Madom Gröss (2.741 m) - mit der Fluglinie VAV


Publiziert von panodirk , 31. Mai 2022 um 18:12.

Region: Welt » Schweiz » Tessin » Locarnese
Tour Datum:28 Mai 2022
Wandern Schwierigkeit: T5+ - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-TI   Gruppo Madöm Gross 
Zeitbedarf: 12:00
Aufstieg: 2320 m
Abstieg: 2320 m
Strecke:21,6 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Parkplatz in Frasco an der Talstraße, 1,5 km vor Sonogno.
Zufahrt zum Ankunftspunkt:s.o.
Unterkunftmöglichkeiten:Folgende Hütten bieten sich an: Efra, Costa, Cognora.
Kartennummer:1292, 1293, 1312, 1313 oder ein SLK-Ausdruck

VORBEMERKUNG
Die VAV hat mich schon immer fasziniert. Nicht umsonst bin ich nun endlich ins Verzascatal gefahren, um mal einen Teil davon in Augenschein zu nehmen. Ein stabiler Nordföhntag im Tessin macht es dann möglich, die vierte (?) Etappe der VAV als Tagestour zu gehen - Einsamkeit inclusive.
Die Schneelage 2022 macht es möglich, schon Ende Mai die Königsetappe der VAV zu gehen. Doch ein blödes steiles Schneefeld im Abstieg vom Madom Gröss machte das Unterfangen gleich zu einer gewagten Tour. 
Von der Capanna Alpe Costa gibt es anscheinend markierte Direktanstiege zum Pizzo Cramosino und zum Madom Gröss. Ersterer hätte meine Tour sehr erleichert und abgekürzt; letzterer wäre für eine schnell Flucht vom Gipfel hilfreich. Die Wegweiser habe ich leider erst oben gesehen und die SLK zeigt die Wege nicht auf. Überhaupt ließe sich die Südflanke des Madom Gröss von dort relativ einfach (T4) direkt ersteigen - ich merke mir das für's nächste Mal.
Die Capanna Cognora ist bestens für die Sommersaison ausgestattet: Wein ohne Ende, Bier, Softdrinks, Nudeln, Tomatensauce en masse...
Die Capanna Cognora hieß übrigens früher Capanna Mezzodi. Der Madöm Gröss verkehrt auch unter dem (ital.) Namen Madone Grosso.
Achtung: Zeckenalarm im Frühjahr! Trotz langer Tourenhose durfte ich mir an der Capanna Cognora drei Zecken, die schon fleißig an meinem Bein arbeiteten.
Ein Helm ist dringendst zu empfehlen; ein Pickel hilft sehr und ist unabdingbar, wenn noch Frühjahrschneefelder drin sind. Ich (als bekennender Angsthase) war auch sehr froh um meine Grödeln.

SCHWIERIGKEITSBEWERTUNG
Der Abstieg vom Madom Gröss ist durchaus herausfordernd, doch alle heiklen und kniffligen Stellen sind entschärft. Den 2. Grad sollte man sicher gehen können, aber ansonsten sehe ich nichts, was ein T6 rechtfertigt. Andererseits definiert sich hier wirklich ein sattes T5 und ich werde vorsichtig sein, T5 für einfachere Touren zu vergeben.
Ohne Helm? Nein (s.o.)!

DIE TOUR
Sattes Vogelgezwitscher (was gibt es Schöneres?) begleitet mich bei meinem Start in Frasco um 5:35. Steil geht es hinauf, an der sehr schönen und aufgehübschten Almsiedlung A coo der Preda (1.440 m) vorbei. Ich bin müde und benötige tatsächlich 2 Stunden zur herrlich gelegenen Capanna Alpe Costa (1.940 m). Leider war ich vor Sonnenaufgang dort und den magischen Moment durfte ich nicht dort genießen.
Die blau-weiß beschilderte Querung von dort zur Capanna Efra führt zunächst hinauf zur wunderschön gelegenen, aber verfallenen Almsiedlung Laghetto und zieht sich dann unendlich. Ich bin unfit und stolpere über jeden Wacholderbusch. Der Weg quert den ganzen Kessel und steigt dann an den Steilstellen auf und ab mit Steighilfen. Das macht keinen Spaß, wenn man schnell auf den Berg will - für meditative Zwecke mag das okay sein! Ich habe 1:20 benötigt, um endlich ohne wesentlichen Höhengewinn die VAV auf 2.050 m bei Fornà zu erreichen.
Ich war schon dabei, alle Exit-Strategien für die Tour durchzuspielen. Doch dann war der Anstieg zum Pizzo Cramsina ein ganz wundervoller Weg mit vielen Überraschungen: wir steuern ein Türmchen an, um Steilstufen zu überwinden und gelangen danach einfach durch Plattengelände zum Gipfel des Pizzo Cramosina (2.717 m), 1:15 ab Fornà. Etwa 100 Höhenmeter unter dem Gipfel gibt es den Abzweig zur Capanna Costa!
Dieser Gipfel, so durfte ich Guiseppe Brenna's Führer entnehmen, dient als Triangulationspunkt erster Ordnung - oben weiß man, warum! Der Nordföhn macht zwar die Berner und Glarner Alpen dicht, doch der Gran Paradiso lugt hervor und die Grigne erscheint nur einen Steinwurf entfernt! Beeindruckend!
Mein Entschluss war längst gefasst: Weiter geht es! Gespannt war ich auf die Scharte zwischen den Gipfeln. Doch der Abstieg (G. Brenna empfiehlt anseilen) führt gesichert über fragile Bändchen und der Aufstieg braucht nur ein wenig Muskelkraft. Der restliche Weg ist sanftes Wiesengelände und so geht es schlendernd hinauf auf den Madom Gröss (2.741 m) - tatsächlich ist es keine weitere Stunde vom vorherigen Gipfel hierher.
Auch hier gab es wieder 100 Höhenmeter unter dem Gipfel die Option, markiert zur Capanna Alpe Costa abzusteigen (meine Exit-Strategie).
Die Gipfelaussicht ist bombastisch, doch ich konnte die Aussicht gar nicht recht genießen, denn ich wollte weiter und war recht unentspannt ob des Weiterwegs.
Also hinab in die Ostflanke! Ich war erstaunt, wie wenig Sicherungen es hier benötigt, dass man sicher hinabsteigen kann. Ein paar Haltegriffe sind von sehr guter Qualität und für mich zwingend notwendig, um die steilen Stellen zu überwinden. Am Ende des Abstiegs kam dann doch das befürchtete und scheinbar unvermeidliche Schneefeld! Was war ich froh um Pickel und Grödel! Hochkonzentriert ging es hinab (dabei habe ich übersehen, dass ich die steilste Stelle im Schneefeld einfach hätte umgehen können - das passiert, wenn man den Spuren der Vorgänger folgt (ich war heute nicht der Erste hier). Auf schmalen Wegen quert es nun hinaus Richtung Norden und der Madom Gröss ist scheinbar geschafft. Aber nur scheinbar, denn es geht einen steilen Buckel hinauf und diesen noch einmal sehr steil hinab. Das ist herausforderndes Gelände, motivierend und schön, aber volle Konzentration fordernd! Der Aufstieg dann zum Pizzo de Mezzodi ist wiederum einfach; der nächste Gratbuckel wird zu meiner Freude links umgangen; es hat zum Glück kaum Schnee. Für den Übergang vom Gröss zum Mezzodi plant man am besten mal 1,5 bis 2 Stunden ein! Am Pizzo di Mezzodi (2.701 m) überrascht vor allem ein Tiefblick ins Ticino-Tal mit der Autobahnbrücke!
Ich suchte mir ein geschützes Plätzchen abseits des immer heftiger werdenden Nordföhns und durch meine Unachtsamkeit suchte mein Helm das nächste Grascouloir auf. Ich hatte weder Mut, noch Muße, noch Konzentration, dieses üble Ding abzusteigen und meinen Helm zu suchen... :-(
Zum Glück hatte es immer noch stabilen Nordföhn und keine Quellwolken. So konnte ich in aller Ruhe hinabsteigen zur Capanna Cognora (1.938 m). Der Weg ist stets bestens markiert, führt kurz über einen Grasrücken, dann über viel Blockgelände, bis er endlich in sanftere Wiesen übergeht. Die Hütte liegt ganz herrlich auf einer Sonnenterrasse hoch über dem Val Vergonèss - ich habe 1:30 hinunter benötigt; es geht aber sicher schneller!
An der Hütte investierte ich freudig 5 Franken in ein Quöllfrisch - das hat so wunderbar geschmeckt!
Noch folgt der steile Abstieg nach Cabioi und ich bin dem Erbauer des Wegs zu tiefster Dankbarkeit verpflichtet: So ein schöner und mühevoll erstellter Weg mit unendlich vielen Stein- und Holzstufen ist selbst im Tessin mittlerweile Seltenheit geworden. Auch landschaftlich ist dieser Weg eine Augenweide - der großartige Wasserfall in mehreren Stufen, der von der Cima Bianca hinabzieht, sei hier genannt. So konnte ich gelenkschonend hinabhüpfen; das braucht dann auch nur eine gute Stunde.
Der Rest des Weges ist schnell erzählt, 5,5km sind es noch bis Frasco. Landschaftlich überraschend schön war vor allem der Abschnitt Sonogno-Frasco: Der Wanderweg führt auf der rechten Bachseite entlang unter lichten Bäumen und von Wasser umgeben. Hier und da grasen ein paar glückliche Kühe. Abschließend sei die Hängebrücke zurück nach Frasco erwähnt; ein spannendes Bauwerk! - 1 Std. ab Cabioi.
So endet in Frasco für mich nach 12,5 Stunden ein ganz langer und großartiger Wandertag zwischen Himmel und Erde! 

Tourengänger: panodirk


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