Cristallino di Misurina 2775m - Senza vere difficoltà


Publiziert von georgb , 23. September 2022 um 23:18.

Region: Welt » Italien » Venetien
Tour Datum:20 September 2022
Wandern Schwierigkeit: T5+ - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Klettersteig Schwierigkeit: K2- (WS-)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 7:00
Aufstieg: 1200 m
Abstieg: 1200 m

Seit der Erstbesteigung im Jahre 1864 durch den legendären Paul Grohmann über das Val de le Bance und die Nordrinne hat sich am Cristallino di Misurina einiges verändert. Im Ersten Weltkrieg hat man ihn als Militärbasis ausgebaut und im Val de le Barache auf der Südseite einen Steig angelegt, seitdem verläuft der Normalweg hier. Nach dem Krieg ist er lange in Vergessenheit geraten und erst vor wenigen Jahren wiederentdeckt worden. Bis vor kurzem noch ein Geheimtipp, hat sich der Cristallino zu einer Modetour entwickelt und inzwischen gibt es einen offiziell nummerierten, markierten Weg (222a) mit Seilversicherungen!
Den leichten Klettersteig hat man in den Felsen links der Schlucht angelegt, vermutlich um der massiven Steinschlaggefahr auszuweichen. Trotzdem ist ein Helm hier Pflicht und das Klettersteigset kein Schaden. Wo sich früher gelegentlich ein paar Individualisten verloren haben, ist heute richtig Bewegung und der neu angelegte Klettersteig ist mir viel sympathischer als der alte Steig in der Schuttrinne daneben.
Es sind schon einige Aspiranten vor mir unterwegs, die ersten kommen mir entgegen, ohne Helm und Set sind sie vernünftigerweise umgedreht. Eine Morgensportlerin hüpft an mir vorbei, sie braucht beides nicht, sie ist schneller als die Steine? Meine letzte Begehung ist schon einige Jahre her und die heutige Tour kommt mir wie neu vor, nicht nur wegen des neuen Klettersteiges. Nur an die markanten Felstürme nebenan kann ich mich noch gut erinnern, ein Standardfotomotiv, ist in jedem Bericht über den Cristallino zu sehen, natürlich auch bei mir ;-)
Auch wenn der Cristallino nur ein Nebengipfel ist und die Riesen Piz Popena und Monte Cristallo ihm die Schau stehlen, ist der Aufstieg nicht zu unterschätzen. Insgesamt kommen an die 1200 Höhenmeter zusammen und es zieht sich ein wenig bis man am nördlich vorgeschobenen Hauptgipfel ankommt. Wer aber einmal dort steht, wird begeistert sein, der "Kleine" Cristallo bietet ein sensationelles Panorama und geile Tiefblicke. Einer der geilen Tiefblicke bringt mich auf eine Idee, denn die Erstbesteiger sind aus der Forcella de le Bance heraufgekommen und ich sichte einen Steinmann in der Flanke.
Trotzdem zöger ich kurz, die Felsen auf der Schattseite sind noch schneebedeckt und was mich weiter unten erwartet ist ungewiss. Doch meine Abenteuerlust ist erwacht, zur Sicherheit ziehe ich die Eiskrallen über und taste mich in die Ostflanke. Irgendwo im Internet habe ich etwas auf Italienisch gelesen, dort schreibt jemand von Einsergelände bis zur Scharte und auch danach keine echten Schwierigkeiten mehr "non vere difficoltà", das sollte machbar sein.
Der Schnee stört kaum, die Eiskrallen sind eher störend als hilfreich, ich folge den spärlichen Steinmännern und an der Forcella de le Bance lege ich die lästigen Eisen wieder ab. Es bleibt ein Eiertanz, das harte, schneebedeckte Geröll ist kein Spaß und ich muss meine Tritte gut setzen. Auch die Orientierung ist nicht ganz banal, denn direkt in der Nordrinne ist der Abstieg wohl nicht mehr möglich, seit Grohmanns Zeiten hat sich auch hier einiges bewegt!?
Immer wieder stoße ich auf einen Steinmann, mehr als psychologische Hilfe, d.h. ich bin auf der Spur! Irgendwann zweige ich nach links ab, weg von der Nordrinne und folge einem einladenden Band. Es endet im Nirgendwo an senkrechten Abbrüchen, also zurück zum letzten Steinmann. Das Band darunter sieht besser aus und ich finde einen machbaren Felsriegel (I) auf die untere Etage. Auch hier steht gelegentlich eine Markierung, genau dann, wenn ich gerade beginne zu zweifeln. Und endlich stoße ich auch auf Gamsspuren, jetzt bin ich mir sicher.
Es folgt eine haarsträubende Querung am Felsen entlang, für Gämsen ein Spaziergang, für mich Adrenalingelände. Doch irgendwann stehe ich in einer Scharte mit Mauer, ein Beobachtungsposten von 14/18, kaum zu glauben. Ich atme durch, ab hier sollte es gemütlicher werden, nur noch eine steile Schotterrinne und ich treffe bald auf mir vertrautes Gelände siehe hier. Auch ohne "vere difficoltà" war es ein wilder Ritt in einem herrlich wildem Gebiet, davon ahnt man drüben auf der Südseite nichts.


Tourengänger: georgb


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Kommentare (2)


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Menek hat gesagt:
Gesendet am 26. September 2022 um 12:25
bravo Georg, giro spettacolare.
Menek

georgb hat gesagt:
Gesendet am 26. September 2022 um 12:50
Direi anch´io. Grazie amico!


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