Muscheren-Trilogie

Die sicheren Lawinenverhältnisse heute wollte ich nutzen für eine rassige Rundtour aus dem Muscherenschlund. Die Überschreitung ist gespickt mit (steilen) Höhepunkten wie dem Direktaufstieg zur Kaiseregg, der Abfahrt vom Widdergalm-Grat sowie dem NE-Couloir an der Wyssi Flue. Diese Varianten fehlen auf der Skitourenkarte, finden aber im SAC-Tourenportal Erwähnung - bravo! Somit wäre einmal mehr bewiesen, dass man für alpinistisch angehauchte Unternehmungen nicht extra an den Alpenhauptkamm fahren braucht.

Um 6:45 geht's los bei der Strassengabelung Spitz (1192m) hinten im Muscherenschlund. Über die apere Alpstrasse hätte man weiter Richtung Schönenboden fahren können. Das lasse ich bleiben, weil ich Touren ungern mit einem Gegenanstieg beende. Stattdessen mit Ski der offiziellen Route folgend zum Gantrischli. Man kann von hier bereits die drei angestrebten Gipfelziele einsehen inklusive der steilen NE-Flanke des Widdergalms. Erfreut erblicke ich dort mehrere Spuren. Über sanft geneigtes Alpgelände ziehe ich Richtung Salzmatt, das ist recht weitläufig. Etwas südlich davon gewinne ich den Gratrücken, wo mich ein giftiger SW-Wind empfängt. Mehr zu gefallen vermag der Blick auf Schwarzsee und in den Breccaschlund. 
Der Schlenker via Kaisereggpass verspricht wenig Genuss und spontan entscheide ich mich für den Direktaufstieg über den NNW-Grat. Circa in der Hälfte steige ich von den Ski auf Steigeisen um, wobei sich der (bereits gespurte) Fussaufstieg als problemlos erweist. Zuletzt sehr steil durch ein Couloir (>40°) erreiche ich noch vor neun Uhr die Kaiseregg (2185m) - was für eine Stimmung hier oben. Der Westrücken des Widdergalms lässt sich übrigens trotz der Distanz bereits gut einsehen.

Kurze Snack- und Fotopause und dann auf in die Abfahrt in den Kessel von Walop. Der frühe Start erweist sich als weise: bereits um diese Uhrzeit ist die steile SE-Flanke (> 40°) unterhalb vom Kaisereggpass faul... Beim Hinteren Walopsee felle ich wieder an und gewinne bald den markanten Westrücken des Widdergalms (gut 30°). Dieser wurde in den Vortagen bereits angespurt. Auch zu P. 2105 des Stierengrats (s. Skitourenkarte) führt eine alte Spur. Auf dem Widdergalm (2174m) gönne ich mir eine Pause. Ich denke an lorenzos Direktabfahrt vom Gipfel, Hut ab, für mich eine Schuhnummer zu gross. Auch heute hätte man hierfür grössere Wechten durchbohren müssen.

Ich selber wähle die Variante über den NW-Grat, inspiriert vom SAC-Tourenportal. Das klingt dort recht furchteinflössend, erweist sich aber bei den heutigen Verhältnissen als problemlos. Also Abfahrt dem Grat entlang, bis man durch einen felsigen Aufschwung nach links in die Westflanke abgedrängt wird. Um den Fels herum und ausgesetzte, aber kurze Querung zurück zum Grat in die Lücke direkt vor Felskopf P. 2097. Hierfür brauche ich nicht mal die Ski abziehen, aber Steigeisen gehören zwingend ins Gepäck. Die ersten Meter unterhalb der Lücke sind sehr steil, anschliessend über den perfekt geneigten und sanft auslaufenden NE-Hang runter ins Tälchen. Dabei kreuze ich vier Tourengänger plus Hund im Aufstieg. Es scheint sich hier um einen regelrechten Geheimtipp zu handeln. Zu recht, wie ich sagen darf, es findet sich noch schöner Pulver und Presspulver, skifahrerisch der Höhepunkt heute.

Unten heisst es gleich wiederanfellen, denn ich stehe zu Füssen der "Wyssi Flue" (P. 1965). Das ist ein weiterer Tipp des Tourenportals, auf Hikr bisher undokumentiert. Auf griffiger Unterlage steige ich die 160 recht steilen Höhenmeter (gut 35°) zum Gipfelfirst hoch, von wo ich ein letztes Mal die perfekte Skiflanke des Widdergalms bewundere. Nun fahre ich etwas unterhalb des NE-Grats ab (sehr steil) bis vor ein dichtes Wäldlein. Von hier könnte man die Westflanke über Ritzhüttli nach Neugantrisch abfahren. Es hat heute sogar Spuren drin. Aber natürlich reizt mich die Führerempfehlung: das NE-Couloir. Die Einfahrt wiederum über 40° steil, anschliessend knapp darunter. In der längere Zeit recht schmalen Rinne ist heute kein Blumentopf zu gewinnen: Karton und entsprechend anspruchsvoll zu fahren, mit den müden Beinen sowieso. Weiter unten, dort wo sich das Gelände öffnet, nahtloser Übergang zu Presspulver. Beim Spittelboden erreiche ich die Skiroute Richtung Schafarnisch und lasse laufen bis zum Ausgangspunkt Spitz.

Zeiten (kum)
2:00  Kaiseregg
3:15  Widdergalm
4:00  Wyssi Flue
4:20  Spitz