Abenteuerlicher Übergang über den Grenzgletscher von Gnifetti bis Rotenboden


Publiziert von Kris , 19. August 2022 um 00:13.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Oberwallis
Tour Datum:21 Juli 2016
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS   I 
Zeitbedarf: 9:00
Aufstieg: 1000 m
Abstieg: 1600 m

Ein langer Tag wartete auf uns, nachdem wir am Vortag über Il Naso, Vincentpyramide, Corno Nero und Balmenhorn gestiegen waren. Wie in der Vortour beschrieben hatte sich unsere Gruppe neu aufgeteilt und meine "alte" Gruppe wollte über die Margherita die Dufourspitze ersteigen. Auf Basis des Wetterberichts sollte das Unterfangen allerdings erfolglos bleiben, sodass sie sich in der Nacht wieder zu Bett legten. Auch für uns hatte das Wetter durchaus Belang.

Viel später stehen wir auf und frühstücken, sodass wir etwa 7.30 abgehbereit auf der Terrasse der Capanna Gnifetti standen. Was nun wartet ist ein immerhin 600hm langer Anstieg über den Gletscher bis zum Lisjoch. In Kolonnen steigen wir an und die gestrige Tour steckt mir durchaus in den Knochen. Hinter uns bilden die Wolken auch eher unschöne Spiele sodass wir schnell vom Plan abrücken, noch zumindest die Parrotspitze und ggf. sogar die Margherita anzuhängen. Um ehrlich zu sein - ich in dem Moment froh, dass es so entschieden wurde - ich hatte wenig Lust noch weitere 2-300hm aufzusteigen. Im Nachhinein sieht man das ja dann schnell verklärt und ärgert sich über die verpasste Chance, waren die Gipfel doch bereits so nah..

Wir steigen daher direkt vom Lisjoch ab in die "Wildnis" des Grenzgletschers, umringt von den mächtigen Wänden von Monte Rosa & Liskamm. Besonders letztere bildet eine eindrückliche Kulisse. Steigen wir anfangs noch einfach ab, wartet mitten im Grenzgletscher, nach einer weiteren Pause die eigentliche Schlüsselstelle der Tour. Ein Eisbruch, wie ich ihn vorher und nachher nicht mehr erlebt habe bisher. So stelle ich mir einen Khumbu-Eisbruch "light" vor, ohne jemals in der Nähe des Everest gewesen zu sein - bisher. Wohl auch für Bergführer wird der Weg hierdurch immer wieder ein Abenteuer darstellen, ist der Bruch hier doch dauerhaft in Bewegung, erzeugt immer wieder neue Brüche, Brücken, Spalten & Abgründe. So gilt es, einen Weg durch dieses Labyrinth zu suchen. Und das mit Gästen einer Spaghetti-Runde, die teils nicht durch mannigfaltige Westalpen-Erfahrung glänzen - mich nicht unbedingt ausgenommen.

Über abschüssige Schneebrücken, die Augen gerichtet in eisige Schwärze, geht es hinab. Mehrmals müssen wir springen, was in einer Seilschaft durchaus logistische Probleme erzeugt. Springt einer am Seil, wird logischerweise der Hintermann nachgezogen, eine Kettenreaktion die es auf den schmalen Brücken zu vermeiden gilt. Wir kommen gut durch, aber abenteuerlich bleibt es doch. Ein Sprung ist sogar auf eine der Schneebrücken, etwas mehr als einen Meter tief. Da ist man doch froh, den Eisbruch irgendwann durchquert zu haben, auch wenn die Erinnerungen daran sicher nachhaltig sein werden.

Der restliche Weg den Grenzgletscher nach unten ist dagegen dann Routine, wenn auch eine lange und Ausdauer fordernde. Es hilft dabei das Panorama, die wechselnden Ansichten des überschrittenen Breithorns, hinauf zum Menschenfresser oder auch zum abgestiegenen SO-Grat des Pollux. An der Hütte angekommen, freue ich mich neben der Spiegelung des Liskamms in den raumschiffartigen Fenstern der Monte Rosa Hütte auch über ein Spiegelei auf meinem Käse-Rösti. Stärkend, aber auch unglaublich magen-füllend. Gerade da ich - im Gegensatz zu den Anderen aus der Gruppe - von der Hütte noch bis zum Rotenboden gehen will um mit der letzten(?) Bahn bis nach Zermatt abzufahren, mein Hotel ist gebucht. Der Rest geht es gemütlich an und übernachtet eine letzte Hüttennacht. So verabschiede ich mich und muss dem Führer versprechen, dass ich mich telefonisch melde, dass ich gesund angekommen bin .. 


Nach etwas mehr als einstündiger Pause geht es also weiter nach unten zum Gornergletscher. Der nett angelegte Steig führt zum idyllischen Gornersee. Den Blick nach oben schweifend, erspäht man weiterhin die Hütte, eingerahmt von Monte Rosa & Liskamm - schön! Bis zum Gornergletscher gibt es wenig erwähnenswertes, dann geht es aber von roten Stangen geführt (Stand 2016!) über den Gletscher. Mit Vorsicht und Rücksprache mit dem Bergführer solo machbar, also ab dafür. Anfangs noch über  dreckbedecktes Eis und an Felsbrocken vorbei, wird der Übergang zunehmend unübersichtlich. Teils durchzogen von bröseligen , sandigen Stellen führt der Pfad verschlungen durch die Irrungen des Gletschers. Da passiert es - ich rutsche an einer dieser sandigen Stellen aus und lande auf dem Hosenboden, kann mich nicht mehr halten und rutsche etwa 2-3 Meter einen sandigen Abhang nach unten. Abstürzen kann ich hier freilich nicht, trotzdem checke ich kurz ob alles in Ordnung ist, atme einmal durch und kämpfe mich den Sandabhang wieder nach oben.

Nun startet der eigentliche Gletscherübergang. Anfangs leicht ansteigend, dann querend, dann absteigend geht es über das Eis. Hier packe ich dann auch die Steigeisen noch einmal aus. Für mich ungewohnt solo und ohne Seil länger über den Gletscher zu steigen. Mulmig wird mir eigentlich nur zwei mal. Einmal geht es einige Meter nach unten, das Eis ist durchzogen von Scharten. Keine richtigen Spalten, mir aber doch nicht ganz geheuer. Doch genau hier führen die Stangen entlang, wirkliche Alternativen gibt es nicht. Die persönliche Solo-Schlüsselstelle ist dann aber der Übergang vom Gletscher zum Steig Richtung Rotenboden. Hier liegt eine Holzplanke sowie eine wacklig anmutende Alu-Leiter und führt so über den Schrund. Ich wähle die Holzplanke und bringe es schnell hinter mich ..

Auf der anderen Seite angekommen, führt der Pfad schnell zu einer Steilwand, die durch zwei Leitern erschlossen ist. Diese sind stabil und vertrauenserweckend, daher kein Problem, gerade im Vergleich zur vorherigen Holzplanke. Ich sehe aber auch etwas weiter rechts nur ein Seil herunterhängen. Das wäre auch gegangen, so wie es war, war es dann aber doch deutlich komfortabler.. Der Rest der Tour ist schnell berichtet. Nur leicht ansteigend und daher genussvoll geht es wieder ca. 200hm nach oben zum Rotenboden. Ich genieße die Aussichten eingängig und schaffe auch locker die Bahn, habe sogar noch Zeit für eine (sehr) ausgiebige Pause. 

Obwohl wir keinen Gipfel erstiegen haben, ein nicht zu unterschätzender Übergang am Ende unserer Spaghetti Runde. Speziell ohne professionelle Hilfe stelle ich mir die Orientierung im Eisbruch nicht ganz trivial vor. Wer verkürzen mag, dem sei die Übernachtung im Raumschiff jederzeit gegönnt ;-) 
Am Ende bin ich geschafft und froh, nach den letzten 5 Tagen wieder allein in einem Hotelzimmer in Zermatt zu schlafen... 

KONDITION 4/5
ORIENTIERUNG 5/5
TECHNIK 3/5
EXPONIERTHEIT 3/5

Tourengänger: Kris


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