Val Bavona: Basodino - der Charakter-Dreitausender
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Der Basodino ist ungefähr gleich schnell zu erkennen wie das Matterhorn. Jedenfalls von Osten her – und dies bedeutet von den meisten Tessiner Gipfeln – mit seinem breiten, fast horizontalen Gletscher. Ein Charakter-Gesicht könnte man sagen. Charakter hat er auch, und wie! Einmal ein ganz mieser mit tückischen Spalten, verborgen unter faulem Schnee. Oder eben wie dieses Mal: Bei allerschönstem Wetter mit dicker Schneedecke, welche die Spalten sozusagen versiegelt hat, von der allerliebsten Seite, oder wie heute…
Ich habe den Basodino zwei Mal als Alleingänger bestiegen. Beim zweiten Besuch verschwand in der gleichen Woche ein Berggänger. Ich habe die Spalten gesehen und umgangen und dachte noch, hoffentlich…. Der Berggänger war unauffindbar. Dies hat mir gereicht. Die dritte Besteigung vor etwa zehn Jahren machte ich ganz ordentlich zu Zweit mit Seil und Steigeisen.
Und heute bin ich sogar mit drei versierten Bergkameraden unterwegs. Zwei Seilschaften. Steigeisen. Funk. Aber alles schön der Reihe nach: Die Anreise erfolgt am Vortag. Halbpension, reserviert. Einchecken und typisches, schmackhaftes Nachtessen (von aufgestelltem Personal bedient) mit Minestrone und Makkaroni mit Gehacktem, feinem Dessert. Hüttenwart aus Bedretto/Bedretto wegen Jagd abwesend, vertreten durch Enkel. Wunderschöner Abend in interessantem Kreise bei einem Schluck Wein. 22.00 Uhr Nachtruhe.
Tagwache 05.30Uhr. In der Nacht hat es geregnet. Jetzt ist das Unglaubliche eingetroffen: Nordföhn-Einbruch. Der Wind hat um 180° gedreht! Sternenhimmel. Frühstück. Aufbruch in der Dämmerung. Doch schon beim Erreichen des Plateaus der Bergstation erwacht der Tag. Wir folgen dem breiten, gut sichtbaren und rot/weiss bezeichneten Weg recht steil zum Bacheinschnitt. Jetzt beginnt das Rauschen des Baches, welches unten wegen der Fassung und Umleitung fehlt. Im Valletta di Fiorina geht es weiter, wo die traditionelle Alp Randinascia liegt, heute wie die Alpe Zott (wegen Stausee) stillgelegt. Gut ausgebaute, geschlossene Jägerhütte mit Biwakzelt daneben. Dass im Val Bavona so weite Weiden möglich sind? Wir übersteigen eine Zwischenrippe, welche in Karststein unterirdische Gänge haben soll. Sonnenaufgang. Gegenlichtaufnahme. Wieder durch eine etwas nasse Ebene und später ziemlich steil auf die vom Gletscher herunterkommenden Rippe in Serpentinen hinaufführend mittels gut sichtbarem Weg. Klare Wegspuren führen zur Zorzi-Gedenkstätte 2560m, wo wir einen Trinkhalt einlegen. Wir überwinden verschiedene Felsstufen - vor hundert Jahren war hier noch ewiges Eis – und erreichen die Plattform unterhalb des Gletschers. Anseilen. Steigeisen montieren.
In Direttissima geht es steil über Eis empor, bis die Schneeschicht das Zepter übernimmt. Ohne Steigeisen kein Durchkommen! Das Oberflächenwasser gurgelt durch Vertikal-Kanäle und verschwindet plötzlich im Innern des Gletschers. Zügig und bei besten Verhältnissen queren wir unterhalb des Gipfels des Basodino nach links hinaus zur Scharte am Fusse des Ostgrates, Pt 3013, wo wir ein Rucksackdepot einrichten und auch die Steigeisen zurücklassen können. Gott sei Dank!
Der Grat ist trocken und sogar angenehm warm. Über grosse und kleine Stein- und Felsbrocken geht es einmal eher rechts, dann eher links die Grathöcker umgehend ziemlich steil dem Grat entlang zum Gipfel mit übervollem Gipfelbuch und Eisenkreuz (auf dem 5 Meter weitergelegenen Gipfelhöcker). (II). Wieder überrascht mich die Aussicht. Durch die vom Hauptkamm der Alpen abgesetzte Lage ergibt sich eine 360° Panoramasicht, beginnend vom Monte Rosa Gebiet über die Berner-, Urner, Glarner, Tessiner- Bündnerberge. Zwei Haupttäler liegen zweitausend Meter tiefer: Val Formazza (Italien) und Val Bavona. Stauseen hier – Stauseen dort. Passo San Giacomo hier und Antabia-Seen mit dem Pizzo Solögna dort. Ich komme aus dem Staunen nicht mehr heraus. Und dies beim vierten Besuch, wohlverstanden.
Über den Innerschweizer Bergen ziehen sich bedrohliche Wolken zusammen. Wir entscheiden uns zum sofortigen Abstieg. Wie hatten wir gut gewählt: Kaum beim Rucksack-Depot angekommen, ziehen schon einige Nebelfetzen über den Basodino und bei der Anseilstelle ist er bereits in dicke Wolken gehüllt! Unverzüglich steigen wir ab. Die Wolken werden immer dichter. Es riecht nach Regen und schon fallen die ersten dicken Regentropfen. Wir erreichen die Ebene von Randinascia, als der Regen definitiv einsetzt. In wasserdichten Überhängen eingepackt kämpfen wir uns zur Bergstation der Robiei hindurch und erreichen die letzte Talfahrt um 16.45 Uhr
Der Basodino hüllt sich in Wolken. Typisch für seinen Charakter. Oder?
Uns war er wohlgesinnt.
Hike partners:
Seeger

Communities: Die 44 - 3000er des Tessin
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