Im wilden Blinnental...


Publiziert von lorenzo , 28. März 2022 um 21:37.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Oberwallis
Tour Datum:26 März 2022
Ski Schwierigkeit: S
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS   I 
Zeitbedarf: 8:00
Aufstieg: 2055 m
Abstieg: 2055 m
Strecke:23 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Reckingen
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Reckingen
Unterkunftmöglichkeiten:Hotel Blinnenhorn, Reckingen
Kartennummer:LK1250 Ulriche, 1270 Binntal, Skirouten Swisstopo; M. Brandt, Clubführer Walliser Alpen 6, SAC 1994

Das Blinnenhorn wird von Maurice Brandt als "selten schöner Aussichtspunkt mit einem grossartigen Panorama" bezeichnet. "Während er im W in hohen Wänden ins Blinnental abstürzt, steigt auf der E-Seite der Griessgletscher bis zum Gipfel." "Er wird hauptsächlich von Skifahrern besucht", vornehmlich vom Nufenen oder aus dem Val Formazza. Brandt zufolge verläuft die Route über die W-Flanke und den SW-Grat "durch eine wilde Gegend."  Ich stiess erstmals Anfang 2020 auf einen Eintrag zu einer Skibegehung aus dem Blinnental über die W-Seite (erst nach der Tour fand ich einen Bericht über eine Snowboardbefahrung, was bei etwas engagierter Suche freilich schon ein paar Jahre früher möglich gewesen wäre...). Als dann gut anderthalb Jahre später, im Herbst 2021, in der 2. Staffel von SRF bi de Lüt - Z'Alp der Alpsommer auch im  eindrücklichen Blinnental gezeigt wurde, nahm ich mir vor, das einsame und wilde Gomser Seitental bei nächster Gelegenheit einmal selber zu besuchen.

Nach kurzer Portage durch das malerische Reckingen konnte ich bereits eingangs Blinnental die Ski anschnallen. Dort begegnete ich noch einem Einheimischen, der von seinem Morgenspaziergang zurückkehrte, dann war ich den ganzen Tag alleine. Auf alten Spuren und mehrere, z.T. grobe Nasschneelawinenkegel passierend gelangte ich zügig unter die Hänge von Vordri Schiltine, die sich anhand von Karte und Höhenmesser gut ausmachen liessen, und die den "einfachsten" Zugang zum breiten WNW-Graben unter dem Blinnenhorn vermitteln. In einem langgezogenen Z stieg ich, z.T. ausgesetzt und über die mittlere Rippe die Ski tragend, zum Fuss des Grabens hoch, der von gröberen Lawinenzügen zum Glück verschont worden war. Mit etwas Ausdauer stieg ich mit Ski durch diesen und das südliche WNW-Couloir bis ca. 3050m und zu Fuss bis unter das Ober Blinnenjoch. Dann querte ich mit Steigeisen 
auf Firnbändern unter dem SW-Grat zum zentralen WNW-Couloir, und stieg durch dieses und den oberen SW-Grat auf den Gipfel, wo ich Brandt punkto Wildheit der Route und Schönheit der Aussicht nur zustimmen konnte!

Nun wollte ich durch das zentrale WNW-Couloir abfahren, das im Gipfelbereich zwar ausgeapert war, sonst aber durchgängig zu sein schien. Mit einer kurzer Abfahrt entlang dem SW-Grat und durch die erste, mit Schnee gefüllte Rinne konnte ich dieses Klippe elegant umschiffen, und dann waren der Bann gebrochen und die Bahn frei. In weiten Schwüngen kurvte ich über zuerst erstaunlich griffigen Firn und Reste von Presspulver zum WNW-Graben hinunter, wo auf etwas holprigem Riffelsulz die Drehfreudigkeit auch nicht übel war. Auf der Rippe unterhalb von Vordri Schiltine musste ich einige Grasflecken überlisten, dann ging es auf wechselhaftem, aber immer gut fahrbaren Sulz zuerst etwas westlich der Aufstiegsroute, weil dort der Schnee am Schatten schon wieder fester war, dann dieser entlang zurück nach Reckingen, wo ich die Häuser von Überrotten bis zum Beginn der Langlaufloipe E umfahren konnte. Kaum hatte ich mit aufgeschnallten Ski die alte Holzbrücke über den Rotten passiert, hörte ich schon den von Münster kommenden Zug pfeifen. Minutengleich trafen wir am Bahnhof ein, und ich musste mich beeilen, um die Ski wieder abzuschnallen und einzusteigen...


Blinnenhorn WNW-Couloir
Aufstieg: vom Bahnhof Reckingen (1319m) gelben Markierungen folgend durch das Dorf, auf dem Wanderweg und auf der Alpstrasse bzw. auf der Skiroute über Stadle (1353m) und durch das vordere Blinnental über die Stalenkapelle (1442m) und Lärch (1781m) bis ca. 1820m unterhalb Chäller (1843m). Weiter auf der Skiroute durch das hintere Blinnental bis ca. 2150m. Nach E auf ein breites Band, auf diesem nach N bis ca. 2290m, über eine Rippe (40 Grad) nach E bis 2450m, und nach NE über Vordri Schiltine in den breiten WNW-Graben bei ca. 2550m. Mit Ski durch diesen (35 Grad) bis ca. 3000m, dann zu Fuss durch das zentrale WNW-Couloir (40 Grad), ab ca. 3250m nach E und NE abdrehend und zuletzt ggf. über den SW-Grat, auf den Gipfel (3374m), 6h, S.

Abfahrt: bei genügend Schnee im Gipfelbereich über die beschriebene Route, bei Ausaperung weiter entlang dem SW-Grat und durch eine der mit Schnee gefüllten Rinnen (ev. Abrutschen) nach W hinunter ins oberste zentrale WNW-Couloir. Dann entlang der Aufstiegsroute zurück, 1h 45min, S.

Verhältnisse: bei leichter Bise sonnig und mild. 30cm bis 2m Schnee ab Dorf, morgens und schattseitig griffiger Firn, der an der Sonne aufsulzt. Rippe unter Vorderi Schiltine z.T. aper, im südlichen WNW-Couloir beim Aufstieg Firn und oben z.T. (Press-)Pulver, trittfest, Ausstieg z.T. aper, zentrales WNW-Couloir Einfahrtsbereich z.T. aper, S aber gefüllte Rinnen, dann bei Firn und Sulz oben z.T. (Press-)Pulver. Mehrere z.T. grosse Nassschneelawinen zwischen Stalen und Vordri Schiltine bereits abgegangen. Alte Aufstiegsspuren zum und Abfahrtsspuren vom Rappehorn. Ski bis Stadle (1353m), über die Rippe auf Vordri Schiltine, sowie ab ca. 3050m in S WNW-Couloir zum Gipfel, und ab P. 1317 zum Bahnhof getragen.

Material: Helm, Pickel und Steigeisen zu üblicher Skitourenausrüstung.

Fahrplan: 8.30 Start, 9.45 Lärch, 10.45 Einstieg ca. 2150m unter Vordri Schiltine, 13.45 Ausstieg südliches WNW-Couloir, 14.30 Gipfel, 15.45 Lärch, 16. 30 retour.

Varianten: für den Aufstieg möglichst hoch mit Ski habe ich das breitere südliche WNW-Couloir Richtung Ober Blinnenjoch (ca. 3250m) gewählt und bin dann unter dem SW-Grat über zwei Rippen auf Firn (bis 45 Grad) zum zentralen WNW-Couloir gequert. Vom Gipfel bin ich entlang dem SW-Grat bis zur ersten mit Schnee gefüllten Rinne und durch diese (ca. 10m abgerutscht) nach W zum obersten zentralen WNW-Couloir abgefahren.

Bemerkung: nur bei sicheren Lawinenverhältnissen!

Tourengänger: lorenzo


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Kommentare (2)


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eeu hat gesagt:
Gesendet am 6. April 2022 um 09:47
Einem, der den Bergkristall längst gehoben hat - mit dem Gedicht von Albert Streich "Induuchlen", und mit seinen poesievollen Berichten. Vielen Dank os em Appezellische, Eli, mit em Engelchörli ond “s'Sunnebuebes“:
https://www.youtube.com/watch?v=hM1zUR831nU

lorenzo hat gesagt: RE:
Gesendet am 6. April 2022 um 18:53
Hallo Eli

hab Dank für Dein freundliches Kompliment und das wunderschöne Zäuerli mit betörendem Talerschwingen!

Herzliche Grüsse aus Bern nach Appenzell

lorenzo


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