Wandern durch Sturm und Wind, Wandern am Morgen und Wandern am Abend

Wanderung durch Sturm und Wind
 
Ich bin in der Gegend, wo ich Kindheit und Jugend verbracht habe. Es windet und weht. Im Norden, an Nordsee und Ostsee, folgend einander die Stürme, gleich drei hintereinander. Auch hier werden die Wolken vorangepeitscht, es wird wohl regnen wollen. rojosuiza rennt das Hofer-Wägli hinauf, durcheilt Heldswil, läuft oben durch nach Schocherswil, steigt in den Graben zum Mühlibach hinab, wieder hinan auf der anderen Seite, kommt fast bis Räuchlisberg, steigt danach hinab durch die frisch gegüllte Wiese nach Amriswil.
 
Nach dem Mittagessen mit Schwester und Schwestermann wieder zurück – ohne die frisch gegüllte Wiese! – nach Schocherswil, wo die neugebackenen Grosseltern das neugebackene Küken herzen und rojosuiza das Bild beschaut. Sodann enteilt er, läuft über Heldswil und Götigkofen zum Breitenloo, wo er bei der früheren Ernst-Teigwaren-Fabrik vom Deckel herabsteigt ins Tal der Thur.
 
Es windet und weht, der Regen dräut und droht, den lieben langen Tag – aber richtig nass machen kann das Wetter den fliegenden Wanderer nicht.
 
 
Morgenwanderung
 
Bevor man zum Geburtstagsessen aufbricht, hat rojosuiza zwei Freistunden. Er rennt hinab ins Unterwuhr, wo die Wasser der Thur über den Stau hinabstieben. Es herrscht Hochwasser. Es führt eine Steintreppe hinunter bis ins Becken unter dem Stau. Dort hinab soll man nicht, sagt das Schild, Schwimmverbot hier. rojosuiza will nicht schwimmen heut, etwas fotografieren vielleicht; fiele er aber hinein, versuchte er sich dann schwimmend trotzdem noch zu retten – ja, dann überträte er allerdings Vorschrift und Gesetz!
 
Auf dem hohen Steg über der Thur sollen sich nur 30 Leute aufhalten, sagt die Warntafel. Gut, dass nur ein kleiner Hund mit seinem Trainer darauf ist, und rojosuiza dazu.
 
Weil’s unten langweilig ist, zieht es rojosuiza durch abgeholzten Wald und über Forstwege hinauf ins obere Stockwerk, Richtung Neukirch an der Thur (das mit etwas Logik eigentlich Neukirch ‚ob‘ der Thur heissen sollte). Da trifft er auf ein halbes Festzelt, das er sich nicht recht erklären kann – bis ihm einfällt, dass es auch anderswo wilde Corona-Festivitäten gibt, wenn die Obrigkeit alle legalen Vergnügungen an Bande gelegt hat. Das wir wohl jetzt so ein Corona-Festzelt sein. Er steigt weiter hinauf, gelangt bald oben an. Das Land öffnet sich, die Sonne bricht durch, Schneeberge formen den Horizont.
 
Zwei Stunden sind kein Tag. Umkehren also und absteigen, hinab nach Schönenberg. Da kommt einer an der Ruine Last vorbei. In meiner Kinderzeit führte dort ein steiles Weglein hinauf, das mehr eine Rutschbahn war als ein Weg. So schaut nur her: Jetzt führt ein perfekt angelegtes, gekonnt gemauertes Trepplein hinauf zur Burgruine. Das überwindet einer leicht, jeder ältere Herr kann sich das zumuten.
 
 
Abendwanderung
 
Heute abend ist Freinacht; die Gastgeberin geht ins Theater. rojosuiza rennt vor dem Einnachten hinauf, das Humbel-Weglein hinauf, nach Hohentannen. Er kommt durch den Wald, den man  vor zwanzig Jahren unbarmherzig geschlagen hat. Jetzt ist nichts mehr kahl, alles ist wieder bewachsen mit niedrigen Stauden. Nach etwas kreuz und quer landet er bei Schloss Oetlishausen. Die Dämchen des Mädchenpensionates haben das Schlösslein verlassen, Pompanz ist eingezogen. Eine Tiefgarage unterkellert die Wiese vor dem Zugang. Ein Zaun zieht rojosuiza eine scharfe Grenze. Die Kapelle ist zu, aber er kann noch um sie herum gehen, wenigstens das. Das Schlösschen steht zum Verkauf. hikr, die ländliche Einsamkeit wünschen, und doch gerne ihre finanzielle Potenz zur Schau stellen wollen, sollen sich melden.