Ritzlihorn 3277m: Westflanke und NW-Grat


Publiziert von Bergamotte , 18. Juni 2022 um 14:12.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Oberhasli
Tour Datum:17 Juni 2022
Wandern Schwierigkeit: T6- - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE 
Zeitbedarf: 9:00
Aufstieg: 2540 m
Abstieg: 2540 m
Strecke:23km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:PW bis Mürvorsess
Unterkunftmöglichkeiten:Gaulihütte SAC
Kartennummer:1230 Guttannen

Eigentlich bringt das Ritzlihorn ideale Voraussetzungen für einen "Modeberg" mit: stattliche Höhe, hochalpines Rundumpanorama, harmlose Normalroute. Wenn da nur der tiefe Ausgangspunkt und der weitläufige Zustieg durchs Urbachtal nicht wären... So erhält der Berg wenig Besuch und auch bei mir stand er jahrelang weit hinten auf der Wunschliste. Heute hat es gemeinsam mit Andreas recht spontan geklappt. Als Genuss in dieser Hitzeperiode erwiesen sich zudem die geradezu frischen Temperaturen.

Geplant war eigentlich der Aufstieg über den NE-Grat. Doch die Unsicherheiten waren uns schliesslich zu gross, auch nach Konsultation von Habitué lorenzo. Dank dem Abstieg über den NW-Grat in die Mattenlimi hat es dennoch zur Überschreitung gereicht. Diese Variante kann ich jedem routinierten Alpinwanderer ans Herz legen.


Kurz vor sechs Uhr geht's los vom Parkplatz Mürvorsess (880m) im Urbachtal. Andreas hat vor Ort übernachtet und gibt gleich Vollgas. Da will ich nicht kneifen, auch wenn ich eher der Langsamstarter bin. Ohnehin ist rumtrödeln angesichts des weitläufigen Zustiegs unangebracht. Selber bin ich zum ersten Mal im Gebiet und regelrecht beeindruckt ob der Einsamkeit ganz allgemein und den schroffen Felswänden Richtung Engelhörner im speziellen. Nach zwei Stunden ist der Mattenalpsee (1880m) erreicht. Die Route durch den Erlengürtel ist von unten einigermassen offensichtlich und man findet auf dieser und anderen Plattformen hilfreiche Topos. 

Nun verbleiben knapp 1000Hm durch die Westflanke, ein Gemisch aus Geröll und Blockfels. Der Führer und Vorgänger erwähnen verschiedene Rinnen, welche den Zugang zum Gipfel vermitteln. Aber, ehrlich gesagt, diese Mühe braucht man sich als erfahrener Alpinwanderer nicht machen. Das Gelände ist fast überall begehbar und unzählige Linien opportun. Wir halten uns eher an Rippen als Rinnen und fahren gut damit. Das ist grösstenteils Gehgelände, klassische T4. Vereinzelt braucht man die Hände und erreicht die T5, aber diese Stellen liessen sich wohl umgehen. Zuletzt in wenigen Minuten über den Nordgrat zum Hauptgipfel vom Ritzlihorn (3277m), Mit Bise ist es geradezu kühl hier oben, ich montiere Handschuhe (!) und Windjacke. Was für ein Kontrast zum Ofen unten im Urbachtal.

Zehn Minuten nach uns trifft ein Solist ein, aufgestiegen direkt von Guttannen (!) über den NE-Grat. Das kann kein Zufall sein: tatsächlich, es ist lorenzo. Was für ein Vergnügen, den Mann hinter all den exotischen und anspruchsvollen Tourenberichten mal persönlich kennenzulernen. Im späteren Abstieg zurück zum Ausgangspunkt begegnen wir uns immer wieder und es entspinnen sich spannende Gespräche. Wir pausieren nicht allzu lange und machen uns auf Richtung Mattenlimi. Der NW-Grat besteht grösstenteils aus brüchigem Kraxelgelände, unterbrochen durch Kletterpassagen bis II. Ausweichmanöver in die Flanken sind mancherorts möglich. Aufgrund des rauen Geländes zieht es sich bis zur Mattenlimi (2700m), eigentlich bloss ein unauffälliger Grateinschnitt.

Es folgt der Abstieg durch die WSW-Flanke. Man orientiert sich an einer markanten Rinne, welche man selbst vorzugsweise meidet. Wir halten uns nördlich der Rinne. Im oberen Bereich bleibt man im gehobenen Gehgelände, unterhalb von knapp 2500m steilt das Gras-Schrofen-Terrain deutlich auf. Man dringt hier kurzzeitig in die T6- vor. Gut möglich, dass man bei idealer Linie  in der T5 verbleibt, aber von oben ist die Übersicht schlecht. Auf circa 2350m entschärft sich die Lage: wir queren die Rinne und folgen in Richtung SSW einer breiten Grasterrasse, um schliesslich westwärts über die Chielauene (T5) wieder die Alp Gauli zu erreichen. Das ist in diesem Bericht von lorenzo eindeutig beschrieben. Trockene Verhältnisse sind in dieser Variante aufgrund von Steilgraspassagen von Vorteil, in der Normalroute ist das weniger zwingend.

Und dann, naja, verbleibt der Riemen talauswärts zurück nach Mürvorsess (880m) in der hochsommerlichen Gluthitze. Selbst der Herdenschutzhund verweigert bei diesen Temperaturen die Arbeit und trottet demonstrativ zurück ins Tal. Alles Zureden des Älplers bleibt erfolglos. Für mich ist das Projekt Hangendgletscherhorn - mit gleichem Zustieg - somit für den Moment gestorben, da brauche ich erst etwas Abstand. Wobei, als Andreas aus der Kühltasche ein (natürlich) alkoholfreies IPA zaubert, ist die Erschöpfung fast schon gegessen bzw. getrunken.


Zeiten (kum)
2:00  Mattenalpsee
4:45  Ritzlihorn
6:10  Mattenlimi
9:00  Mürvorsess

Tourengänger: Bergamotte


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Kommentare (1)


Kommentar hinzufügen

lorenzo hat gesagt: Wieder...
Gesendet am 18. Juni 2022 um 18:50
...ein Supertour mit schönem Bericht und tollen Fotos, gratuliere! Ich bin schliesslich auch noch angekommen...mein Beitrag folgt hoffentlich nach den Ferien.


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