Wenn es vorne herum nicht geht, geht es vielleicht hinten herum?


Publiziert von rojosuiza , 3. Juli 2021 um 21:52.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Berninagebiet
Tour Datum: 2 Juli 2021
Wandern Schwierigkeit: T4- - Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GR 
Aufstieg: 800 m
Abstieg: 1000 m
Strecke:12 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Bernina Suot RhB
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Pontresina

 
Wenn es? – Aber dieses ist doch? – Ab hier müsste es doch möglich sein… Schön sonnenexponiert, das frisst den Schnee; etwas steil im Anstieg, aber sonst?
 
Nun, aller guten Dinge sind zwei, nicht wahr? – Wenn sich mir diese Fuorcla Pischa nicht erschliessen wollte auf meiner berühmten Wanderung ‚7 auf einen Streich‘, kann man sich doch einfach von hinten anschleichen.
 
Dazu ist dieses Tal einsam, keiner sieht es, wenn man wieder den Schwanz einzieht. Alle achten sie nur auf die Diavolezza-Seite, man ist also ganz sicher.
 
Da kommt doch ein anderer Wanderer, dumm, ganz dumm. rojosuiza ist bekannt für seine immer grösser werdende Höflichkeit und lässt dem anderen den Vortritt. Schon bald ist er ausser Sichtweite, hat wohl eine andere Richtung eingeschlagen.
 
Gemächlich steigt rojosuia immer höher, auf seiner Moränenrippe. Irgendwo oben muss er dann nach links queren, aber das wird der Weg schon wissen, danach wieder nach rechts; auch das weiss er, der Weg. Schliesslich kommt eine beschieferte Stelle – die könnte heikel sein, wenn es Eis gäbe. Überall fliessen die Wässerlein um rojosuiza herum, und auf und über den Weg sprudelt es freudig. Den letzten Anstieg macht rojosuiza frei im Gelände – der Weg ist unter Schnee verschwunden.
 
Ah, die wild und wüste Hochebene ist erreicht. Ebene, welch seltsames Wort, wo hier doch alles gebuckelt und gerillt und schief ist. Doch befindet man sie ganz eindeutig in einem anderen Stockwerk. Ab hiergehen in alle Richtungen Wege, sähe man sie denn im Schnee, und am Rand stehen Hügel und Berge. Heisst es hier auch? – Ja, es heisst… Die Fotomaschine hätte es jetzt sagen sollen, aber es stellt sich heraus, des der Meisterfotograf den Wegweiser mit der Ortstafel nur von weitem aufgenommen hat, sodass er jetzt gar nicht weiss, ob… ob und wie es hier heisst. Laut der Landeskarte hat dieser Ausstieg auf 2750 Metern keinen besonderen Namen… rojosuiza kann’s gar nicht fassen.
 
Ab hier liegt Schnee. Er ist härter als der Sumpfschnee vom letzten Versuch von der anderen Seite her. Es ist auch früher am Tag. Das Einsinken des Fusses hält sich ganz artig in Grenzen; nicht mehr als ein Dutzend Mal geht’s bis zu den Knien hinunter. So läuft es sich leicht. Auf der linken Seite liegt wohl im Schnee und Eis verborgen ein See. Nicht beindruckend so. Das wogende Schneemeer hier oben desto mehr. In grossen Abständen stehen Markierungsstangen. Heute ist es wechselnd bewölkt, wehe dem Wanderer, der im Nebel an diesen Ort kommt…
 
Dann ist gefunden, was man schon zwei Mal gesucht hat. Die Fuorcla Pischa ist erreicht. Es ist ein Kreuzpunkt, und nicht so sehr ein Pass, wie es sich rojosuiza vorgestellt hat. Diese Tafel ist nun genau festgelegt, Fuorcla Pischa 2848 m über Meer, denkt der Leser. Doch nein, der Hoffotograf hat alles fotografiert, nur das hat er nicht fotografiert. Auf jeden Fall steht auf dem Pass selber nur eine Markierungsstange, der Wegweiser ist weiter unten bei der Weggabelung, wovon man im Schnee nichts sieht.
 
Recht lang bleibt der Wanderer jetz auf der Höhe von 2850 Metern, bis er sich kurz entschlossen hinabstürtzt, dem See seiner vorangegangen Wanderung entgegen. Er hat es sich klug überlegt. Ist er nicht das letzte Mal bis zum Rand der Hochebene emporgestiegen? – Kennt er also nicht ab der Stelle den Rückweg ganz genau?
 
Einer der 7 Seen versteckt sich dort. Er ist im Schnee mehr oder weniger zu erahnen. Es muss weiter unten aber noch mehr Wasser geben. Es gluckert und glänzt denn auch wirklich schon bald. Ein Flüsschen, der Abfluss. Zu breit, um ohne Nachdenken über zu setzen. rojosuiza muss reichlich nachdenken, bis er die Lösung hat. Etwas weiter oben, Richtung zugeschneiter See, gibt es eine kleine Platte, wo das Flüsschen um eine Insel zwei flache Ärmchen legt. Es darf gewatet werden. Machen wir’s schnell und entschlossen, bleiben die Socken in den Schuhen und hinter den Gamaschen auch trocken. Sie bleiben’s, schon stapft rojosuiza wieder durch den Schnee.
 
Bis jetzt hat rojosuiza niemand um sich gehabt; jetzt stehen dort unten zwei Gestalten, die auch einen Übergang suchen. Sie wollen dort nicht über setzen und zotteln abgeschlagen von den Wassern in eine andere Richtung davon.
 
Und jetzt kommt es, das Glück des Bergwanderers: Aller Aufstieg liegt hinter ihm, das Stapfen durch den Schnee. Der Weg ist gefunden, die Wanderung gemacht wie geplant. Es geht nur noch hinab. Da lacht das Herz und der Verstand steht auf Null. Weiter vorn ist die Seilbahn. In der Gartenwirtschaft genehmigt man sich den Latte Macchiato (sehr gut!) und den Aprikosenkuchen (sehr gut!). Damit hat man das Geld für die Abfahrt verspielt, und dafür darf man nur auf dem Paradiesweg hinunter nach Pontresina wandern, mit sich und der Welt wohl zufrieden…

Tourengänger: rojosuiza


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