Kurzbericht 

Nach dem zweiten Drittel ausgeschieden...


Publiziert von lorenzo , 28. Mai 2022 um 23:08.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Simmental
Tour Datum:26 Mai 2022
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE 
Zeitbedarf: 17:45
Aufstieg: 4305 m
Abstieg: 4080 m
Strecke:30 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Wimmis
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Oberwil
Kartennummer:LK1227 Niesen, 1207 Thun, 1206 Guggisberg, 1226 Boltigen; M. Brandt, Clubführer Berner Voralpen, SAC 1981

Nachdem ich schon vor Jahren die Stockhorn-Gantrisch-Kaiseregg-Kette in drei Etappen überschritten hatte, begann ich zunehmend von einer Gesamtüberschreitung an einem Tag zu träumen. Zur Vorbereitung wiederholte ich letztes Jahr Ende Juli in triefendem Gras die um Nüschlete, Laseberg und Solhore ergänzte Stockhornkette, wonach ich in dichtem Nebel und mit nassen Füssen vom Homadsattel nach Blumenstein abstieg, sowie Anfangs August die mit einem  Direktabstieg über die Nüneneflue NW-Flanke begradigte Fortsetzung bis zum Ochse, wo mich aufkommende Gewitter zum vorzeitigen Abstieg zurück zur Wasserscheidi zwangen. So konnte ich noch offene Routendetails klären, zudem schien mit der Überschreitung des Niesengrats Anfangs September auch die Zusammenfügung der drei Etappen in den Bereich des Möglichen zu rücken. Nach einem Probelauf um den Breccaschlund am vorletzten Wochenende, bei dem ich gut 2h schneller war als bisher, fühlte ich mich schliesslich bereit für einen ersten Versuch. Und als die verfrühten Sommer- bis Hitzetage Mitte Mai vorüber waren, und die Meteostationen für Auffahrt kühleres, aber teilweise sonniges Wetter - allerdings mit morgendlichem Hochnebel - ankündigten, ergab sich endlich auch eine passende Gelegenheit. Am Vortag schnitt ich vormittags bei meiner Kollegin noch Tujahecken, legte mich dann nachmittags und abends einige Stunden zum Schlafen hin, und bestieg den letzten Zug.

Um halb eins lief ich in Wimmis los und genehmigte mir, bei nur teilweise klarer Nacht, aber immer mit dem vertrauten Niesenlicht im Rücken die Simmeflue "by night". Auf dem Mattestand überraschte ich mit der Stirnlampe unabsichtlich ein in Schlafsäcke gehülltes Pärchen, machte aber auf dem Aussichtsbänkli trotzdem eine kurze Pause hoch über den Lichtperlen von Spiez und Thun. Die Nüschlete, ein veritabler "Gras-Liskamm", fühlte sich auch bei Dunkelheit gut an, und schon ab dem Laseberg konnte ich auf Sicht fliegen. Ein Langsamflug jedoch, wie ich auf dem Stockhorn, das bereits zu dieser Zeit von flinken Trainrunnern umschwärmt wurde, ernüchtert feststellte, hatte sich doch mein Rückstand auf die Zeit vom letzten Jahr von der Simmeflue über den Mattestand in riesigen Viertel- und Halbstundenschritten schon auf 1h vergrössert. Ob das nur am schwereren Rucksack lag, oder nicht doch auch an der mangelnden Form? Eine Pause auf dem eingenebelten Gipfel, und ich würde weiter sehen. Wieder im Blindflug, diesmal in neblichtem und nicht nächtlichem, folgten fünf leichte Kilometer, aufgelockert nur durch ein kurzes Kletterintermezzo an Chatz u Mus. Mangels Sicht angelte ich mich von Gipfelkreuz zu Gipfelkreuz, umso mehr erfreuten mich die aus dem Nebel in allen Farben leuchtenden Bergblumen. Beim Homadsattel, wo ich immerhin wieder eine halbe Stunde gut gemacht hatte, verabschiedete ich mich von der Stockhornkette und betrat das abgründige Grat- und Gipfelreich der Gantrischkette.

Nach einer anregenden und vergleichsweise "gäbigen" Einstimmung über die Chrummfadeflue wurde es Richtung Hauptgipfel immer "uganteliger". Beim Abstieg über die Nüneneflue NW-Flanke auf steilem Gras hätte ich zuunterst fast den griffbereiten Leichtpickel gebraucht - zwei Wildhüter, ausgerüstet mit Fernrohr und Gewehr, warfen mir unter dem Leiterepass denn auch missbilligende Blicke zu -, und beim Aufstieg über die Gantrisch E-Flanke musste ich jeden Schritt sorgsam abwägen, um ja keinen Steinschlag auszulösen, der Wandernde auf dem Leiterboden hätte treffen können. Auf dem Gipfel des Gantrisch rasteten etliche Leute, und auch ich setzte mich im Nebel kurz hin. Knapp zwei Kilometer weiter steckte die Bürgle ebenfalls tief im Nebel, dafür gab es einen anregenden Wettlauf mit einem Romand über den Gemsgrat. Auf dem Ochse wurde mir dann klar, dass meine Kräfte höchstens bis Chüearnisch, oder villeicht sogar nur bis zum Galitepass reichen würden, bis dahin wollte ich aber die Tour noch voll auskosten. Die mit Blumen reich geschmückte Alpiglemäre erwies sich einmal mehr als eines der schönsten Alpinwanderziele dieser Region - zumal sich zwischendurch sogar die Sonne zeigte -, auch wenn das Schlusswändchen mit den Jahren nicht leichter geworden ist. Beim Blick vom Gratkamm zu Galiteflue, Schibe und Märe entschied ich mich schliesslich definitiv, es für heute mit dem Widdersgrind gut sein zu lassen. Dort machte ich erstmals eine behäbigere Pause, liess mir von einer über den S-Grat aufgestiegenen Gruppe aus Oberwil den Weg dorthin erklären, und machte mich frisch gestärkt an den Abstieg zum Galitepass. Begleitet von meiner liebsten Musik, dem Rauschen der Bäche, dem Zirpen der Grillen und dem Gesang der Vögel gelangte ich über grünende Weiden und durch duftenden Frühlingswald nach Oberwil, wo ich gerade noch den Zug nach sechs Uhr erwischte. Als ich später zuhause die Route genauer ausmass  und berechnete (siehe unten), wurde deutlich, warum es nicht gereicht hatte: nicht nur wegen der langsamen Form, sondern auch weil ich die Distanzen und Höhendifferenzen unterschätzt hatte. Gute Vor- statt Nachbereitung lautet deshalb die zukünftige Devise. Aber villeicht ist zuviel einfach auch zuviel...

Stockhornkette

Vom Bahnhof Wimmis (628m) gelb über die Simme zum Brodhüsi (626m) und auf der Simmentalstrasse ca. 200m nach SSW. Weiss-blau, in den Felsen über den Simmeflue-Steig (gesicherter Klettersteig, sonst I-II) zur Abzweigung Richtung Heiti (Depot) und Abstecher über den Grippelisattel (1353m) auf das Sunnighorn (1397m), T4. Zurück zur Abzweigung und auf dem eingezeichneten Weg entlang den Hürleni nach Chrindi (1359m). Weiss-rot über Obers Heiti (1484m) nach Matten (1565m) und auf dem eingezeichneten Weg und zuletzt weglos zum Mattestand (1759m), T2. Nach W auf dem Grat und über eine Felskuppe (II) in einen Sattel, über einen steilen Grashang zum ESE-Grat und über mehrere Aufschwünge (Stelle I-II) zum Nüschlete E- (1988m) und W-Gipfel (1993m), dann Abstieg über den steilen und ausgesetzten W-Grat zum Sattel 1927, T5. Nun einfacher entlang dem Grat über den Laseberg (2019m) und das z.T. felsige (I) und überwachsene Solhore (2016m) zum Sattel 1852, T4. Schliesslich weiss-rot durch das Chummli und über die S-Flanke auf das Stockhorn (2190m), T2. Abstieg weiss-rot steil hinunter zur Bachegg (1804m) und über den Walalprat SE- (1921m) und NW-Gipfel (1920m) einfach zum Sattel 1809. Weiss-rot zu Chatz u Mus und Depot: von S nach N über die Mus (II), ausgesetzte Querung nach W, einfach auf die Chatz (1901m, Kreuz) und auf einem Pfad nach SE wieder hinunter. Weiter weiss-rot bzw. entlang dem Grat über den Möntschelespitz (2021m) und das Homad (2076m) zum Homadsattel (1961m), T3, insgesamt 8h.

Gantrischkette
Vom Homadsattel (1961m) auf dem Grat einfach über die Stubeflue (2004m) und weiter, den felsigen SE Vorgipfel von links nach rechts querend ersteigend (I), auf den Chrummfadeflue ESE-Gipfel (2080m), T4. Über mehrere Gratkuppen zur Mittelscharte, über leichte Felsen (I-II, Fixseil) wieder hinauf und weiter zum Gustispitz (2075m, Kreuz). Auf dem Grat absteigend zum W-Gipfel (2043m), wieder kurz zurück und durch eine kurze Felsrinne (I) hinunter nach S. Auf Bändern unter den Flühen des W-Gipfels nach WNW zurück zum Grat und über diesen, mehrere Erhebungen überkletternd (I-II) zur Schwalmere (1934m), T5. Den ersten Felspfeiler über Bänder und Stufen in der S-Flanke umgehend (blau, Bh) auf den E-Grat und über mehrere Aufschwünge ausgesetzt auf die Nüneneflue (2102m), T6. Abstieg über den WSW-Grat bis zur Abseilstelle, dann über die NW-Flanke auf steilem Gras (zuunterst mind. 50 Grad) hinunter zum Leiterboden (ca. 1800m), T6. Weiss-rot hinauf zum Leiterepass (1905m), auf dem eingezeichneten Weg über den Grat hinauf, und auf einem nach N abzweigenden Pfad zu einem Bunker am Fuss der E-Flanke. Durch diese auf steilen Schrofen (Vorsicht wegen losen Steinen, die wegen dem darunter liegenden viel begangenen Weg nicht losgetreten werden sollten) hinauf und Querung auf Bändern nach N. Dann zuerst links, dann rechts vom Klettersteig hinauf zu einem Grascouloir, durch dieses links haltend hoch zu einer Krete, und dem Klettersteig bzw. dem eingezeichneten Weg entlang zum Gipfel des Gantrisch (2176m), T6. Abstieg über die S-Kante und weiss-rot über den Schibespitz (2060m) zum Morgetepass (1958m), T3.

Wiederaufstieg weiss-rot zur Bürgle (2165m) und Ab- und Aufstieg auf dem eingezeichneten Weg zur Gemsflue (2154m), T2. Auf dem Gemsgrat in 2 Abschwüngen (I-II) zum tiefsten Punkt (ca. 2015m), ausgesetzt über z.T. felsige Passagen (I) unter den Gipfelaufbau, und über den SSE-Grat (I-II) direkt auf den Ochse (2188m), T5. Abstieg weiss-rot nach Alpiglegalm (2016m), T3, und Wiederaufstieg über den N-Rücken und den NE-Grat auf den Alpiglemäre E-Gipfel oder Hane (2015m), T3. Auf dem Grat zu einem Block- und Karrenfeld, das an geeigneten Stellen passiert wird und weiter über den E Mittelgipfel (2095m) hinunter zu einem Kamin, durch den nach S abgeklettert wird (5m, II). Auf dem Grat zum W Mittelgipfel (2081m), von dem eine Grasrampe zu einem Sattel hinunter führt. Weiter zu einem Felsaufschwung, der rechts leicht überhängend (2m, II) erklettert wird, und einfach zum W-Gipfel (2071m). Abstieg auf dem Grat zur Ausstiegswand, über die links eines markanten Risse abgeklettert werden kann (20m, II), T5. Nun Einfach zum Skigipfel (2044m, Kreuz) und über die Grashalde hinunter nach Grenchegalm (1884m), T2. Der Hane (2019m) kann direkt überschritten werden, dann zuletzt weiss-rot auf den Widdergalm (2103m), T3. Abstieg auf dem zunächst eingezeichneten Weg über den S-Grat und den Mätteberg (2000m) zum Stand (vormals Galitepass, 1883m), T4, insgesamt 8h.

Abstieg nach Oberwil
Vom Stand (1883m) nach SSE auf Pfadspuren hinunter nach Alpigle und weiss-rot über die gleichnamige Alp (1681m), Schwaderei (1630m) und Chäälerböde sowie durch den Haselwald nach Oberwil (937m), 2h, T2.

Verhältnisse: nachts aufklarend, dann Gipfel und Grat einhüllender Hochnebel sowie Quellwolken und nur wenig Sonne, aber trotz leichtem NW-Wind mild. Gras entsprechend auch tagsüber noch z.T. feucht, Boden und Fels sonst meistens trocken. N-seitig z.T. noch Schneereste.

Material: Stirnlampe und ev. Leichtpickel (nicht gebraucht) zusätzlich zu üblicher Alpinwanderausrüstung. Genügend Energie Flüssigkeit mitnehmen (Brunnen nur bis Matte und ab Alpigle, Getränke ev. auf dem Stockhorn und am Morgetepass).

Fahrplan: 00.30 Start, 1.45 Sunnighorn, 4 Uhr Mattestand, 6.15 Stockhorn, 8.30 Homadsattel, 11.45 Gantrisch, 13.45 Ochse, 16 Uhr Widdersgrind, 16.45 Stand, 18.15 Oberwil.

Bemerkung: für eine Begehung eignet sich v.a. der Frühsommer, wenn die Tage lang und das (feuchte oder nasse) Gras noch kurz, und zudem Bergfrühling ist, oder der Herbst, solange die Tage noch nicht zu kurz sind.

Ergänzung: für die Gesamtüberschreitung aller drei Etappen von Wimmis nach Boltigen beträgt die Höhendifferenz im Aufstieg 6365 Hm (+2060 Hm) und im Abstieg 6160 Hm (+2080 Hm), die Distanz 46,5km (+16,5 km), und der geschätzte Zeitbedarf 24h (+8h).

Tourengänger: lorenzo


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