In Monsgípp habe ich dann der REGA telefoniert


Publiziert von mong , 9. Juni 2021 um 12:12.

Region: Welt » Schweiz » Tessin » Bellinzonese
Tour Datum:29 Oktober 2009
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-TI   Gruppo Poncione Rosso 
Zeitbedarf: 8:00
Aufstieg: 742 m
Abstieg: 742 m
Strecke:Iragna ➙ Premezzano ➙ Scontrella ➙ Pozzo ➙ Monda ➙ Monsgípp
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Iragna
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Biasca
Kartennummer:1293 OSOGNA / 1273 BIASCA

Mit den sieben Sinnen erfahre ich die Welt.
Oder besser gesagt, ich erfinde die Welt.
Ich stelle mir vor, wie die Welt ist.
Nämlich so, wie ich sie mir vorstelle.

Okay, das war die Einleitung. Nicht gut gelungen, finde ich.
Aber jetzt zu meiner Wanderung:

Eigentlich wollte ich von Iragna nach Pozzo und dann nach Monda
und dann hinunter nach Personico wandern,
aber irgendwo kurz vor Monda ging es irgendwie nicht mehr weiter.
Ich bin umgekehrt, und auf dem Rückweg habe ich mich verirrt,
und ich hatte irgendwann keinen blassen Schimmer mehr, wo ich mich befand.

Das ist weiter nicht schlimm, das passiert mir oft, ich bin Weltmeister im Verirren.
Aber dieses Mal war es ein bisschen anders.

Es war ein schöner Tag, mit Sonne.

Um halb fünf Uhr abends stand ich dann auf einer Wiese.
Der Tag war am Kippen und die Nacht am Kommen,
und ich wusste zwar noch ganz knapp, wer ich war,
aber nicht mehr, wo ich war, und es war kalt, weil Spätherbst.
Und ich war müde und kaputt.

Ich habe trotzdem noch nach einem Weg
oder nach einem Pfad
oder wenigstens nach einer Spur gesucht,
aber dann habe ich aufgegeben.

Dämmerung. In der Nacht sind alle Katzen grau.

Ich bin ein eitler Berggänger, und darum ist mir der Entscheid nicht leicht gefallen,
der REGA zu telefonieren. Es war mir peinlich.

Mittels der Telefonnummer 1414 hatte ich kurz darauf die REGA-Zentrale in Zürich
am Handy, und ich wurde sofort mit der REGA von Locarno verbunden.

Weil ich der REGA von Locarno nicht genau erklären konnte, wo ich mich befand
(kein Wunder, ich wusste das ja selber nicht), haben sie zwei einheimische Jäger
aus Iragna von der Arbeit weggeholt, und diese zwei Jäger haben mir telefoniert
und gezielte Fragen gestellt. 

Zum Beispiel: 
"Wie weit siehst du von deinem Standort aus ins Valle di Blenio hinein?"
(Weil ich das Valle di Blenio kenne, konnte ich ihnen die Ortschaft sagen.)

"Wenn du nach Norden schaust, wie weit siehst du in die Leventina?"
(Konnte ich beantworten, ich kenne die Leventina besser als 
das geheime Tagebuch meiner Freundin.)

"Was für Bäume hat es in deiner Umgebung?"
(Das konnte ich gut beantworten, es waren vor allem Birken.)

"Hat es auf der Wiese, auf der du dich befindest, ein Gebäude,
eine Ruine oder eine Cascina?"
(Meine Antwort: "Ja, ich stehe vor einer Cascina, und die Türe dieser Cascina ist rot.")

Kurze Pause, dann kam die Antwort. Sie war kurz und klar:
"Wir wissen jetzt, wo du bist. Du bist in Monsgípp. Die REGA kommt dich holen.
Halte deine Taschenlampe bereit, wenn du den REGA-Heli siehst.
Mit deiner Lampe kannst du dem Piloten signalisieren, wo du bist.
Dann gehe an den Rand der Wiese und rühre dich nicht von der Stelle,
wenn der REGA-Heli kommt."

Ich stand auf der Wiese, und es wurde Nacht.

Dann ging alles ganz schnell.

Ich sah den REGA-Heli. Er steuerte auf die Wiese zu,
auf der ich mich befand. Ich signalisierte dem Piloten mit meiner
Taschenlampe, wo ich war. Der Heli ist dann wieder verschwunden,
wahrscheinlich, weil er nicht landen konnte wegen dem steilen Gelände.

Kurz darauf kam der Heli wieder zurück und ein Mitarbeiter der REGA,
es war ein Arzt, hat sich abgeseilt und ist auf mich zugekommen und hat mich 
nach meinem Geburtsdatum gefragt. Und er hat natürlich einen kurzen Check-up
gemacht. "Tut dir etwa weh, bist du verletzt?"

Ich war nur müde.

Dann haben sie mich in den REGA-Heli gehievt und der Pilot 
hat uns nach Biasca gebracht.

Absolute Profis! Total kompetent, diese Leute von der REGA.
Und erst die Jäger! Wie sie in kurzer Zeit mit ihren
gezielten Fragen meinen genauen Standort
herausgefunden haben - das hat mich total beeindruckt!

Vive la Suisse! Und die REGA !!!
_______________________


Kurzfassung Wanderung vom 29.10.2009:

Am Morgen mit dem ÖV von Schattdorf nach Iragna.
Von Iragna über Pozzo bis kurz vor Monda.
Dann - zum Teil weglos - zurück bis Monsgípp (Monte Gip).
Von Monsgípp im REGA-Heli nach Biasca.
Von Biasca am Abend mit dem ÖV zurück nach Schattdorf











Tourengänger: mong


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Kommentare (14)


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Henrik hat gesagt: Es war mir peinlich
Gesendet am 9. Juni 2021 um 15:10
Seltenes Eingeständnis!

mong hat gesagt: RE:Es war mir peinlich
Gesendet am 9. Juni 2021 um 19:05
Es war das erste und hoffentlich auch das letzte Mal,
dass ich die REGA bemühen musste.

Meinen jährlichen Beitrag zahle ich immer gerne:
[/www.rega.ch/rega-goenner/goenner-werden?rnw-widget=goenner-...]

Alpenner hat gesagt: Hauptsache
Gesendet am 9. Juni 2021 um 17:38
wieder heil runter... in der Nacht ist es auch mit Taschenlampe sehr heikel in unbekanntem Gelände... alternativ hätte man nur noch die rote Türe knacken können :)

mong hat gesagt: RE:Hauptsache
Gesendet am 9. Juni 2021 um 18:59
> ... alternativ hätte man nur noch die rote Türe knacken können :)

Ich hatte mein Einbruchswerkzeug nicht dabei ;-)))

ChristianR hat gesagt:
Gesendet am 9. Juni 2021 um 20:36
- "Tut dir etwa weh, bist du verletzt ?"

- "Zu meinem Stolz, ein wenig..."

;-)

mong hat gesagt: RE:
Gesendet am 10. Juni 2021 um 03:13
Oké ;-)))

WolfgangM hat gesagt:
Gesendet am 10. Juni 2021 um 12:49
Hallo mong,
ich will keinesfalls rechthaberisch erscheinen. Aber du solltest dein Museums-Handy verschrotten und dir ein Smartphone zulegen. Dann kannst du über das darin eingebaute GPS deine genaue Position ablesen und dem Rettungsdienst mitteilen. Und zwar auch bei Nebel und Dunkelheit, wenn eine Orientierung an sichtbaren Landschaftsmerkmalen nicht mehr möglich ist. Und eine Powerbank als Reserve-Akku ist auch nicht verkehrt. Immerhin hast du lobenswerterweise eine Taschenlampe dabei gehabt.

mong hat gesagt: RE:
Gesendet am 10. Juni 2021 um 18:18
Hallo Wolfgang
Nö, du erscheinst überhaupt nicht rechthaberisch. Du hast natürlich recht. Das Museums-Handy auf dem Foto ist ein 'Panasonic EB-GD93'. Ich habe es im Jahre 2001 gekauft. Damals gab es noch keine Smartphones. Mein Panasonic (80 Gramm leicht, übrigens) habe ich an jenem Abend in Monsgípp zum letzten Mal auf einer Wanderung benutzt. Vor der nächsten Wanderung habe ich ein iPhone gekauft - also mit GPS. Im Moment habe ich ein iPhone SE.

Danke für dein Feedback!

ReinerD hat gesagt:
Gesendet am 10. Juni 2021 um 18:10
> ...ich wusste zwar noch ganz knapp, wer ich war,
> aber nicht mehr, wo ich war, ..

Schön formuliert. Kann vorkommen.

Mittlerweile ist das ja über 10Jahre her und wenn die Jäger mal nicht mehr weiter wissen, rufen sie nun den mong an.
Sind dann eben Fragen wie
".. können Sie mir sagen welche Farbe und Form die Blätter dort haben?"

zack... Ort am Blatt erkannt , mong zum Retter ernannt ,-)

mong hat gesagt: RE:
Gesendet am 10. Juni 2021 um 18:33
> zack... Ort am Blatt erkannt

Hehe! Ich stelle mir gerade vor: Ein einheimischer Tessiner Jäger, der sich in der Leventina verirrt hat, und der mich anruft und um Hilfe bittet. Und ich würde ihm gezielte Fragen stellen, zum Beispiel: "Welche Form und Farbe haben die Blätter, die du vor dir auf dem Boden siehst?" Und nach einigem Hin und Her würde ich ihm sagen: "Ich weiss jetzt, wo du bist. Du kannst der REGA telefonieren und sie über deinen Standort informieren." ;-)

83_Stefan hat gesagt:
Gesendet am 13. Juni 2021 um 18:17
Solche Missgeschicke passieren... Was vermutlich seltener ist: Wenn jemand sich entscheidet, andere an seiner Erfahrung teilhaben zu lassen, damit diese daraus lernen können. Insofern finde ich deinen Bericht sehr informativ und danke dir dafür. Ich war glücklicherweise noch nie in einer derartigen Lage aber ich wäre wohl auch so ein Kandidat, der aus Eitelkeit ewig mit dem Anruf warten würde ;-) . Viele Grüße!

mong hat gesagt: RE:
Gesendet am 14. Juni 2021 um 18:56
> aber ich wäre wohl auch so ein Kandidat, der aus Eitelkeit ewig mit dem Anruf warten würde ;-)

Ich habe einfach kein gutes Gefühl, wenn andere Leute wegen meinen Eskapaden Risiken eingehen müssen. Schön zu erfahren, dass es anderen Leuten auch so geht.

Bertrand hat gesagt:
Gesendet am 14. Juni 2021 um 13:27
Merci pour le partage, beau récit ! Un seul sauvetage REGA c'est rien du tout, moi j'en suis déjà à 3 (1x Air Zermatt, 1x Gendarmerie française, 1x REGA...)

mong hat gesagt: RE:
Gesendet am 14. Juni 2021 um 19:01
> Un seul sauvetage REGA c'est rien du tout...

Héhé, oké, mais j'ai tout de même pas l'intention
de provoquer un deuxième sauvetage ;-)


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