorraussetzung.


Tourengänger: kardirk


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Kommentare (3)


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Nyn hat gesagt:
Gesendet am 16. September 2022 um 01:21
Gratulation zum guten Gelingen.
Auch wenn die rein technischen Schwierigkeiten noch im für Geübte üblichen Solo-Bereich bleiben, heischen u.a. die sichtlich bescheidene Gesteinqualität und das Wagen ins Unbekannte meinen gehörigen Respekt!
(Von Beidem kann ich ja auch etliche Liedle singen und es folgen bald noch mehrere derartige Strophen :D)

kardirk hat gesagt: RE:
Gesendet am 16. September 2022 um 12:31
Herzlichen Dank,
in der Tat ist das "Entdecken" immer eine spannende Angelegenheit, für Dein Leistungsvermögen dürfte die Tour gut zu machen sein. Bin schonmal auf Deine "Strophen" gespannt.

VG Dirk

geroldh hat gesagt: Einmal und nie wieder?
Gesendet am 17. September 2022 um 20:35
Servus Dirk - und danke für diese Tour... (inkl. dem Bericht)

Manchmal obsiegt das Wissenwollen, ob und wie eine gesehene Route funktioniert - und Erkundungs-Kraxeleien mit angespannten Nerven sind die Folge. Habe solche Routen auch schon absolviert... Hinterher steht die Frage im Raum, "Einmal und nie wieder!" - oder vllt. sogar, "Es war eine interessante Entdeckung, nach einiger Zeit gerne wieder" (inkl. indirekter Weiterempfehlung). Und es gibt sie tatsächlich, alternative (wieder)entdeckte Routen, die man selbst gerne wiederholt...


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